OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Urteil vom 11.07.2014 - 13 LB 153/13 - asyl.net: M22220
https://www.asyl.net/rsdb/M22220
Leitsatz:

Besteht aufgrund einer schutzwürdigen Vater-Kind-Beziehung ein Ausreisehindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, so können bei unklarer Identität und Staatsangehörigkeit des Vaters die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 4 AufenthG im Einzelfall der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehen. Dem gebotenen Schutz der Familie kann in diesem Fall bis zur Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzungen vorübergehend durch die Erteilung großzügig bemessener Duldungen hinreichend Rechnung getragen worden.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Eltern-Kind-Verhältnis, Ausreisehindernis, ungeklärte Staatsangehörigkeit, ungeklärte Identität, Schutz von Ehe und Familie, Duldung, Sorgerecht, Kindeswohl, Täuschung über Identität, Mitwirkungspflicht, Passpflicht, Regelerteilungsvoraussetzung, deutsches Kind,
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5 S. 1,
Auszüge:

[...]

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Unter "Ausreise" im Sinne dieser Vorschrift ist sowohl die zwangsweise Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen. Nur wenn sowohl die Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise unmöglich sind, kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 -, juris, Rdnr. 15 m.w.N.).

Der vollziehbar ausreisepflichtige Kläger ist gehindert, freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen. Seiner Ausreise stehen rechtliche Gründe entgegen, mit deren Wegfall in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist eine freiwillige Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen unter anderem auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 Abs. 1 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungs - verboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG. Bei Bestehen solcher Abschiebungsverbote hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, a.a.O., Rdnr. 17).

Aufgrund der engen Beziehung des Klägers zu seiner minderjährigen Tochter liegt ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vor. Im Hinblick auf diese engen familiären Bindungen ist dem Kläger unter Berücksichtigung der in Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK getroffenen Wertentscheidungen die Ausreise unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5. Juni 2013 - 2 BvR 586/13 -, juris, Rdnr. 12, m.w.N. aus der eigenen Rechtsprechung).

Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfG, a.a.O, Rdnr. 13, m.w.N. aus der eigenen Rechtsprechung).

Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfG, a.a.O, Rdnr. 14 m.w.N. aus der eigenen Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall besteht zwischen dem sorgeberechtigten Kläger und seiner am ... 2009 geborenen deutschen Tochter unstreitig eine schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft. Der Kläger und die Mutter der gemeinsamen Tochter haben am 12. März 2010 vor dem Amtsgericht Wolfsburg vereinbart, dass diese weiterhin bei ihrem Vater leben solle (BeiA. B, Bl. 643 f.). Ausweislich der Angaben des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 7. Dezember 2012 besucht die Kindesmutter ihre Tochter nur selten und hält auch Verabredungen nicht verlässlich ein. Wenn der Kläger arbeite, befinde sich seine Tochter bei einer Tagesmutter.

Dies funktioniere wunderbar. Diese Angaben sind in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Senat bestätigt worden. Vor dem Hintergrund der offensichtlichen Abhängigkeit der Tochter von der Personensorge des Klägers und ihres geringen Alters kommt eine auch nur vorübergehende Trennung nicht in Betracht. Mit einer Änderung dieser Situation und damit einem Wegfall des Ausreisehindernisses ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.

§ 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG steht der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nicht entgegen. Danach darf eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt nach Satz 4 der Vorschrift insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt. Danach soll ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nur den Ausländern zugute kommen, die nicht ausreisen können, nicht aber denen, die nicht ausreisen wollen. Dem persönlichen Verhalten des Ausländers kommt somit insbesondere im Hinblick auf die gesetzlichen Mitwirkungs- und Initiativpflichten (vgl. § 82 Abs. 1 AufenthG) eine wichtige Bedeutung zu. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kommt demnach nicht in Betracht, wenn der Ausländer die Situation der Nichtausreise entweder vorsätzlich oder zurechenbar herbeigeführt (etwa durch Vernichtung des Passes) oder zumutbare Handlungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses unterlassen hat. Davon muss im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Täuschung des Klägers über seine Identität und Staatsangehörigkeit sowie seine die Beschaffung von Ausreisepapieren blockierende Haltung ausgegangen werden. Dennoch bleibt dem Kläger eine Ausreise wegen der familiären Beziehung zu seiner Tochter weiterhin auf unabsehbare Zeit unmöglich, so dass spätestens seit der tatsächlichen Übernahme der Personensorge für seine Tochter die erforderliche Kausalität zwischen der Unterlassung zumutbarer Handlungen zur Beseitigung der auf der Unklarheit über seine Identität und Staatsangehörigkeit bestehenden Ausreisehindernisse und der gerade deswegen unterbliebenen Ausreise fehlt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. April 2011 - 1 C 3.10 -, juris, Rdnr. 20; Senatsurt. v. 10. Dezember 2008 - 13 LB 13/07 -, juris, Rdnr. 35; Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 25 AufenthG, Rdnr. 126; Burr, in: GK-AufenthG, § 25 Rdnr. 43, 172, Loseblatt, Stand September 2012). Es liegt der Fall einer sogenannten "überholenden Kausalität" vor.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG scheitert jedoch an der Nichterfüllung der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a und Nr. 4 AufenthG. Die Identität des Klägers sowie seine Staatsangehörigkeit sind ungeklärt. Aus diesem Grunde erfüllt der Kläger auch seine Passpflicht nicht. Daneben ist aufgrund der begangenen Straftaten auch die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).

Von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG darf zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann abgewichen werden, wenn besondere, vom Regelfall abweichende Umstände dargetan sind, die eine von der Normallage abweichende Interessenbewertung rechtfertigen. Ein derartiger Ausnahmefall kommt immer dann in Betracht, wenn atypische Geschehensabläufe vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht einer gesetzlichen Regelerteilungsvoraussetzung beseitigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. August 2008 - 1 C 32.07 -, juris, Rdnr. 27; Funke- Kaiser, in: GK-AufenthG, § 5, Rdnr. 21, Loseblatt, Stand Juni 2012; Hailbronner, Ausländerrecht, § 5 AufenthG, Rdnr. 5, Loseblatt, Stand Juni 2011). Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann vorliegen, wenn die Versagung eines Aufenthaltstitels höherrangigem Recht, insbesondere verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen wie Art. 6 GG widerspräche (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. August 2008, a.a.O.; Funke-Kaiser, a.a.O., Rdnr. 22; Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 6; jew. m.w.N.).

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG geregelt hat. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist bei der Erteilung eines solchen Titels nur von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zwingend abzusehen. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber nicht schon allein die Ausübung der Personensorge für ein minderjähriges deutsches Kind als ausreichend erachtet, um auch von den übrigen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG zu dispensieren. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist bei der Frage des Vorliegens eines Ausnahmefalles zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass insbesondere an der Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, damit verhindert wird, dass ein und dieselbe Person im Rechtsverkehr mit mehreren unterschiedlichen Identitäten und amtlichen Ausweispapieren auftreten kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 1. September 2011 - 5 C 27.10 -, juris, Rdnr. 13 zum Einbürgerungsverfahren). Darüber hinaus begründet Art. 6 Abs. 1 GG - worauf bereits hingewiesen wurde - keinen Anspruch auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels, sofern der Fortbestand der familiären Lebensgemeinschaft auf andere Weise gewährleistet werden kann. Die Personensorge des Klägers für sein minderjähriges Kind kann im vorliegenden Fall zumindest vorübergehend bis zur Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit des Klägers auch durch großzügig bemessene Duldungen hinreichend sichergestellt werden. Der in § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers, sogenannte "Kettenduldungen" zu vermeiden, tritt im Falle einer beharrlichen Weigerung des Ausländers, zur Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen beizutragen, hinter die mit diesen verfolgte Zwecke zurück. Der Ausländer hat es in derartigen Fällen selbst in der Hand, durch entsprechende Mitwirkungshandlungen die bislang einem Aufenthaltstitel noch entgegenstehenden Hindernisse zu beseitigen. Ausreichende Handlungen in dieser Hinsicht hat der Kläger bislang nicht vorgenommen. Die Vorlage einer Bescheinigung des Generalkonsulats der Russischen Föderation vom 27. Juli 2011, derzufolge der Kläger nicht die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation besitzt, reicht dazu bei Weitem nicht aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger durch sein bisheriges Verhalten die Klärung seiner Identität und Staatsangehörigkeit in erheblichem Maße erschwert hat. Aus diesem Grunde sind von ihm nunmehr um so intensivere - ggf. mit der Ausländerbehörde abgestimmte - Bemühungen zu erwarten, die die Klärung dieser Fragen zum Ziel haben. Einer Verfestigung des Aufenthalts durch Erteilung eines Aufenthaltstitels bedarf es vor diesem Zeitpunkt demgegenüber nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit ihres Vaters und damit die Vergewisserung über ihre Abstammung auch im Interesse der Tochter des Klägers liegen.

Für die Frage der vom Verwaltungsgericht angenommenen Reduzierung des nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingeräumten Ermessens kann nichts anderes gelten. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist bei den dort umschriebenen Aufenthaltstiteln das Absehen von den Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG in das nicht weiter gebundene Ermessen der Ausländerbehörde gestellt. Entsprechend dem Zweck der Norm, eine zusammenfassende Sonderregelung für die Aufnahme in das Bundesgebiet aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen zu schaffen, ist eine umfassende und grundsätzlich offene Abwägung zwischen den hinter § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG stehenden öffentlichen Interessen und den privaten Interessen des Ausländers zu treffen (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., Rndr. 148 f.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich durch § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bereits diejenigen Fallgestaltungen von der Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzungen dispensiert hat, in denen es typischerweise unverhältnismäßig wäre, eine Aufenthaltserlaubnis zu versagen (vgl. Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 81). Vor diesem Hintergrund und angesichts der bereits im Rahmen der Prüfung eines Ausnahmefalles angesprochenen Gesichtspunkte ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit des Klägers, der nicht nur zur Klärung seiner wahren Identität und Staatsangehörigkeit nichts beigetragen, sondern diese zunächst durch falsche Angaben bewusst hintertrieben hat, den Vorrang vor den für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sprechenden Aspekten eingeräumt hat. Eine zu einer Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führende Ermessensreduzierung liegt nicht vor. [...]