VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 - 11 S 2450/13 - asyl.net: M22236
https://www.asyl.net/rsdb/M22236
Leitsatz:

Allein die Vorlage eines irakischen Proxy-Passes der Serie G genügt nicht zwingend zum Nachweis der Identität des betreffenden Passinhabers und damit zur Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG (hier: Einzelfall, in dem die Identität als geklärt anzusehen ist, obwohl bislang weder eine Staatsangehörigkeitsurkunde noch ein Personalausweis vorgelegt worden sind und die Klägerin in der Vergangenheit im Besitz eines gefälschten irakischen Personalausweises war).

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Passpflicht, Identitätsfeststellung, irakischer Pass Serie G, Serie G, irakischer Pass, Ausweisungsgrund, Familienzusammenführungsrichtlinie, Familienzusammenführung, Proxy-Pass, Urkundenfälschung, falsche Angaben, Täuschung über Identität, atypischer Ausnahmefall, Feili-Kurden,
Normen: AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1 a, AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 4, AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, RL 2003/86/EG,
Auszüge:

[...]

b) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass neben der Staatsangehörigkeit auch die Identität der Klägerin im Übrigen geklärt ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG).

Die Identität einer Person (im rechtlichen Sinne) wird durch tatsächliche und rechtliche Daten, wie Geburtsdatum, Geburtsort, Name, Vorname, Name der Eltern usw., bestimmt, die der betreffenden Person zuzuordnen sind. "Identität" bedeutet die Übereinstimmung dieser personenbezogenen Daten mit einer natürlichen Person (zur Identitätsfeststellung vgl. Drewes, Malmberg, Walter, BPolG, 4. Aufl. 2010, § 23 Rn. 9). In der Regel wird diese durch Vorlage eines gültigen und anerkannten Passes nachgewiesen (vgl. Nr. 5.1.1.2a AVwV-AufenthG). Denn ein Pass bescheinigt auch, dass die in ihm angegebenen Personendaten (Geburtsdatum, Geburtsort, Name, Vorname) den Personalien des durch Lichtbild und Unterschrift ausgewiesenen Inhabers des Papiers entsprechen. Liegt ein Pass vor, kommt daher dem Erfordernis der geklärten Identität in § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG neben dem der Erfüllung der Passpflicht in § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG in der Regel keine besondere Bedeutung mehr zu (vgl. GK-AufenthG, Stand: Juli 2014, § 5 AufenthG Rn. 42; vgl. auch Nr. 3.0.8 AVwV-AufenthG). Ist der Betreffende nicht im Besitz eines Passes, sind die Identität und Staatsangehörigkeit gegebenenfalls durch andere geeignete Mittel nachzuweisen (vgl. Nr. 5.1.2 AVwV-AufenthG).

Die Beklagte ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall allein der von der Klägerin vorgelegte irakische Pass noch keinen sicheren Schluss auf ihre Identität zulässt (aa). Der Senat ist aber insbesondere aufgrund der sonstigen vorgelegten Dokumente und der glaubhaften Angaben der Klägerin zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei ihr tatsächlich um die am ... 1974 in Kh. geborene irakische Staatsangehörige Z. J. H. (Geburtsname Z. J. K.) handelt (bb).

aa) Grundsätzlich kommt einem irakischen Pass der Serie G - wie ihn die Klägerin besitzt - in Deutschland ohne Einschränkungen Geltung zu. Das Bundesministerium des Innern entscheidet im Einzelfall über die Anerkennung ausländischer Pässe in einer aufgrund von § 71 Abs. 1 AufenthG erlassenen Allgemeinverfügung. Irakische Pässe der Serie G sind mit Allgemeinverfügung vom 21.06.2006 (Bundesanz. S. 4753) uneingeschränkt für den Grenzübertritt und den anschließenden Aufenthalt im Bundesgebiet anerkannt worden.

Allein die Vorlage des irakischen Passes der Klägerin genügt aber hier schon deshalb nicht ohne Weiteres zum Nachweis ihrer Identität, weil es sich dabei um einen so genannten "Proxy-Pass" handelt. Proxy-Pässe sind unter Verwendung eines authentischen Passformulars und durch einen autorisierten Amtsträger ausgestellt, aber in Abwesenheit des Passantragstellers. Dieser hat sich bei Ausstellung von einem Dritten vertreten lassen, also nicht persönlich vor Ort unterzeichnet (vgl. allgemein zu "Proxy-Pässen", Nr. 3.1.9.1. ff. AVwV-AufenthG). Grundsätzlich obliegt es dem Ausstellerstaat zu bestimmen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen er in Abwesenheit des Antragstellers einen Pass ausstellt (vgl. Nr. 3.1.9.3 VwV-AufenthG). Der betreffende Pass ist dann aber gegebenenfalls nicht geeignet oder zumindest alleine nicht ausreichend, die Identität des Passinhabers nachzuweisen. Bei einigen Staaten, zu denen aber nicht der Irak gehört, werden deren Proxy-Pässe insgesamt nicht anerkannt (vgl. Winkelmann in: OK-MNet-AufenthG (24.06.2012), § 3 I.5).

Damit bedürfen auch in Abwesenheit ausgestellte irakische Reisepässe gegebenenfalls - etwa wenn tatsächlich berechtigte Zweifel an der Identität bestehen - weiterer Prüfung. Zwar mussten jedenfalls bei Beantragung eines Passes (der Serie G) vom Ausland aus ein irakischer Personalausweis und eine irakische Staatsangehörigkeitsurkunde vorgelegt werden (vgl. Mitteilung der irakischen Botschaft Berlin vom 17.10.2008 über die Ausstellung der irakischen Pässe der "neuen Serie G" unter www.iraqiembassy-berlin.de/docs/de/anzeige75_de.php sowie Bestätigung des Generalkonsulats betreffend das Verfahren auf Ausstellung eines Passes der Kinder der Klägerin vom 17.02.2010, VAS. 151). Daher dürfte an sich hinreichend gewährleistet sein, dass im Ausstellungsverfahren auch eine verlässliche Prüfung der Identität erfolgt. Offensichtlich sind aber eine Vielzahl irakischer Reisepässe zwar "echt", aber gegen Bestechung und/oder nach Vorlage gefälschter Urkunden erlangt worden (vgl. allgemein zur Echtheit von Dokumenten aus dem Irak AA, Lagebericht Irak vom 17.01.2013, S. 29). In ca. 50 % der Fälle sollen Identitätskarten, Geburtsurkunden und Staatsangehörigkeitsausweise gefälscht sein (AA, Lagebericht Irak vom 17.01.2013, a.a.O.). Weil die zur Ausstellung eines Passes erforderlichen Papiere, insbesondere die Staatsangehörigkeitsurkunde, in der Regel persönlich im Irak beantragt werden mussten und müssen (AA an VG Bremen vom 05.07.2012) und eine Ausstellung über Stellvertreter vor Ort wohl nicht - jedenfalls nicht immer - ohne weiteres möglich war bzw. ist, haben in der Vergangenheit eine Vielzahl von Irakern auch in Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gefälschte Personalausweise und Staatsangehörigkeitsurkunden vorgelegt. In dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 22.12.2009 (19 KLs 200 Js 78569/08), mit welchem eines der Mitglieder der "Fälschergruppe", die der Ehemann der Klägerin mit der Beschaffung von Personaldokumenten beauftragt haben soll (vgl. Feststellungen in dem gegen ihn ergangenen Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 24.03.2010), wegen Urkundenfälschung in mehreren Fällen, versuchter gewerbs- und bandenmäßiger Unterstützung von Ausländern bei Falschangaben zur Erlangung eines Aufenthaltstitels u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden war, wird dazu ausgeführt:

"... Hintergrund der Tätigkeit der Gruppe war ..., dass die Besteller der Papiere bei den für sie zuständigen Ausländerbehörden Aufenthaltstitel beantragt hatten oder zumindest die Verlängerung ihrer Duldungen erlangen wollten, dass sie von den Ausländerbehörden aufgefordert worden waren, zum Nachweis ihrer Identität irakische Reisepässe der kurz zuvor eingeführten Serie G und - in einigen Fällen - zur Verifizierung solcher Pässe außerdem irakische Identitätskarten, Staatsangehörigkeitsausweise und Geburtsurkunden vorzulegen, dass sie sich von der Vorlage dieser Papiere zumindest eine Erleichterung der Erlangung von Aufenthaltstiteln oder der Verlängerung ihrer Duldungen versprachen. Legal gab es - wie alle Mitglieder der Gruppe aus eigener Erfahrung oder aus der Verwurzelung in der kurdisch-irakischen Gemeinschaft wussten - für einen in Deutschland lebenden Iraker dabei zwei Möglichkeiten, sich einen irakischen Pass der Serie G zu beschaffen. Zum einen konnte er den Pass ab 2007 gegen eine Gebühr von 20 EUR bei der irakischen Botschaft in Berlin beantragen; erforderlich war hierbei unter anderem, dass er zum Nachweis seiner Identität eine irakische Identitätskarte und einen irakischen Staatsangehörigkeitsausweis vorlegte, und dass er persönlich in der Botschaft erschien. Aufgrund der hohen Zahl solcher Anträge kam es bei der irakischen Botschaft in Berlin jedoch bald zu erheblichen Wartezeiten und im Laufe des Jahres 2008 zu einer Aussetzung der Ausstellung. Zum anderen konnte ein Pass auch ohne Einschaltung der Botschaft im Irak selbst beantragt werden, wobei der Antragsteller auch nicht persönlich erscheinen, sondern sich von anderen Personen vertreten lassen konnte; auch in diesem Fall war zum Nachweis der Identität aber die Vorlage einer irakischen Identitätskarte und eines irakischen Staatsangehörigkeitsausweises vorgeschrieben. Die Personen, die sich an die Gruppe um den Angeklagten wandten, verfügten ... nicht über die erforderlichen Identitätskarten und Staatsangehörigkeitsausweise, was zumindest in einem Teil der Fälle daran lag, dass sie unter falschen Personalien in Deutschland lebten ... Die Passbeschaffung erfolgte dabei jeweils dergestalt, dass Beamte einer zur Ausstellung von Pässen befugten Behörde des irakischen Innenministeriums in Bagdad bestochen wurden, die Pässe ohne Vorlage und Prüfung entsprechender Identitätskarten und Staatsangehörigkeitsausweise auf die gewünschten Personalien auszustellen. Die Beschaffung der anderen Papiere - vermeintliche Identitätskarten und Staatsangehörigkeitsausweise des irakischen Innenministeriums und vermeintliche Geburtsurkunden des irakischen Gesundheitsministeriums - erfolgte dergestalt, dass diese von Sh. der deshalb in der kurdisch-irakischen Gemeinschaft als "Sh., der Fälscher" bekannt war, in seiner Wohnung in ... hergestellt wurden. ..."

Damit ist anzunehmen, dass auch viele der "echten" - also zumindest von einer autorisierten Amtsperson auf dem echten Vordruckpapier ausgestellten - irakischen Pässe der Serie G gegen Bestechung ohne weitere Prüfung oder aber nach Vorlage gefälschter Urkunden ausgestellt worden sind, die möglicherweise zudem auch falsche Personalien enthielten. Vor diesem Hintergrund wird von den Ausländerbehörden bei irakischen Proxy-Pässen ergänzend zum Pass in der Regel die Vorlage der Staatsangehörigkeitsurkunde und des irakischen Personalausweises des Betreffenden verlangt und gegebenenfalls überprüft (nach nicht veröffentlichten Erlassen, vgl. Inhaltswiedergabe eines Schreibens des Bundesministeriums des Innern vom 09.10.2009 auf der Homepage des Flüchtlingsrats Niedersachsen, www.nds-fluerat.org/3326/aktuelles anerkennungueberpruefung-irakischer-paesse/). Werden diese in der Folge nicht vorgelegt oder gar gefälschte Dokumente eingereicht, kann begründeter Anlass zu Zweifeln an der im jeweiligen Pass angegebenen Identität bestehen.

Dass die Ausländerbehörden im Falle der Klägerin solche Zweifel hatten - und haben durften - und daher ihre Identität nicht allein aufgrund des Passes als geklärt ansahen, nachdem bekannt geworden war, dass die für ihre Töchter eingereichten Personalpapiere und Staatsangehörigkeitsurkunden ebenso gefälscht gewesen waren wie die bei einer Hausdurchsuchung aufgefundenen irakischen Personalausweise der Klägerin und ihres Ehemannes, liegt auf der Hand. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 24.03.2010 waren dann die Klägerin und ihr Ehemann - mit Blick auf ihre eigenen Identitätskarten - wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen und ihr Ehemann zudem - mit Blick auf die für die Töchter beschafften und beim Ausländeramt der Beklagten eingereichten gefälschten Identitätskarten und Staatsangehörigkeitsausweise - wegen der Erschleichung eines Aufenthaltstitels in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu Geldstrafen verurteilt worden. Im Falle der Klägerin fehlte damit nicht nur der Nachweis, dass der Pass in jeder Hinsicht ordnungsgemäß ausgestellt und nicht etwa durch Bestechung erlangt worden war, es stand sogar fest, dass sie nicht im Besitz einer Staatsangehörigkeitsurkunde war und ist; außerdem wurde ihre Identitätskarte als Fälschung bzw. Nachahmung angesehen. Die Ausländerbehörde hatte daher zunächst zu Recht weitere urkundliche Nachweise verlangt.

bb) Die Identität der Klägerin ist hier aber - trotz der anfänglich berechtigten Zweifel - inzwischen als nachgewiesen anzusehen.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass weder die Klägerin noch ihr Ehemann oder ihre Kinder jemals über ihre Personalien getäuscht haben. Insofern unterscheidet sich ihr Fall signifikant von solchen, in denen der betreffende Ausländer zudem falsche Personalien angegeben und entsprechende Urkunden dazu vorgelegt hat, was zu besonderen Zweifeln an der Identität des Betreffenden berechtigt. Die Klägerin hat hingegen von Anfang an und durchgehend ihren (Geburts-)Namen mit "Z. J. K." angegeben und als ihr Geburtsdatum den ... 1974 genannt. Kleinere Varianten in der Schreibweise in Übersetzungen von irakischen Urkunden und in den vorliegenden Akten deutscher Behörden, wie "...“, sind offensichtlich unerheblich. Sie erklären sich mit der bei der (phonetischen) Übersetzung bzw. Übertragung aus der arabischen Schrift bestehenden Vielzahl von Möglichkeiten bzw. mit Fehlern bei der Aufnahme oder Tippfehlern durch den jeweiligen Mitarbeiter der Behörde u.a. Dies gilt auch für die von der Beklagten angeführten angeblichen Alias-Namen "H. Z. J.",

"H. Z. J. H." und "J. K. Z.".

Weil die Klägerin und ihr Ehemann durch entsprechende Erklärungen gegenüber dem zuständigen Standesamt mit Wirkung ab dem 03.07.2001 den (angeglichenen) Familiennamen des Ehemanns "H." zum Ehenamen bestimmt haben (vgl. Familienbuch), trägt sie seit diesem Zeitpunkt den Namen "Z. J. H.". Weiter spricht für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin zu ihrer Identität, dass ihr Ehemann, der über zwei Jahre vor ihr in die Bundesrepublik eingereist war, in seinem Asylverfahren bei seiner Anhörung am 08.10.1997 bereits die Personalien seiner Ehefrau entsprechend angegeben hatte - mit "Z. J. K., geb. 1974". Die Klägerin legte dann bei ihrer Asylantragstellung im November 1999 eine Kopie der Heiratsurkunde des Zivilgerichts Xu. vom ... 1993 vor. Nach der vorliegenden Übersetzung bescheinigt darin ein Richter, dass Herr I. M. H. und Fräulein Z. J. K. vor ihm erschienen seien und dass ihre Ehe am ...1993 registriert (und am ...1991 geschlossen) worden sei. Zu den Personaldaten der Klägerin wird angegeben: Nummer der Eintragung: ..., Seite ..., Provinz Kh., Geburtsdatum 1974, ledig. Die Klägerin wies damals darauf hin, dass sich das Original dieser Urkunde bei ihrem Ehemann befinde. In der mündlichen Verhandlung hat sich herausgestellt, dass es sich bei dem "Original" wohl um das Original einer beglaubigten Abschrift handelt, welches sich inzwischen in Akten der Beklagten gefunden hat. Ausweislich der Feststellungen in dem am 03.07.2001 vom Standesamt S. ausgestellten Familienbuch lagen diesem die Heiratsurkunde und Geburtsurkunden der Klägerin und ihres Ehemannes vor. Auf diesen Dokumenten beruhen unter anderem die Eintragungen bezüglich der Identität der Klägerin im Familienbuch wie Name ("Z. J. K."), Geburtsdatum ("... 1974"), Geburtsort ("K., Irak"), Name des Vaters ("J. K.") und Name der Mutter ("Sa. Ma.").

Diese Identität der Klägerin wurde später entscheidend bestätigt durch die Urkunden, die im Jahr 2012 in den Verfahren der beiden Töchter vorgelegt wurden. So wird der Name der Klägerin in deren jeweils in Xu. ausgestellten Reisepässen der Serie A (vom 28.02.2012), den Personalausweisen (vom 18.09. bzw. 07.09.2011) und den Staatsangehörigkeitsurkunden (vom 26.11. bzw. 25.09.2011) mit "Z. J." und in den Zivilregisterauszügen vom 02.11.2011 mit "Z. J. K." angegeben. In den Zivilregisterauszügen ist außerdem noch vermerkt, dass der (erste) Name der Mutter - also der Klägerin - aufgrund des Bescheids vom 28.04.2011 von "S." in "Z." geändert worden sei, der vierte Name von B. bzw. A. "H." laute und dass die Heirat zwischen dem Vater und der Mutter notiert worden sei aufgrund der Heiratsurkunde vom ... 1993, ausgestellt vom Gericht Xu., wobei die Heirat am ... 1991 stattgefunden habe. Alle diese Urkunden wurden auf Veranlassung der Beklagten auf ihre Echtheit überprüft; es konnten keine Fälschungsmerkmale festgestellt werden. Die Beklagte hat bei den älteren Töchtern der Klägerin daraufhin die Passpflicht als erfüllt und die Identität als geklärt angesehen und ihnen am 09.07.2012 bzw. 15.08.2012 jeweils eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Dass es sich dabei um Töchter der Klägerin handelt, ist nicht streitig. Dann sind aber entsprechende Rückschlüsse auf die Identität der Klägerin zwingend.

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin außerdem noch Kopien des am ... 2008 in Xu. ausgestellten Personalausweises und einer irakischen Staatsangehörigkeitsurkunde vom ...1998 ihres Vaters J.

K. A., geb. ... 1950, vorgelegt. Darin ist der Name der Mutter der Klägerin mit "Sa. Ma. H." angegeben.

Damit sind inzwischen die Personalien sowie die Zuordnung der Klägerin zu diesen Personalien - und somit die Identität der Klägerin - zur Überzeugung des Senats geklärt. Die Klägerin hat nachvollziehbar und glaubhaft begründet, warum es ihr und ihrem Ehemann nicht früher gelungen ist, für alle Familienmitglieder irakische Pässe, Identitätskarten und Staatsangehörigkeitsausweise beizubringen, und warum sie in dieser Situation für die Töchter gefälschte Urkunden vorgelegt hatten. Wie ausgeführt, ist es tatsächlich für viele der in Deutschland lebenden irakischen Staatsangehörigkeiten immer wieder mehr oder weniger schwierig, die erforderlichen Personaldokumente zu erhalten. Entgegen der Darstellung der Beklagten ist die Beschaffung über Stellvertreter im Irak offensichtlich nicht immer ohne weiteres möglich. Die Klägerin hat zudem darauf verwiesen, dass es für die Familie ihres Vaters besondere Probleme gegeben habe, weil diese als Feili-Kurden nach der Vertreibung aus dem Irak erst 1991 aus dem Iran in den Nordirak zurückgekehrt seien (vgl. zur Situation der Feili-Kurden und deren Schwierigkeiten bei der Anerkennung der irakischen Staatsangehörigkeit Gutachten des Orient-Instituts vom Oktober 2006, www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=840). Ihr Vater habe bei ihrer Tante noch einen Registerauszug aus der Zeit vor der Vertreibung aufbewahrt. Mit diesem und mit vier Zeugen, welche über 70 Jahre alt seien und die Staatsangehörigkeit ihres Vaters bestätigt hätten sowie dass es sich bei der Klägerin und ihren Geschwistern um seine Kinder handle, sei es gelungen, ihren Reisepass ausstellen zu lassen. Darum habe sich ein Anwalt gekümmert. Ihr Vater habe viel Geld dafür bezahlen müssen. Sie habe damals keinen Personalausweis und keine Staatsangehörigkeitsurkunde besessen. Erst danach habe sie über ihren Vater den Personalausweis besorgt, der im Strafverfahren als gefälscht angesehen worden sei. Die Klägerin erklärte auch glaubhaft, warum in den für die Töchter eingereichten Registerauszügen als ihr Geburtsdatum der ... 1976 statt dem ... 1974angeführt wird. Aufgrund eines Fehlers bei der Registereintragung seien ihr Name und ihr Geburtsdatum falsch übertragen worden. Es sei sehr mühsam, das korrigieren zu lassen. Inzwischen sei die falsche Schreibweise des Namens - "S." statt "Z." - berichtigt worden. Dies wird durch Vermerke in den Registerauszügen der Töchter bestätigt, wonach der Name der Mutter aufgrund Bescheids vom 28.04.2011 von "S." in "Z." geändert worden sei. Bei dem Geburtsdatum habe man versehentlich das ihres Bruders, den ... 1976, eingetragen. Ihre Papiere lägen wohl seit etwa zwei Monaten im Irak bereit, diese Korrektur sei aber noch nicht erfolgt; darum müsse sie sich dann vor Ort kümmern.

Nachdem die Klägerin in der Berufungsverhandlung ihre schwierige familiäre Situation erläutert hat, wird auch deutlich, warum sie teilweise auf Aufforderungen der Beklagten und des Senats zur Vorlage weiterer Urkunden nicht rea- giert hat. So war insbesondere zunächst nicht verständlich, warum sie nicht die Originale der im Jahr 2001 beim Standesamt S. eingereichten Geburtsurkunden und der Heiratsurkunde vorlegen konnte. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass wohl nur das Original einer beglaubigten Kopie der Urkunde vom ... 1993 existiert und dass dieses in den Ausländerakten des Ehemanns der Klägerin lag. Die Geburtsurkunden habe die Klägerin nicht mehr gefunden. Sie sind auch nicht auf der Liste der bei der Durchsuchung der Wohnung der Familie der Klägerin am 04.03.2009 aufgefundenen Dokumente aufgeführt. Außerdem war nicht bekannt, dass und wie sich die Klägerin tatsächlich um die Beschaffung der erforderlichen Personalpapiere im Irak bemüht hat. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats kann ihr aber keine Verletzung der Mitwirkungspflichten mehr vorgeworfen werden, welche weiterhin Zweifel an ihrer Identität begründen könnte. Unter diesen Umständen kann von ihr entgegen der Auffassung der Beklagten insbesondere auch nicht mehr verlangt werden, in den Nordirak zu reisen, um dort – nach Berichtigung des Geburtsdatums – eine Identitätskarte und eine Staatsangehörigkeitsurkunde ausstellen zu lassen. Zwar wäre es sicherlich für die Klägerin - unabhängig vom vorliegenden Verfahren, zum Beispiel mit Blick auf die im März 2016 anstehende Verlängerung des irakischen Reisepasses, - weiter sinnvoll, im Besitz der irakischen Personalpapiere zu sein. Abgesehen von der schwierigen familiären Situation und der bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung brisanten Sicherheitslage im Nordirak, aufgrund derer der Klägerin eine entsprechende Reise derzeit kaum zuzumuten sein dürfte, ist aber die Identität der Klägerin auch ohne diese Dokumente als geklärt anzusehen.

c) Die Klägerin erfüllt damit auch ihre Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG).

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass das Erfordernis des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG und die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG normierte Passpflicht nicht unmittelbar der Klärung der Identität dienen, wenn auch in der Regel mit der Vorlage eines Passes diese nachgewiesen sein dürfte (dazu schon oben unter b). Ist die Identität eines Ausländers unstreitig oder - wie hier - aufgrund anderer Unterlagen geklärt, ist der Pass in erster Linie zur Sicherstellung einer wirksamen Kontrolle von Einreise, Aufenthalt und - gegebenenfalls - Rückkehr (vgl. dazu GK-AufenthG, § 5 AufenthG Rn. 88) erforderlich. Mit der Passpflicht soll gewährleistet werden, dass der Betreffende über ein anerkanntes und gültiges Reisedokument verfügt, mit welchem er gegebenenfalls wieder freiwillig in das den Pass ausstellende Land zurückkehren oder aber dorthin abgeschoben werden kann. Ein Pass dokumentiert nämlich auch die Verpflichtung zur Wiederaufnahme der betreffenden Person durch den das Dokument ausstellenden Staat im Falle der Notwendigkeit oder des Wunsches zur Rückkehr (BVerwG, Beschluss vom 17.06.2013 - 10 B 1.13 - juris). Ausgehend hiervon genügt aber die Klägerin ihrer Passpflicht.

Sie ist im Besitz eines anerkannten und gültigen irakischen Reisepasses der Serie G. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der am 16.03.2008 ausgestellte Reisepass gefälscht sein könnte; dies wird auch von der Beklagten nicht behauptet. Irakische Reisepässe der Serie G sind zudem unstreitig weiter anerkannt (vgl. dazu oben).

Der Umstand, dass die Klägerin mit ihrem Pass offensichtlich ohne Beanstandungen dreimal in den Irak ein- und ausreisen konnte - was durch die entsprechenden Stempel in ihrem Pass belegt wird (07.08. und 30.12.2011, 13.01. und 13.03.2012 sowie 30.07. und 27.08.2013) - zeigt, dass dieser von irakischen Behörden akzeptiert wird - und zwar obwohl statt des Geburtsorts der Klägerin (Kh.) nur die Provinz (...) angegeben ist. Die Klägerin hat erläutert, dass ihr Pass nach Vorlage eines alten Registerauszugs ihres Vaters und Bestätigungen von vier Zeugen mithilfe eines Anwalts im Irak ausgestellt worden sei. Entgegen der Darstellung der Beklagten ist nicht davon auszugehen, dass sie den Personalausweis, der als gefälscht angesehen wird, bei irakischen Behörden mit dem Ziel der Ausstellung dieses Passes vorgelegt hat; es spricht vielmehr alles dafür, dass der Ausweis erst später "besorgt" wurde. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kommt es letztlich hier aber auch nicht darauf an, ob bei der Passausstellung im Irak jede Verfahrensvorschrift des entsprechenden irakischen Rechts eingehalten, insbesondere ob dieser nach Vorlage eines Staatsangehörigkeitsausweises und einer Identitätskarte ordnungsgemäß und ohne Bestechung ausgestellt worden ist. Etwas anderes mag gelten, wenn die Umstände, unter denen ein Dokument ausgegeben worden ist, berechtigte Zweifel an der Identität begründen, oder aber wenn diese unabhängig davon noch nicht als geklärt anzusehen ist. Um einen solchen Fall geht es hier aber nicht.

d) Dass der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis der Klägerin § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegenstehen könnte, hat die Beklagte selbst nicht geltend gemacht; das ist auch nicht der Fall.

Allerdings setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG "in der Regel" voraus, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Einen solchen hat die Klägerin jedoch nach den Feststellungen im Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 24.03.2010 verwirklicht; sie wurde wegen eines Vergehens des Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen gemäß § 267 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Damit hat sie einen "nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften" begangen und somit den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt. Insbesondere weil von einer vorsätzlichen Tat auszugehen ist, kann die von ihr begangene Straftat auch nicht als geringfügig angesehen werden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.09.1996 - 1 C 9.94 - juris). Trotz der verstrichenen Zeit dürfte zudem die erforderliche Aktualität des Ausweisungsgrunds (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris, GK-AufenthG, § 5 AufenthG Rn. 63 ff. m.w.N.) hier (noch) zu bejahen sein. Schließlich ist die Tilgungsfrist, nach der die Eintragung im Bundeszentralregister gelöscht wird, noch nicht abgelaufen (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 1a BZRG: 5 Jahre). Diese Frage bedarf aber keiner weiteren Vertiefung.

Denn hier ist mit Blick auf die Familie der Klägerin jedenfalls von einer Atypik auszugehen, die eine Ausnahme von der Regel des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begründet. Ein Ausnahmefall ist anzunehmen, wenn besondere atypische Umstände vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten ist (vgl. zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 3.08 - InfAuslR 2009, 333, m.w.N.; vgl. zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.11.2009 - 13 S 2002/09 - juris; GK-AufenthG, § 5 AufenthG Rn. 21 ff.). Bei der danach vorzunehmenden Abwägung ist ausschlaggebend, dass die Familie der Klägerin mit drei Kindern, von denen zwei noch minderjährig sind, in Deutschland lebt und sich hier seit vielen Jahren rechtmäßig aufhält. Die beiden jüngeren Töchter sind in Deutschland geboren, die jüngste ist deutsche Staatsangehörige. Die älteste Tochter ist - ebenso wie der Ehemann der Klägerin - im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. In Ansehung des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie in Art. 6 GG kann daher die von der Klägerin begangene Straftat nicht die Ablehnung eines Aufenthaltstitels rechtfertigen. Zu demselben Ergebnis führt die hier anzuwendende (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.06.2013, a.a.O.) Richtlinie 2003/86/EG - sog. Familienzusammenführungsrichtlinie -, nach welcher eine umfassende Einzelfallprüfung vorzunehmen wäre (Art. 5 Abs. 5, 17 der Richtlinie; ausführlich dazu Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 Rn. 16 ff., 57; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 13.06.2013, a.a.O.).

Im Übrigen wäre aus den angeführten Gründen jedenfalls das der Beklagten nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen, "auf Null reduziert". [...]