OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.05.2014 - 11 S 32.14 - asyl.net: M22355
https://www.asyl.net/rsdb/M22355
Leitsatz:

Bei der Mitwirkung an der Beschaffung eines Rückreisedokuments handelt es sich nicht um separierbare Einzelpflichten, sondern um ein durch §§ 82 Abs. 4, 48 Abs. 3 und 49 Abs. 2 AufenthG vorgegebenes Pflichtenbündel zur Erlangung von Rückreisedokumenten für einen ausreisepflichtigen Ausländers.

Der unmittelbare Zwang in Form der ausländerpolizeilichen Vorführung bei einer Botschaft ist in Bezug auf die Abgabe der geforderten Erklärungen zur Beschaffung von Heimreisedokumenten und Vornahme der dafür erforderlichen Handlungen ein taugliches Zwangsmittel.

Schlagwörter: Mitwirkungspflicht, vollziehbar ausreisepflichtig, Zwangsmittel, Unmittelbarer Zwang, Passpflicht, Passbeschaffung, zwangsweise Vorführung bei Auslandsvertretung, Auslandsvertretung, Botschaft, Heimreisedokumente, Generalkonsulat, Pflichtenbündel, Zwangsmittelfestsetzung,
Normen: AufenthG § 82 Abs. 4, AufenthG § 48 Abs. 3, AufenthG § 49 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Zu Recht beanstandet der Antragsgegner die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Voraussetzungen der Zwangsmittelfestsetzung deshalb nicht vorlägen, weil der Antragsteller der im Bescheid vom 19. September 2013 erfolgten Anordnung des persönlichen Erscheinens in seiner Heimatvertretung durch die Vorsprache am 8. Oktober 2013 im Generalkonsulat der türkischen Republik nachgekommen sei und der Festsetzungsbescheid vom 15. Januar 2014 der Durchsetzung der im Bescheid vom 19. September 2013 weiterhin getroffenen Anordnungen (Abgabe der geforderten Erklärungen zur Beschaffung von Heimreisedokumenten und Vornahme der dafür erforderlichen Handlungen) "ausdrücklich nicht" gedient habe. Woraus das Verwaltungsgericht die letztgenannte Annahme ableitet, macht es schon nicht deutlich. Diese ist bei sachgerechter Auslegung des Inhalts des Bescheids vom 15. Januar 2014 auch verfehlt.

Dass der Zwangsmittelfestsetzungsbescheid den Inhalt der Anordnungen im Bescheid vom 19. September 2013 nicht vollständig zitiert, sondern nur von der Anordnung des dortigen persönlichen Erscheinens "zur Klärung Ihrer Identität und Beantragung eines Rückreisedokuments" spricht, lässt den Schluss auf eine nur der Durchsetzung der bloßen Vorsprache im türkischen Generalkonsulat dienende Zwangsmittelfestsetzung schon deshalb nicht zu, weil der Zweck des persönlichen Erscheinens mit Klärung seiner Identität und Beantragung eines Rückreisedokuments deutlich umschrieben ist und im Bescheid vom 15. Januar 2014 sodann ausgeführt wird, zwar habe der Antragsteller am 8. Oktober 2013 im Konsulat vorgesprochen, jedoch das im Bescheid - ergänze: vom 19. September 2013 - geforderte Identitätsgespräch nicht geführt. Zutreffend verweist der Antragsgegner mit seiner Beschwerde zudem aber auch darauf, dass hierin nicht etwa separierbare Einzelpflichten benannt werden, sondern ein durch §§ 82 Abs. 4, 48 Abs. 3 und 49 Abs. 2 AufenthG vorgegebenes Pflichtenbündel zur Erlangung von Rückreisedokumenten für einen ausreisepflichtigen Ausländers. Hierbei sind die Abgabe der geforderten Erklärungen und die Vornahme der verlangten Handlungen des Antragstellers im türkischen Generalkonsulat grundsätzlich erforderlich.

Unter Zugrundelegung dieses (gebotenen) Verständnisses sind auch die Ausführungen im dritten Absatz des Bescheids vom 15. Januar 2014 zutreffend, wenn es dort im Zusammenhang mit der Festsetzung des Zwangs - mittels des unmittelbaren Zwangs zur sofortigen Vorführung im türkischen Generalkonsulat heißt, der Antragsteller sei "dieser Anordnung" nicht freiwillig nachgekommen und dort bis zum heutigen Tage nicht erschienen. Im Übrigen nimmt die Formulierung "dieser Anordnung" auf die im Absatz zuvor erwähnte Androhung der zwangsweisen Durchsetzung der im Einzelnen umschriebenen Mitwirkungspflichten des Antragstellers im Bescheid vom 19. September 2013 und auf die entsprechenden Ausführungen hierzu im ersten Absatz des Bescheids Bezug.

Die Festsetzung des Zwangsmittels der Vorführung des Antragstellers im türkischen Generalkonsulat kann auch nicht mit der Begründung erfolgreich in Frage gestellt werden, der unmittelbare Zwang sei in Bezug auf die Abgabe der geforderten Erklärungen zur Beschaffung von Heimreisedokumenten und Vornahme der dafür erforderlichen Handlungen "kein taugliches Zwangsmittel". Dass der Antragsteller seine diesbezüglichen Mitwirkungspflichten auch im Rahmen der zwangsweisen Vorführung noch verweigern kann, stellt die grundsätzliche Eignung einer Vorführung zur Förderung des Ziels der Beschaffung von Heimreisedokumenten nämlich gleichwohl nicht in Frage. Denn im Rahmen der Vorführung ist eine Klärung seiner Identität erreichbar und damit eine notwendige Voraussetzung für die in einem solchen Fall von der zuständigen Ausländerbehörde zu beantragende Ausstellung eines Rückreisedokuments erfüllt (vgl. die als Anlage zum Beschwerdeschriftsatz des Antragsgegners vorgelegte Verbalnote der Botschaft der Republik Türkei vom 2. Februar 2001 über die erforderliche Vorsprache im jeweils zuständigen Generalkonsulat zwecks Feststellung der Personalien).

Hierauf hat der Antragsgegner auch im Bescheid vom 19. September (dort S. 3 zweiter Absatz) bereits hingewiesen.

Auch ansonsten bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelfestsetzung im Bescheid vom 15. Januar 2014. Dass eine Zwangsgeldfestsetzung anstelle der verfügten polizeilichen Vorführung vorliegend nicht in Betracht kommt, hat der Antragsgegner bereits im Rahmen der bestandskräftig gewordenen Zwangsmittelandrohung dargelegt und im angegriffenen Bescheid nur wiederholt. Hieran bestehen vor dem Hintergrund der langjährigen Missachtung der Ausreisepflicht durch den Antragsteller und seiner auf Verhinderung ihrer Durchsetzung gerichteten Bestrebungen auch in der Sache keine Zweifel. [...]