VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 19.06.2015 - 27 L 152.15 (= ASYLMAGAZIN 12/2015, S. 434 f.) - asyl.net: M23041
https://www.asyl.net/rsdb/M23041
Leitsatz:

1. Studienvorbereitende Maßnahmen sollen den Ausländer in die Lage versetzen, in Deutschland ein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule zu beginnen. Wenn ein englischsprachiges Studium aufgenommen wird, ist es unerheblich, ob die deutschen Sprachkenntnisse den Voraussetzungen für ein Studium entsprechen.

2. Der Aufenthaltszweck wird durch einen Wechsel des Studienganges in den ersten 18 Monaten nach Beginn des Studiums, also in der Orientierungsphase, nicht berührt.

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken, Studium, Studiensprache, Abbruch, studienvorbereitende Maßnahmen, Studienvorbereitung, Wechsel des Studiengangs, Orientierungsphase, Studienfachwechsel, Aufenthaltszweck, Wechsel des Aufenthaltszwecks,
Normen: AufenthG § 16 Abs. 1 S. 2, AufenthG § 16 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist die auflösende Bedingung eines Abbruchs der studienvorbereitenden Maßnahmen nicht eingetreten. Die studienvorbereitenden Maßnahmen im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sollen den Ausländer in die Lage versetzen, in Deutschland ein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule zu beginnen. Ein Abbruch studienvorbereitender Maßnahmen liegt nur vor, wenn die Vorbereitung auf das Studium durch Erwerb der für das Studium erforderlichen Sprache oder ein Studienkolleg vorzeitig und ohne den erforderlichen Abschluss endgültig beendet wird mit der Folge, dass ein Studium In Deutschland nicht mehr begonnen werden kann. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Antragstellerin hat zwar nicht das erforderliche Sprachniveau auf Deutsch erreicht, um das ursprünglich angestrebte deutschsprachige Studium "Produktdesign" an der Universität Kassel aufzunehmen. Sie hat nach den im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen am 12. Dezember 2013 ein Zertifikat in Deutsch als Fremdsprache auf dem Niveau B 2 erworben. Weiterer Deutschunterricht an der Hartnackschule in Berlin im Januar 2014 und an der Technischen Universität Braunschweig im Mai und Juni 2014 haben nicht den entsprechenden Erfolg gehabt. Die Klägerin hat aber am 1. September 2014 an der staatlich anerkannten Internationalen Kunsthochschule für Mode in Berlin ein englischsprachiges Vollzeitstudium Modedesign mit dem Abschluss Bachelor of Arts begonnen. Nach ihren Angaben bei Stellung des Verlängerungsantrages hat sie seit Anfang 2014 zur Vorbereitung auf dieses Studium Englischkurse besucht. Das Ziel der studienvorbereitenden Maßnahmen, ein Studium in Deutschland aufzunehmen, hat die Antragstellerin damit noch vor Ablauf von zwei Jahren erreicht.

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist es unschädlich, dass die Antragstellerin Studienrichtung und Studienort vor Beginn des Studiums gewechselt hat. Zwar wird der Inhalt des Aufenthaltszweck "zu Studienzwecken" grundsätzlich durch die Fachrichtung bestimmt (so zutreffend Nr. 16.2.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz), so dass ein Wechsel der Studienrichtung zum Wegfall des Aufenthaltszweckes führt. Nach Nr. 16.2.5 wird der Aufenthaltszweck aber durch einen Wechsel des Studienganges in den ersten 18 Monaten nach Beginn des Studiums, also in der Orientierungsphase nicht berührt. Dies muss erst recht gelten, wenn der Ausländer die Studienabsicht noch während der studienvorbereitenden Maßnahmen ändert. Die Studienrichtungen Produktdesign und Modedesign ähneln sich inhaltlich, und der Wechsel vermag keine Zweifel an der Motivation der Antragstellerin zu wecken. Unerheblich ist auch der Wechsel von einen deutschsprachigen zu einem englischsprachigen Studiengang in Deutschland. Der Spracherwerb im Rahmen der studienvorbereitenden Maßnahmen ist nicht auf die deutsche Sprache beschränkt, sondern betrifft die notwendigen Kenntnisse der jeweiligen Unterrichtssprache (vgl. Fehrenbacher in: HTK-AuslR, Stand März 2015 Nr. 2 zu § 16 Abs. 1 AufenthG), bei englischsprachigen Studien mithin der englischen Sprache. Wenn die Antragstellerin - wie sich aus dem Zertikat B 2 ergibt - offenbar erhebliche Schwierigkeiten hat, sich schriftlich auf Deutsch auszudrücken, so ist der Wechsel zu einem englischsprachigen Studiengang, dessen Voraussetzungen sie offenbar erfüllt, ein erfolgversprechender Weg, um den ursprünglichen Studienwunsch umzusetzen.

Die Antragstellerin hat Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners handelt es sich nicht um einen Antrag auf Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die einen neuen Visumsantrag nach Ausreise voraussetzen würde, sondern um einen rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrag. Die weiteren Erteilungsvoraussetzungen sind bei summarischer Prüfung erfüllt. Die Antragstellerin ist an einer staatlich anerkannten Hochschule immatrikuliert, verfügt über ausreichende Mittel zur Finanzierung ihres Aufenthaltes und ist kranken- und pflegeversichert. [...]