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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 16.07.2015 - C-218/14 - asyl.net: M23060
https://www.asyl.net/rsdb/M23060
Leitsatz:

Zum Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen nach einer Scheidung sowie zum Begriff der ausreichenden Existenzmittel:

 

1. Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) ist dahin auszulegen, dass ein Drittstaatsangehöriger, der von einem Unionsbürger geschieden wurde, wobei die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens mindestens drei Jahre, davon mindestens ein Jahr im Aufnahmemitgliedstaat, bestanden hat, nach dieser Bestimmung nicht die Aufrechterhaltung des Rechts auf Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat beanspruchen kann, wenn der Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens der Wegzug des Ehegatten, der Unionsbürger ist, aus diesem Mitgliedstaat vorausgegangen ist.

2. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 ist dahin auszulegen, dass ein Unionsbürger auch dann über ausreichende Existenzmittel für sich und seine Familienangehörigen verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, wenn diese Mittel zum Teil aus denen des einem Drittstaat angehörenden Ehegatten stammen.

 

Schlagwörter: Unionsbürger, Unionsbürgerrichtlinie, Drittstaatsangehörige, drittstaatsangehöriger Ehegatte, Familienangehörige, Scheidung, ausreichende Existenzmittel, Sicherung des Lebensunterhalts, Ehebestandszeit, Wegzug, eigenständiges Aufenthaltsrecht, eheunabhängiges Aufenthaltsrecht,
Normen: RL 2004/38/EG Art. 7, RL 2004/38/EG Art. 13, RL 2004/38/EG Art. 14,
Auszüge:

[...]

Vorbemerkungen

45 Die vorliegende Rechtssache betrifft drei Drittstaatsangehörige, die aufgrund ihrer Ehen mit Unionsbürgern, die sich in Irland aufhielten und dort erwerbstätig waren, in ihrer Eigenschaft als Ehegatten, die einen Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nachziehen, nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ein Recht auf Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat für die Dauer von drei Monaten bis fünf Jahren erworben haben.

46 In diesen drei Ausgangsrechtsstreitigkeiten ist unstreitig, dass der jeweilige Ehegatte, der Unionsbürger ist, das irische Hoheitsgebiet vor Ablauf dieser Dauer verlassen hat, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, während der betreffende Ehegatte, der Drittstaatsangehöriger ist, in Irland geblieben ist.

47 Unstreitig ist ebenfalls, dass die Ehegatten, die Unionsbürger sind, die Scheidung beantragt haben, was zu gerichtlichen Entscheidungen geführt hat, durch die die Ehen zwischen diesen Unionsbürgern und den betreffenden Drittstaatsangehörigen geschieden wurden.

Zur ersten Frage

48 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass ein Drittstaatsangehöriger, der von einem Unionsbürger geschieden wurde, wobei die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens mindestens drei Jahre, davon mindestens ein Jahr im Aufnahmemitgliedstaat, bestanden hat, nach dieser Bestimmung die Aufrechterhaltung des Rechts auf Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat beanspruchen kann, wenn der Scheidung der Wegzug des Ehegatten, der Unionsbürger ist, aus diesem Mitgliedstaat vorausgegangen ist.

49 Zu klären sind somit die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 sowie insbesondere die Frage, ob sich der die Unionsbürgerschaft besitzende Ehegatte eines Drittstaatsangehörigen bis zum Zeitpunkt der Ehescheidung nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten muss, damit sich der Drittstaatsangehörige auf Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie berufen kann.

50 Was das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, im Aufnahmemitgliedstaat angeht, ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs hinzuweisen, wonach die Drittstaatsangehörigen durch die Richtlinie 2004/38 verliehenen Rechte keine eigenständigen Rechte, sondern Rechte sind, die sich daraus ableiten, dass ein Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat. Der Zweck und die Rechtfertigung dieser abgeleiteten Rechte beruhen auf der Feststellung, dass die Nichtanerkennung dieser Rechte den Unionsbürger in seiner Freizügigkeit beeinträchtigen könnte, weil ihn dies davon abhalten könnte, von seinem Recht Gebrauch zu machen, in den Aufnahmemitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil O. und B., C-456/12, EU:C:2014:135, Rn. 36 und 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

51 Weiter ist darauf hinzuweisen, dass sich nicht für alle Drittstaatsangehörigen aus der Richtlinie 2004/38 das Recht ergibt, in einen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten, sondern nur für diejenigen, die im Sinne von Art. 2 Nr. 2 dieser Richtlinie "Familienangehörige" eines Unionsbürgers sind, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, niedergelassen hat (Urteil Iida, C-40/11, EU:C:2012:691, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52 Außerdem muss nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 der Familienangehörige des Unionsbürgers, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, um Berechtigter nach dieser Richtlinie sein zu können (vgl. Urteil Iida, C-40/11, EU:C:2012:691, Rn. 61).

53 Art. 7 der Richtlinie 2004/38, der das Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate betrifft, verlangt ebenfalls, dass die Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, den betreffenden Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat "begleiten" oder ihm dorthin "nachziehen", um dort ein Aufenthaltsrecht beanspruchen zu können (Urteil Metock u. a., C-127/08, EU:C:2008:449, Rn. 86).

54 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Voraussetzung, dass der Drittstaatsangehörige den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen muss, so zu verstehen, dass sie nicht auf die Verpflichtung der Eheleute abstellt, unter demselben Dach zusammen zu wohnen, sondern auf diejenige, dass beide in demselben Mitgliedstaat bleiben, in dem der Ehegatte, der Unionsbürger ist, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht (vgl. in diesem Sinne Urteil Ogieriakhi, C-244/13, EU:C:2014:2068, Rn. 39).

55 So können sich Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, auf das in der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Aufenthaltsrecht nur im Aufnahmemitgliedstaat berufen, in dem der Unionsbürger wohnt, und nicht in einem anderen Mitgliedstaat (vgl. in diesem Sinne Urteil Iida, C-40/11, EU:C:2012:691, Rn. 63 und 64).

56 Überdies erkennt Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 den die Staatsangehörigkeit eines Drittlands besitzenden Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die diesen in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nachziehen, ein länger als drei Monate währendes Aufenthaltsrecht in diesem Mitgliedstaat zu, sofern der Unionsbürger selbst die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, b oder c dieser Richtlinie erfüllt.

57 Nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 schließlich wird das Recht der Familienangehörigen eines Unionsbürgers, sich gemäß Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufzuhalten, nur aufrechterhalten, wenn diese Familienangehörigen die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllen.

58 Verlässt ein Unionsbürger, der sich in einer Situation wie derjenigen der Ehefrauen der Kläger der Ausgangsverfahren befindet, den Aufnahmemitgliedstaat und lässt sich in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittland nieder, erfüllt folglich der einem Drittstaat angehörende Ehegatte dieses Unionsbürgers nicht mehr die Voraussetzungen für ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38. Zu prüfen ist jedoch, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen dieser Ehegatte ein Aufenthaltsrecht nach Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 beanspruchen kann, wenn die Ehe nach dem Wegzug geschieden wurde.

59 Nach Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 führt die Scheidung der Ehe für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts, wenn "die Ehe … bis zur Einleitung des gerichtlichen [Scheidungsverfahrens] … mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Aufnahmemitgliedstaat".

60 Damit entspricht diese Bestimmung dem im 15. Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannten Zweck, den Familienangehörigen für den Fall, dass der Unionsbürger verstirbt, die Ehe geschieden oder aufgehoben oder die eingetragene Partnerschaft beendet wird, dadurch einen rechtlichen Schutz zu gewähren, dass Maßnahmen getroffen werden, damit sichergestellt ist, dass in solchen Fällen Familienangehörigen, die sich bereits im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhalten, das Aufenthaltsrecht ausschließlich auf persönlicher Grundlage erhalten bleibt.

61 Die in der genannten Bestimmung enthaltene Bezugnahme auf den Begriff "Aufnahmemitgliedstaat", der in Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2004/38 lediglich mit dem Hinweis auf die Ausübung des Rechts des Unionsbürgers auf Freizügigkeit oder Aufenthalt definiert wird, zum einen und auf die "Einleitung des gerichtlichen Scheidungs[ verfahrens]" zum anderen, impliziert notwendig, dass das Aufenthaltsrecht des einem Drittstaat angehörenden Ehegatten des Unionsbürgers nur dann auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 aufrechterhalten werden kann, wenn der Mitgliedstaat, in dem sich dieser Drittstaatsangehörige aufhält, der "Aufnahmemitgliedstaat" im Sinne von Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2004/38 zum Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens ist.

62 Das ist jedoch nicht der Fall, wenn der Unionsbürger vor der Einleitung dieses Verfahrens den Mitgliedstaat, in dem sich sein Ehegatte aufhält, verlässt, um sich in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat niederzulassen. Denn in diesem Fall endet das abgeleitete Aufenthaltsrecht des Drittstaatsangehörigen aus Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 mit dem Wegzug des Unionsbürgers und kann somit nicht mehr auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie aufrechterhalten werden.

63 Daraus folgt, dass, wenn der Drittstaatsangehörige, der Ehegatte eines Unionsbürgers ist, zum Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 hatte, dieses Recht sowohl während des Scheidungsverfahrens als auch nach der Scheidung nach Maßgabe von Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie aufrechterhalten wird, sofern die Voraussetzungen von Unterabs. 2 dieser Bestimmung erfüllt sind.

64 Allerdings haben in den drei Ausgangsrechtsstreitigkeiten die die Unionsbürgerschaft besitzenden Ehegatten der Drittstaatsangehörigen den Aufnahmemitgliedstaat verlassen und sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen, bevor das Scheidungsverfahren eingeleitet worden war.

65 Aus Rn. 58 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass der einem Drittstaat angehörende Ehegatte nach dem Wegzug seines die Unionsbürgerschaft besitzenden Ehegatten nicht mehr die Voraussetzungen für ein Recht nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erfüllt.

66 Daher ist festzustellen, dass sich der mit einem Drittstaatsangehörigen verheiratete Unionsbürger bis zum Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten muss, damit der Drittstaatsangehörige aufgrund von Art. 13 Abs. 2 dieser Richtlinie eine Aufrechterhaltung seines Rechts auf Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat beanspruchen kann.

67 Daraus folgt, dass, wie die Generalanwältin in Nr. 27 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat, unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen das Aufenthaltsrecht des im Aufnahmemitgliedstaat zurückbleibenden Ehegatten mit dem Wegzug des Unionsbürgers bereits erloschen ist. Ein späterer Scheidungsantrag kann indessen nicht zum Wiederaufleben dieses Rechts führen, da Art. 13 der Richtlinie 2004/38 nur von der "Aufrechterhaltung" eines bestehenden Aufenthaltsrechts spricht.

68 Das bedeutet nicht, dass es nicht möglich wäre, dem Drittstaatsangehörigen unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren gegebenen nach nationalem Recht, das einen erweiterten Schutz gewähren kann, wie im vorliegenden Fall die Erlaubnis zu erteilen, sich weiter im betreffenden Mitgliedstaat aufzuhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil Melloni, C-399/11, EU:C:2013:107, Rn. 60).

69 Im Übrigen ist in den drei Ausgangsrechtsstreitigkeiten den Klägern nach ihrer Scheidung auf der Grundlage des nationalen Rechts eine vorübergehende Erlaubnis zum Aufenthalt und zur Erwerbstätigkeit in Irland erteilt worden, aufgrund deren sie sich in diesem Mitgliedstaat weiter legal aufhalten konnten, wobei diese Erlaubnis, wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, grundsätzlich verlängerbar war. [...]

Zur zweiten Frage

71 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass ein Unionsbürger auch dann über ausreichende Existenzmittel für sich und seine Familienangehörigen verfügt – so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen –, wenn diese Mittel zum Teil aus denen des einem Drittstaat angehörenden Ehegatten stammen.

72 Wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, ist in den drei Ausgangsrechtsstreitigkeiten festgestellt worden, dass der die Unionsbürgerschaft besitzende Ehegatte vor seinem Wegzug aus dem Aufnahmemitgliedstaat eine Zeitlang in diesem Mitgliedstaat nicht erwerbstätig war, so dass der einem Drittstaat angehörende Ehegatte anhand der Einkünfte aus seiner in diesem Mitgliedstaat ausgeübten Tätigkeit den Lebensunterhalt der Familie bestritt.

73 Aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ergibt sich, dass die Familienangehörigen eines Unionsbürgers, der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, ohne dort eine unselbständige oder selbständige Tätigkeit auszuüben, den Unionsbürger ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit begleiten oder ihm nachziehen dürfen, sofern Letzterer für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt (Urteil Ibrahim und Secretary of State for the Home Department, C-310/08, EU:C:2010:80, Rn. 28).

74 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die in dieser Bestimmung enthaltene Formulierung "über die erforderlichen Mittel verfügen" dahin auszulegen ist, dass es ausreicht, wenn dem Unionsbürger diese Mittel zur Verfügung stehen, ohne dass die Bestimmung Anforderungen an die Herkunft der Mittel stellt, so dass diese auch von einem Drittstaatsangehörigen stammen können (vgl. Urteil Alokpa und Moudoulou, C-86/12, EU:C:2013:645, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75 Wie der Gerichtshof ebenfalls bereits festgestellt hat, würde nämlich mit einer Auslegung der Voraussetzung der ausreichenden Existenzmittel dahin, dass der Betreffende selbst über solche Mittel verfügen muss, ohne dass er sich insoweit auf Existenzmittel eines ihn begleitenden Familienangehörigen berufen könnte, dieser Voraussetzung, wie sie in der Richtlinie 2004/38 formuliert ist, ein Erfordernis in Bezug auf die Herkunft der Mittel hinzugefügt, das einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Ausübung des durch Art. 21 AEUV gewährleisteten Grundrechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt darstellen würde, da es für die Erreichung des verfolgten Ziels – Schutz der öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten – nicht erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Zhu und Chen, C-200/02, EU:C:2004:639, Rn. 33).

76 Folglich schließt der Umstand, dass ein Teil der Existenzmittel, über die der Unionsbürger verfügt, aus Mitteln stammt, die von dem einem Drittstaat angehörenden Ehegatten aus der von diesem im Aufnahmemitgliedstaat ausgeübten Tätigkeit bezogen werden, es nicht aus, dass die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 enthaltene Voraussetzung der ausreichenden Existenzmittel als erfüllt anzusehen ist. [...]