OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.07.2015 - 18 B 312/14 (= ASYLMAGAZIN 11/2015, S. 389 f.) - asyl.net: M23136
https://www.asyl.net/rsdb/M23136
Leitsatz:

Die Ausländerbehörde ist nicht verpflichtet, den Ausländer auf eine etwa gegebene Freiwilligkeit der Teilnahme an einem Sicherheitsgespräch i. S. v. § 54 Nr. 6 AufenthG hinzuweisen.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Sicherheitsgespräch, freiwillig, Freiwilligkeit, Ausweisung, Falschangaben, falsche oder unvollständige Angaben, Hinweispflicht, terroristische Vereinigung, Unterstützung des Terrorismus,
Normen: AufenthG § 54 Nr. 6, AufenthG § 82 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

Die Ausweisung ist demnach derzeit rechtswidrig, wie sich im Einzelnen aus folgenden Ausführungen ergibt:

Die Ausweisung kann – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – im Ansatz auf § 54 Nr. 6 2. Alt. AufenthG gestützt werden. Gemäß § 54 Nr. 6 2. Alt. AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber in wesentlichen Punkten falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus verdächtig sind.

Die Erfüllung des Ausweisungstatbestandes setzt zunächst voraus, dass die Person(en) oder Organisation, mit welcher der Ausländer in Verbindung steht, der Unterstützung des Terrorismus verdächtig ist. Es braucht deshalb nicht positiv festgestellt zu werden, dass die Bezugsperson(en) oder -organisation den Terrorismus unterstützt, ausreichend ist vielmehr der auf Tatsachen beruhende Verdacht einer dementsprechenden Unterstützung.

Die falschen oder unvollständigen Angaben müssen sich auf Verbindungen zu der entsprechenden Bezugsperson oder -organisation beziehen. Der Begriff der Verbindung setzt weder eine Mitgliedschaft noch eine Unterstützung voraus, sondern ist weit zu verstehen und erfasst sämtliche als Verbindung zu verstehenden Kontakte z.B. verwandtschaftlicher, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher, beruflicher, gesellschaftlicher, politischer und geschäftlicher Art. Lediglich bloße Zufallskontakte stellen keine Verbindung im vorgenannten Sinne dar (vgl. HTK-Armbruster zu § 54 Nr. 6 AufenthG m.w.N; Discher, in: GK-AufenthG, § 54 Rn. 749 ff.).

Für die Regelausweisung genügt der Nachweis falscher bzw. unvollständiger Angaben über derartige Verbindungen, ohne dass es noch des gesonderten Nachweises konkreter Verbindungen zu terroristischen Kreisen bedürfte. Schutzgut der Rechtsvorschrift ist die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Die Norm beruht auf der Annahme, dass Ausländer mit Verbindungen zu terroristischen Gruppen sich vielfach legal in der Bundesrepublik aufhalten. Falsche und unvollständige Angaben im Rahmen einer Befragung im Sinne von § 54 Nr. 6 AufenthG lassen insofern ein erhebliches Sicherheitsrisiko vermuten (vgl. BT-Drs. 14/7386, S. 56 f.; Hailbronner, Ausländerrecht, 88. EL, Oktober 2014, Rn. 44 zu § 54). Die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nach § 54 Nr. 6 Halbsatz 2 AufenthG nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde. Dementsprechende Befragungen des Antragstellers haben am 4. März 2008 durch die Ausländerbehörde der Stadt N. und am 31. Oktober 2011 durch die Ausländerbehörde des Antragsgegners stattgefunden. Ihnen ist jeweils der nach § 54 Nr. 6 Halbsatz 2 AufenthG vorgeschriebene Hinweis auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen falscher oder unvollständiger Angaben vorausgegangen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers wird die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung nicht dadurch in Frage gestellt, dass er nicht auf eine Freiwilligkeit der Teilnahme an den Befragungen i.S. einer Freiwilligkeit sowohl des Erscheinens als auch der Mitwirkung durch die Beantwortung gestellter Fragen hingewiesen worden wäre. Dabei kann offen bleiben, ob der Ausländer, dessen persönliches Erscheinen zur Sicherheitsbefragung nach § 82 Abs. 4 AufenthG im Übrigen durchaus angeordnet werden kann, zur Mitwirkung an der ausländerrechtlichen Sicherheitsbefragung verpflichtet ist, oder ob die Mitwirkung – wie der Antragsteller meint – auf Freiwilligkeit beruht (vgl. zur Frage der Mitwirkungspflicht HTK-Armbruster zu § 54 Nr. 6 AufenthG m.w.N.).

Eine etwaige Hinweispflicht, die das einfache Gesetzesrecht so hier nicht vorgibt, und die bezüglich des Erscheinens zur Sicherheitsbefragung von vornherein nur in Betracht kommt, wenn eine Anordnung nach § 82 Abs. 4 AufenthG nicht getroffen worden ist, folgt nämlich nicht aus dem hier als Grundlage allein in Betracht zu ziehenden und verfassungsrechtlich garantierten Recht auf ein faires Verfahren.

Die Bestimmung der verfahrensrechtlichen Befugnisse und Hilfestellungen, die dem Betroffenen nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens im Einzelnen einzuräumen sind, und die Festlegung, wie diese auszugestalten sind, sind in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann – in den vom Gesetz gezogenen Grenzen – den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht – auch in seiner Anwendung und Auslegung durch die Gerichte – ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 2 BvR 209/14 u.a. -, juris Rn. 29 ff.).

Davon ausgehend gebietet das Recht auf ein faires Verfahren den vom Antragsteller geforderten Hinweis nicht. Bereits dem nach § 54 Nr. 6 AufenthG erforderlichen Hinweis auf die Rechtsfolgen falscher und unvollständiger Angaben ist im Umkehrschluss zugleich zu entnehmen, dass verweigerte Angaben und damit auch das Nichterscheinen zur Sicherheitsbefragung derartige Rechtsfolgen jedenfalls im Rahmen des § 54 Nr. 6 AufenthG nicht nach sich ziehen. Ein weitergehender ausdrücklicher Hinweis auf eine etwaige freiwillige Teilnahme ist deshalb nicht aus rechtsstaatlichen Gründen zwingend geboten.

Abgesehen davon ist der Antragsteller vor dem Sicherheitsgespräch vom 31. Oktober 2011 durch die diesbezügliche Vorladung vom 19. September 2011 darüber informiert worden, dass im Falle seines unentschuldigten Fehlens das persönliche Erscheinen angeordnet werden kann. Ferner ist er im Eingang des Sicherheitsgesprächs darauf hingewiesen worden, dass er nicht verpflichtet sei, Abgaben zu machen.

Sind danach die erforderlichen Hinweise erteilt worden, sind die Sicherheitsbefragungen vom 4. März 2008 und vom 31. Oktober 2011, in denen der Antragsteller nach den nicht durchgreifend in Frage gestellten Feststellungen des Verwaltungsgerichts Falschangaben i.S.v. § 54 Nr. 6 AufenthG zu I. und B. gemacht hat, verwertbar.

1. Im Hinblick auf I. hat das Verwaltungsgericht bezüglich der Falschangaben des Antragstellers auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen, nach der dem Antragsteller bewusst gewesen sein soll, dass I. mit al-Quaida in Verbindung stand. Insofern habe der Antragsteller bei der Sicherheitsbefragung vom 4. März 2008 unzutreffend behauptet, keinen Kontakt zu einer Person gehabt zu haben, von der er wisse, dass sie einer in Teil E genannten Organisation – wie al-Quaida – nahe stand, nahe stehe oder angehöre. Dass dem Antragsteller die Verbindung von I. zu al-Quaida bekannt gewesen sei, leitet der Antragsgegner aus dem Umstand ab, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben bereits vor dem 4. März 2008 von Bediensteten des Verfassungsschutzes zu I. befragt worden sei. Mit dieser tragenden Begründung setzt sich das Beschwerdevorbringen nicht in der nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise auseinander. Vielmehr beschränkt es sich im Wesentlichen auf die Einlassung, zwischen dem Antragsteller und I. habe es keine Gespräche über die Gesinnung gegeben.

2. Nach derzeitigem Erkenntnisstand hat der Antragsteller – wie in der angefochtenen Ordnungsverfügung zutreffend festgestellt worden ist – in Bezug auf B. im Sicherheitsgespräch vom 31. Oktober 2011 insoweit falsche Angaben gemacht, als er nach Lichtbildvorlage angegeben hat, diesen nicht zu kennen. In seiner eidesstattlichen Erklärung vom 3. September 2012 hat der Antragsteller dann eingeräumt, B. in der Moschee X. zwei- oder dreimal gesehen zu haben. Seine Einlassung, B. bei der Lichtbildvorlage nicht erkannt zu haben, ist unglaubhaft. Die hierfür zunächst angeführte Begründung, B. habe vor mehr als 10 Jahren – im Zeitpunkt der Wahrnehmung in der Moschee – anders ausgesehen, ist dadurch entkräftet worden, dass das vorgelegte Lichtbild nach den nicht in Frage gestellten Angaben des Antragsgegners bereits am 15. April 2004 im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung angefertigt worden ist. Die Replik des Antragstellers, er habe sich die fehlende Erinnerung damit erklärt, dass B. vor 10 Jahren eventuell anders ausgesehen habe, wertet der Senat als Ausflucht. Es kommt hinzu, dass der Antragsteller – wie sowohl in der Ordnungsverfügung als auch im Urteil des Verwaltungsgerichts im Einzelnen dargestellt – von Oktober 2001 bis Juni 2002 insgesamt acht Mobilfunkrechnungen für B. gezahlt hat. Die Zahlung erfolgte jeweils aufgrund einer Einzugsermächtigung durch Abbuchung der angefallenen Beträge von einem Konto des Antragstellers bei der Stadtsparkasse L.. Als Buchungstext war jeweils der Name B. vermerkt. Der Senat glaubt dem Antragsteller nicht, dass er den Buchungstext B. vermerkt hat ohne zu wissen, dass sich dieser auf F. N. B. bezog. Gerade dann, wenn – wie vorgetragen – der Wunsch um Begleichung der Rechnungen von F2. O. an den Antragsteller herangetragen worden sein soll, F. O. die Beträge in bar erstattet haben soll und der Antragsteller davon ausgegangen sein will, Rechnungen des F. O. zu begleichen, ist es lebensfremd, dass der Antragsteller sich nicht nach dem Sinn des dann in keiner Weise nachvollziehbaren Buchungstextes "B." erkundigt haben, sondern "nichts Böses dabei gedacht" haben will. Eine derartige Unbekümmertheit passte auch nicht zu dem übrigen Verhalten des Antragstellers, der sich als durchaus um- und vorsichtig dargestellt hat und etwa den I. zur Absicherung gefragt haben will, ob er der Organisation "Al-Gama’a al –Islamiyya (GI)" angehörte. Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Antragsteller den B. mehr als nur flüchtig kannte und er diesen Umstand im Sicherheitsgespräch vom 31. Oktober 2011 bewusst verschwiegen hat. Diese Einschätzung wird nicht in Frage gestellt durch den Vortrag des Antragstellers, er habe B. bei der Befragung durch den Verfassungsschutz im Jahre 2005 nach Lichtbildvorlage noch wiedererkannt. Zum einen ist dieser Vortrag durch nichts näher belegt, zum anderen spricht dieser – seine Richtigkeit einmal unterstellt – nicht gewichtig dafür, der Antragsteller habe kein Motiv dafür gehabt, sechs Jahre später und gegenüber einer anderen Behörde zu bestreiten, den B. zu kennen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Verbindungsperson des Antragstellers sei – wie § 54 Nr. 6 AufenthG voraussetzt – der Unterstützung des Terrorismus verdächtig, wird durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet. Zwar ist das Ermittlungsverfahren gegen B. nach § 129a StGB im Zusammenhang mit dem Attentat auf eine Synagoge in E./Tunesien im Jahre 2002, zu dem sich al-Quaida bekannt hatte, im September 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, weil keine verdichtenden Hinweise darauf gefunden werden konnten, dass B. eine terroristische Vereinigung unterstützt. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung führt die Einstellung des Ermittlungsverfahrens jedoch nicht zugleich auch zum Entfall der Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 6 AufenthG. § 129a Abs. 5 StGB enthält nämlich strengere Voraussetzungen als § 54 Nr. 6 AufenthG. Während es für § 54 Nr. 6 AufenthG ausreicht, dass die Kontaktperson der Unterstützung des Terrorismus lediglich verdächtig ist, erfordert § 129a Abs. 5 StGB den tatsächlichen Nachweis der Unterstützung. Die Einschätzung der Generalbundesanwaltschaft, die strengen Voraussetzungen des § 129a Abs. 5 StGB seien nicht gegeben, lässt daher nicht den Schluss zu, auch die weniger strengen Voraussetzungen des § 54 Nr. 6 AufentG würden verfehlt (vgl. sogar zum Verhältnis von § 129a StGB zu § 54 Nr. 5 AufenthG: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. November 2007 - 11 S 695/07 -, juris Rn. 2).

Ob B. erst nach dem Anschlag auf die Synagoge in E. unter Terrorverdacht geraten ist, kann auf sich beruhen. Im Rahmen des § 54 Nr. 6 AufenthG kommt es auf diesen Zeitpunkt nicht an. Insbesondere ist es sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als auch nach dessen Sinn und Zweck nicht erforderlich, dass die von § 54 Nr. 6 AufenthG vorausgesetzten Verbindungen zu der einer Unterstützung des Terrorismus verdächtigen Person erst nach Entstehen des Terrorverdachts geknüpft worden sind. Schließlich ist es für die Tatbestandsverwirklichung des § 54 Nr. 6 AufenthG auch unerheblich, ob die vom Antragsteller bezahlten Telefonrechnungen sich auf zu terroristischen Zwecken genutzte Telefonanschlüsse bezogen haben. Dass die Angaben in wesentlichen Punkten falsch oder unvollständig sein müssen, bedeutet zwar, dass nicht jede Unvollständigkeit, Unklarheit oder Unwahrheit tatbestandsmäßig ist, sondern nur eine solche, die für die sicherheitsrechtliche Beurteilung in Bezug auf den Terrorismus wesentlich ist (vgl. Discher, in: GK-AufenthG, § 54 Rn. 741).

Von einer derartigen Unwahrheit ist aber bereits deshalb auszugehen, weil der Antragsteller im Sicherheitsgespräch vom 31. Oktober 2011 abgestritten hat, den B. zu kennen.

3. Den Vorwurf falscher Angaben leitet das Verwaltungsgericht hinsichtlich I. unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Ordnungsverfügung aus dem Umstand ab, dass der Antragsteller im Rahmen der Sicherheitsbefragung vom 4. März 2008 angegeben hat, er habe niemals Kontakt zu einer Person gehabt, von der er wisse, dass sie einer der in Teil E genannten Gruppen oder Organisationen nahe gestanden habe, nahe stehe oder angehöre. I. habe der unter Teil E Nr. 25 gelisteten Organisation GI angehört. In dem Sicherheitsgespräch vom 31. Oktober 2011 habe der Antragsteller erklärt, I. seit 2002/2003 zu kennen und sich mit ihm über dessen GI-Zugehörigkeit unterhalten zu haben. I. habe sich dahingehend geäußert, dass er der GI nicht angehöre. Auch in Ansehung dieser angeblichen Einlassung J. sei es – so heißt es in der Ordnungsverfügung – tunlich gewesen, den Umstand im Rahmen der sicherheitsrechtlichen Befragung am 4. März 2008 mitzuteilen.

Nach derzeitigem Sachstand kann dem Antragsteller nicht angelastet werden, hinsichtlich I. unzutreffende oder unvollständige Angaben gemacht zu haben. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller – wie die insoweit relevante Frage 6.1 der Sicherheitsbefragung vom 4. März 2008 voraussetzte – wusste, dass I. der GI nahe stand, nahe steht oder angehörte. I. soll vielmehr auf Frage ausdrücklich verneint haben, der GI anzugehören. Der Antragsteller hat dazu im Schriftsatz vom 15. Oktober 2012 weiter ausgeführt, er habe keinen Zweifel gehabt, dass I. ehrlich geantwortet habe. Es bestehen zwar Zweifel an der Darstellung des Antragstellers, diese Zweifel sind aber nicht so gewichtig, dass davon ausgegangen werden könnte, ihm sei die Zugehörigkeit J. zur GI bekannt gewesen. Ob es davon ausgehend "tunlich" gewesen wäre, die vom Antragsteller geschilderten Umstände in der Sicherheitsbefragung vom 4. März 2008 zu offenbaren, hängt im vorliegenden Zusammenhang allein davon ab, ob der Antragsteller mit der Verneinung der Frage 6.1 unzutreffende Angaben gemacht hat, er also jedenfalls wusste, dass I. der GI nahe stand. Auch dieser Schluss lässt sich indes derzeit nicht ziehen. Nach dem insoweit nicht zu widerlegenden Vortrag des Antragstellers beruhte die Frage nach der GI-Zugehörigkeit auf dem Umstand, dass I. Ägypter ist und in Afghanistan war, nicht aber auf einem konkreten Verdacht, zumal I. auch keine extremen Ansichten geäußert habe. Der Antragsteller mag damit zwar den Verdacht gehabt haben, dass I. der GI nahe steht, das von der einschlägigen Frage vorausgesetzte positive Wissen kann ihm aber nicht unterstellt werden.

4. Zumindest zu Beginn der Befragung am 31. Oktober 2011 habe der Antragsteller - so das Verwaltungsgericht - auch falsche Angaben zu seinem Kenn-Verhältnis zu F. O. gemacht, denn er habe zunächst mit Bestimmtheit verneint, diesen zu kennen. Im Verlauf der weiteren Befragung habe der Antragsteller den Eindruck zu erwecken versucht, den Genannten nicht persönlich, sondern nur als Prediger zu kennen. Erst auf gezielte Befragung habe er am Ende des Gesprächs eingeräumt, 2-3 mal bei F. O. zu Hause gewesen zu sein und diesen ein Mal im Krankenhaus besucht zu haben.

Falsche Angaben zu dem Kenn-Verhältnis zu F. O. können dem Antragsteller nicht deshalb angelastet werden, weil er im Rahmen der Sicherheitsbefragung vom 31. Oktober 2011 zunächst verneint hat, diesen zu kennen. Nach der Gesprächsniederschrift hat er diese Angabe sogleich korrigiert. Insoweit kann offen bleiben, ob der Antragsteller zunächst bewusst die Unwahrheit gesagt oder F. O. bei der Lichtbildvorlage erst auf den zweiten Blick erkannt hat. Die § 54 Nr. 6 AufenthG zugrundeliegende Annahme, dass falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu der Unterstützung des Terrorismus verdächtigen Organisationen oder Personen ein die Ausweisung rechtfertigendes erhebliches Sicherheitsrisiko vermuten lassen, ist in aller Regel dann nicht berechtigt, wenn der Ausländer seine Angaben bis zum Ende des Sicherheitsgesprächs freiwillig korrigiert oder ergänzt und damit im Ergebnis zutreffende und vollständige Angaben macht. So liegt der Fall hier, weil der Antragsteller seine Angaben zu F. O. bis zum Ende des Sicherheitsgesprächs - soweit ersichtlich freiwillig - korrigiert und hinsichtlich des Umfangs der Verbindungen ergänzt hat.

Angemerkt sei, dass relevante Falschangaben zu F. O. bei der Sicherheitsbefragung vom 4. März 2008 (vgl. Frage 6.1) nicht ersichtlich sind. Es fehlt nach Aktenlage bereits an belastbaren Erkenntnissen darüber, dass F. O. einer der in Teil E des Fragebogens aufgeführten Gruppe oder Organisation im fraglichen Zeitpunkt nahe stand, nahe steht oder angehört.

Nach alledem ist der Antragsgegner bei der verfügten Ermessensentscheidung insoweit von falschen Voraussetzungen ausgegangen, als er dem Antragsteller in Bezug auf I. falsche bzw. unvollständige Angaben i.S.v. § 54 Nr. 6 AufenthG angelastet hat. Dieser Umstand führt derzeit zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung, weil diesen Angaben im Verhältnis zu den weiteren dem Antragsteller angelasteten Falschangaben nicht etwa nur untergeordnete sich nicht auf das Entscheidungsergebnis auswirkende Bedeutung zukommt. Der Antragsgegner hat keine Ermessensentscheidung über die Ausweisung auf der Grundlage der Annahme getroffen, die Voraussetzungen des § 54 Nr. 6 AufenthG seien nur wegen Falschangaben hinsichtlich Verbindungen zu I. und B. gegeben. Eine derartige Ermessensentscheidung ist nicht der vom Antragsgegner in dessen Schriftsatz vom 4. April 2014 vertretenen Auffassung zu entnehmen, bereits mit Blick auf Falschangaben zu B. sei die Ausweisung rechtmäßig verfügt worden. Bei der Ergänzung von behördlichen Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren sind strenge Anforderungen an Form und Handhabung zu stellen sind. Die Behörde muss klar und eindeutig zu erkennen geben, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibt, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen können. Dafür genügt es nicht, dass die Behörde bei einer nachträglichen Änderung der Sachlage im gerichtlichen Verfahren neue Ermessenserwägungen geltend macht. Sie muss zugleich deutlich machen, welche ihrer ursprünglichen bzw. bereits früher nachgeschobenen Erwägungen weiterhin aufrecht erhalten bleiben und welche durch die neuen Erwägungen gegenstandslos werden. Auch muss sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung betreffen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidigt. Da etwaige Zweifel und Unklarheiten über Inhalt und Umfang nachträglicher Ergänzungen zu Lasten der Behörde gehen, erscheint es sinnvoll, wenn sie bei nachträglichen Ergänzungen die nunmehr maßgebliche Begründung zusammenhängend darstellt. Außerdem hat die Behörde auch die sonstigen gesetzlichen Verfahrensrechte des Betroffenen zu beachten, wenn sie im gerichtlichen Verfahren wegen neu eingetretener Umstände ihre Ermessenserwägungen ergänzen will. Sie muss dem Betroffenen daher grundsätzlich zunächst Gelegenheit geben, sich zu den neuen Tatsachen zu äußern (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 – 1 C 14.10 -, juris Rn. 18 f.).

Im Übrigen kann nicht angenommen werden, dass das nach § 54 Nr. 6 AufenthG eröffnete Ausweisungsermessen allein mit Blick auf die Erfüllung des Ausweisungstatbestandes hinsichtlich des I. und des B. rechtmäßig allein im Sinne einer Ausweisung ausgeübt werden könnte und damit eine Ermessensreduktion auf Null eingetreten wäre.

5. Die Rechtswidrigkeit der Ausweisung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Antragsgegner diese nach der mit dem Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellten Feststellung des Verwaltungsgerichts selbständig tragend auch auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt hat. Nach summarischer Prüfung kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG verwirklicht hat. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst. Die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder einer eine solche unterstützenden Vereinigung i.S. v. § 54 Nr. 5 AufenthG erfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirken. Darunter kann die Mitgliedschaft in der terroristischen oder unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne gleichzeitige Mitgliedschaft. Auch die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen kann eine Unterstützung in diesem Sinne darstellen, wenn sie geeignet ist, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die durch § 54 Nr. 5 AufenthG missbilligten Ziele zu entfalten. Auf einen nachweisbaren oder messbaren Nutzen für diese Ziele kommt es nicht an, ebenso wenig auf die subjektive Vorwerfbarkeit der Unterstützungshandlungen. Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 -, juris Rn. 27 zu § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990).

Im Hinblick auf den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit und das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit des Einzelnen erfüllen allerdings solche Handlungen den Tatbestand der individuellen Unterstützung nicht, die erkennbar nur auf einzelne, mit terroristischen Zielen und Mitteln nicht im Zusammenhang stehende - etwa humanitäre oder politische - Ziele der Vereinigung gerichtet sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, juris Rn. 12 ff.).

Diese Voraussetzungen zusammenfassend ist deshalb erforderlich, dass Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, der Ausländer habe Handlungen vorgenommen, die geeignet sind, sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten u.a. einer terroristischen Vereinigung auszuwirken.

Nach Ansicht des Antragsgegners sind diese Voraussetzungen gegeben, weil der Antragsteller – wie oben bereits erwähnt – von Oktober 2001 bis Juni 2002 insgesamt acht Mobilfunkrechnungen des B. bezahlt hat und damit al-Quaida unterstützt habe. Dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden. Sie setzt jedenfalls voraus, dass davon auszugehen ist, die dementsprechenden Telefonanschlüsse seien für Zwecke von al-Quaida genutzt worden. Diese Annahme ist aber nicht gerechtfertigt. Die Verbindungsdaten zu den beiden in Rede stehenden Mobilfunkanschlüssen sind seinerzeit von den Sicherheitsbehörden überprüft worden. B. war zwar – wie bereits oben ausgeführt - Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Attentat auf eine Synagoge in E./Tunesien im Jahre 2002, zu dem sich al-Quaida bekannt hatte. Das Verfahren gegen B. ist aber im September 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, weil dem B. keine konkrete Tatbeteiligung nachgewiesen werden konnte. Sonstige Anhaltspunkte für eine Nutzung der Telefonanschlüsse im Interesse von al-Quaida sind nach Aktenlage derzeit nicht gegeben. Es kommt hinzu, dass der eine der beiden Mobilfunkanschlüsse nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden tatsächlich über mehrere Monate von F. O. genutzt worden ist, der andere tatsächlich von I..

Auch die in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung des Antragsgegners, der Antragsteller habe den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG aufgrund einer Unterstützung der GI verwirklicht, vermag der Senat aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse nicht zu teilen. Der Antragsgegner ist insoweit der Ansicht, der Antragsteller verfüge aufgrund persönlicher Kontakte zu I. über eine Verbundenheit und innere Nähe zur GI, die sich begünstigend auf die Stellung der GI in der Gesellschaft und unter ihren Landsleuten auswirke. An konkreten Anknüpfungstatsachen für inkriminierte Unterstützungshandlungen sind nach Aktenlage aber lediglich feststellbar die vom Antragsteller in seiner eidesstattlichen Versicherung erwähnte zweimalige Übersetzertätigkeit für I. bei Behörden sowie die Teilnahme an Vorträgen von I. in der Moschee in X.. Es ist nicht erkennbar, inwieweit diese Umstände geeignet sein sollen, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die durch § 54 Nr. 5 AufenthG missbilligten Ziele zu entfalten. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, die vorgenannten Tätigkeiten seien zurechenbar als Billigung der Ziele von GI wahrgenommen worden, zumal der Antragsteller – wie oben ausgeführt – in nicht zu widerlegender Weise angegeben hat, er sei davon ausgegangen, dass I. der GI nicht angehöre. Offen bleiben kann, ob in diesem Zusammenhang auch auf den Umstand abzustellen ist, dass einer der Telefonanschlüsse des B., für den der Antragsteller die genannten Rechnungen beglichen hatte, von I. genutzt worden sein soll. Sollte dies dem Antragsteller bekannt gewesen sein, so könnte ihm nach Lage der Dinge eine etwaige mittelbare Unterstützung der GI angesichts der Einlassung des I., er gehöre der GI nicht an, jedenfalls nicht zugerechnet werden.

II. Die in Ziffer 5 der angefochtenen Ordnungsverfügung ausgesprochene und auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gestützte Verpflichtung des Antragstellers, sich ab dem 25. August 2012 bis zur Ausreise einmal täglich bei der näher bezeichneten Polizeiinspektion C. H. unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers zu melden ist bei summarischer Prüfung rechtswidrig. Eine derartige Anordnung setzt – was hier allein in Betracht kommt - eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5 AufenthG voraus. Daran fehlt es, weil der Senat die aufschie - bende Wirkung gegen die dementsprechende Ausweisungsverfügung angeordnet hat.

III. Unterliegt der Antragsteller derzeit keiner Meldepflicht nach § 54a Abs. 1 AufenthG, so entfällt auch die räumliche Beschränkung gemäß § 54a Abs. 2 AufenthG mit der Folge, dass die aufschiebende Wirkung gegen die unter Ziffer 6 verfügte räumliche Beschränkung wiederherzustellen ist.

IV. Sind damit die in Ziffern 5 und 6 der Ordnungsverfügung enthaltenen Regelungen derzeit rechtswidrig und deshalb – wie in der Beschlussformel ausgesprochen – nicht vollziehbar, so gilt entsprechendes für die darauf bezogene und in Ziffer 7 der Ordnungsverfügung enthaltene Zwangsmittelandrohung.

V. Der Senat geht mit Blick auf die wohlverstandenen Interessen des Antragstellers davon aus, dass sich seine Beschwerde gegen den angegriffenen Beschluss auch insoweit richtet, als damit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (Ziffer 9 der Ordnungsverfügung) und die Abschiebungsandrohung (Ziffer 4 der Ordnungsverfügung) abgelehnt worden ist. Insoweit hat der Aussetzungsantrag aber keinen Erfolg. [...]