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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 11.06.2002 - 1 B 37.02 - asyl.net: M2338
https://www.asyl.net/rsdb/M2338
Leitsatz:

Zieht das Berufungsgericht die bei der Anhörung des Ausländers durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge protokollierte Aussage - grundsätzlich zulässig - als Beweismittel heran, darf es daraus allenfalls dann auf dessen Unglaubwürdigkeit schließen, wenn diese Aussage solche Widersprüche, Ungereimtheiten oder Unvereinbarkeiten mit gesicherten Erkenntnissen des Berufungsgerichts aufweist, dass sie die Wahrheit der von dem Ausländer behaupteten Tatsachen auch ohne einen persönlichen Eindruck des Gerichts von seiner Glaubwürdigkeit von vornherein ausschließen (Bestätigung des Beschlusses vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01).(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: D (A), Verfahrensmangel, Sachaufklärungspflicht, Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, Vereinfachtes Berufungsverfahren, Anhörung, Bundesamt, Protokoll, Verwertbarkeit, Glaubwürdigkeit, Beschwerde
Normen: VwGO § 86 Abs. 1; VwGO § 86 Abs. 3; VwGO § 96 Abs. 1; VwGO § 130a; VwGO § 132 Abs. 2 Nr.3
Auszüge:

 

Das Berufungsgericht hat dem Kläger sein Vorbringen zu dem Vorfluchtgeschehen in dem im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO ergangenen Beschluss nicht geglaubt, weil es die bereits vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) in dessen ablehnenden Bescheid hierzu geäußerten Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers teilte und diese Glaubwürdigkeitszweifel auch nicht ausräumen konnte (BA S. 4). Die Beschwerde rügt insoweit der Sache nach zu Recht, dass das Berufungsgericht diesen Schluss im Falle des Klägers nicht hätte ziehen dürfen, ohne sich zuvor durch persönliche Anhörung ein eigenes Bild von seiner Glaubwürdigkeit gemacht zu haben.

Zwar hat sich das Berufungsgericht damit nicht in Widerspruch zu einer etwa entgegenstehenden Würdigung der Glaubwürdigkeit des Klägers durch das Verwaltungsverfahren gesetzt (dazu, dass dies unzulässig gewesen wäre, vgl. Beschluss vom 28. April 2000 - BVerwG 9 B 137.00 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 235; stRspr). Denn dieses hatte ohne mündliche Verhandlung entschieden und es dabei ausdrücklich dahinstehen lassen, ob dem Vorbringen des Klägers zu seiner Rückkehr ins Heimatland, der dort erlittenen Haft und schließlich der Flucht aus dem Krankenhaus geglaubt werden könne (UA S. 7).

Das Berufungsgericht hätte jedoch nicht die Glaubwürdigkeit des Klägers im Wesentlichen gestützt auf die Übernahme der entsprechenden Würdigung durch das Bundesamt verneinen dürfen, wie es dies ausdrücklich getan hat (BA S. 4 - zu dieser revisionsrechtlichen Würdigung zugrunde liegenden Grundsätzen - vgl. Beschluss vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - <zur Veröffentlichung vorgesehen>). Auch die ergänzenden Erwägungen des Berufungsgerichts tragen dessen Schlussfolgerung nicht als grundsätzlich zulässige eigenständige Würdigung der bei der Anhörung vor dem Bundesamt protokollierten Aussage des Klägers. Denn sie zeigen keine solchen Widersprüche, Ungereimtheiten oder Unvereinbarkeiten im Vorbringen des Klägers mit gesicherten Erkenntnissen des Berufungsgerichts auf, die die Wahrheit der behaupteten Tatsachen auch ohne den persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Klägers von vornherein ausschlössen.