SG Berlin

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Zitieren als:
SG Berlin, Urteil vom 09.09.2015 - S 207 AS 5297/13 - asyl.net: M23617
https://www.asyl.net/rsdb/M23617
Leitsatz:

Zur (rückwirkenden) Leistungsberechtigung bei rückwirkender Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Schlagwörter: SGB II, rückwirkende Bewilligung, Aufenthaltserlaubnis, rückwirkende Erteilung, Leistungsausschluss, Bedarf, Sozialleistungen,
Normen: SGB II § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, AsylbLG § 1, SGB X § 102, SGB II § 37, SGB I § 18 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Die Kläger waren bereits ab März 2012 leistungsberechtigt. Dies ergibt sich aus der rückwirkenden Aufenthaltserlaubnis. Das Verwaltungsgericht hat diese rückwirkend ab Geburt ausgesprochen. Demnach sind die Kläger nicht - wie durch den Beklagten aber angenommen - vor September 2012 nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II von den Leistungen wegen eines Anspruchs oder des Bezugs auf Leistungen nach dem § 1 AsylbLG ausgeschlossen. Die Kammer folgt insofern nicht der Einschätzung des Beklagten, dass trotzt der rückwirkenden Erteilung der Aufenthaltserlaubnis es dennoch bei dem Leistungsausschluss verbleibt. Dies ignoriert die rückwirkende Wirkung, die hier durch das Verwaltungsgericht ausgesprochen wurde. Es hat hier eine Beurteilung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt sind die Kläger ersichtlich nicht von den Leistungen ausgeschlossen für diesen Zeitraum.

Dabei verkennt die Kammer nicht den Einwand des Beklagten, dass die Kläger nicht zweimalig Leistungen erhalten sollen. Dies vermag aber insofern nicht zu überzeugen, als dass hier lediglich die Differenz gewährt wurde. Selbst bei der umfassenden Verurteilung wäre wohl eine Erstattung nach den §§ 102 ff. SGB X vorzunehmen, nicht aber ein Leistungsausschluss trotz Vorliegen der objektiven Voraussetzungen anzunehmen.

Die Kläger haben auch einen Antrag nach§ 37 SGB II hier bereits im März 2012 gestellt. Dies erfolgte zwar gegenüber einem etwaig zu diesem Zeitpunkt nicht zuständigem JobCenter. Dieser leitete jedoch den Antrag, anders als in § 16 Abs 2 SGB I vorgesehen, nicht an den zuständigen Leistungsträger weiter. Dies vermag aber nichts an der Einordnung der Willenserklärung der Kläger als Antrag zu ändern. Sofern der Beklagte darauf verweist, dass hier kein zeitlicher Zusammenhang mehr zu dem erneuten Antrag beim Beklagten bestehe, so überzeugt dies die Kammer insofern nicht, als dass hier gerade keine bestandskräftige Ablehnung durch den unzuständigen Trägern stattfand. Vielmehr wies dieser nur auf eine andere Zuständigkeit hin. Erst der Beklagte setzte sich mit der Antragstellung dann im Widerspruchsbescheid auseinander und lehnte diese dort erstmalig ab. Da bis zu diesem Zeitpunkt keine Bescheidung erging, ist nach Überzeugung der Kammer nicht davon auszugehen, dass der Antrag aus März 2012 nicht mehr "fortwirke" wie der Beklagte anführt. Nachdem die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, so gilt dieser als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er auch bei der unzuständigen Stelle eingegangen ist (§ 16 SGB I).

Nach alledem sind den Klägern hier durchaus noch Leistungen zu gewähren, dabei aber nur noch in Höhe der Differenz zu den bereits gewährten Leistungen nach dem AsylbLG. Den Kläger belief sich in dem Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 31. August 2012 auf 374 Euro für die Klägerin zu 1) sowie 219 Euro für den Kläger zu 2). Der Klägerin zu 1) stand zudem ein Mehrbedarf als Alleinerziehende in Höhe von 134,64 Euro zu. Des weiteren waren Kosten der Unterkunft ab dem 19. April 2012 in Höhe von 408,67 Euro zzgl. Heizkosten in Höhe von 96,00 Euro (insgesamt daher 504,67 Euro). Dies ergibt einen Gesamtbedarf in Höhe von 1232,31 Euro. Diesem Bedarf ist noch der an den Kläger geleistet Unterhalt in Höhe von 133 Euro gegenüberzustellen, Elterngeld bezog die Klägerin noch nicht. Ebenso wenig ist der Bezug von Kindergeld ersichtlich. [...]