VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Beschluss vom 30.06.2017 - 7 K 8819/17 - asyl.net: M25356
https://www.asyl.net/rsdb/M25356
Leitsatz:

[Zum Arbeitsverbot für Geduldete aus sicheren Herkunftsstaaten:]

Ein Asylantrag ist im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG [...] erst mit der förmlichen Antragstellung gemäß § 14 AsylG [...] gestellt (Anschluss an OVG Lüneburg, Beschl. v. 08.12.2016 - 8 ME 183/16 -[asyl.net: M24674]) (Rn.8).

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, sichere Herkunftsstaaten, Asylantrag, Asylgesuch, förmliche Asylantragstellung, Stichtag, Duldung, Ermessen,
Normen: AsylG § 14, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 3, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 4, AufenthG § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3, AsylG § 29a, AsylG § 13 Abs. 1, AsylG § 14 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

7 Nach diesen Maßstäben hat die Antragstellerin aller Voraussicht nach keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Sätze 3 und 4 AufenthG für die von ihr zum 01.07.2017 beabsichtigte Berufsausbildung zur Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk. Die Antragstellerin ist kosovarische Staatsangehörige und damit Staatsangehörige eines sicheren Herkunftsstaates im Sinne des § 29a Abs. 1 und 2 AsylG i.V.m. der Anlage II zu § 29a AsylG. Ihr mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.09.2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnter Asylantrag wurde am 13.05.2016 und damit nach dem Stichtag 31.08.2015 gestellt.

8 Aller Voraussicht nach unerheblich ist hierfür, dass die Antragstellerin zusammen mit ihren Eltern und ihren drei ebenfalls minderjährigen Geschwistern nach eigenen Angaben bereits am 17.11.2014 in das Bundesgebiet eingereist ist und von ihren Eltern noch am gleichen Tag als asylsuchend gemeldet wurde. Zwar liegt nach § 13 Abs. 1 AsylG ein Asylantrag bereits dann vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht. Nach dem klaren Wortlaut des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG genügt es indes nicht, dass ein Asylantrag in diesem Sinne vorliegt (sog. Asylgesuch, vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.12.1997 - BVerwG 1 B 219.97 -, Juris). Der Asylantrag muss vielmehr auch "gestellt" worden sein (sog. Asylantrag im engeren Sinne, vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.12.1997, a.a.O.). Gestellt werden kann der Asylantrag grundsätzlich nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AsylG nur bei der Außenstelle des Bundesamtes, die der für die Aufnahme des Ausländers zuständigen Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, und ausnahmsweise unter den in § 14 Abs. 1 Satz 2 AsylG genannten Voraussetzungen bei einer anderen Außenstelle oder in den in § 14 Abs. 2 AsylG genannten Fällen beim Bundesamt. Das Asylgesetz differenziert somit klar zwischen einem Asylgesuch ("Nachsuchen um Asyl", vgl. §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 18 Abs. 1, 18a Abs. 1, 19 Abs. 1, 20 Abs. 2 AsylG) und einer Asylantragstellung (vgl. §§ 23 Abs. 1, 2, 24 Abs. 1 Satz 2 AsylG, s. insbesondere § 63a AsylG). Hierüber wurde die Antragstellerin am 17.11.2014 belehrt. Mit der einer förmlichen Antragstellung vorausgegangenen bloßen Registrierung als Asylsuchender ist ein Asylantrag nach alledem noch nicht gestellt im Sinne von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (ebenso OVG Lüneburg, Beschl. v. 08.12.2016 - 8 ME 183/16, Juris; Teil IV der Allgemeine Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zur Duldungserteilung nach § 60a Aufenthaltsgesetz vom 30.05.2017).

9 Eine andere Bewertung ergibt sich aller Voraussicht nach auch nicht aus dem Umstand, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insbesondere im Jahr 2015 nicht in der Lage war, Asylanträge zeitnah entgegenzunehmen und potenzielle Asylantragsteller wie die Antragstellerin und ihre Familienangehörigen regelmäßig mehrmonatige Wartezeiten in Kauf nehmen mussten, um ihren Asylantrag stellen zu können. [...]

10 Der Gesetzgeber war sich dieser tatsächlichen Situation bewusst und hat an anderer Stelle entsprechende Übergangsregelungen getroffen. [...]

11 Auch die Interessen der Betroffenen rechtfertigen kein abweichendes Normverständnis. Zwar hatten diese auf die bis in das Jahr 2016 hineinreichenden Verzögerungen für die Stellung ihres förmlichen Asylantrags keinerlei Einfluss. [...]

12 Ist nach alledem ein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG nicht gegeben, kommt auch eine Duldung im Wege des Ermessens zum Zwecke der Berufsausbildung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG schon deshalb nicht in Betracht, da für die zur Aufnahme der Berufsausbildung erforderliche Beschäftigungserlaubnis ebenfalls der Versagungsgrund nach § 60a Abs. Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 AufenthG greift. [...]