VG Halle

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Zitieren als:
VG Halle, Beschluss vom 13.02.2018 - 7 B 64/18 HAL - Asylmagazin 6/2018, S. 218 f. - asyl.net: M26039
https://www.asyl.net/rsdb/M26039
Leitsatz:

Nachträgliche erkennungsdienstliche Behandlung von anerkannten Flüchtlingen ist unzulässig:

1. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Anordnung der nachträglichen erkennungsdienstlichen Behandlung einer bereits als Flüchtling anerkannten Person.

2. Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nach § 16 AsylG ist auf Asylsuchende, nicht aber auf anerkannte Flüchtlinge anwendbar, da deren Asylverfahren bereits abgeschlossen wurde (andere Ansicht VG Chemnitz, Beschluss vom 21.02.2018- asyl.net: M26038).

3. Außerdem wurde die Identität der Antragstellerin wohl schon mehrmals bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG und im Asylverfahren gesichert.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: erkennungsdienstliche Behandlung, Flüchtlingsanerkennung, Fingerabdrücke, Suspensiveffekt, Flüchtlingsanerkennung, nachträglich, nachträgliche Identitätsprüfung, Identitätsprüfung, vorläufiger Rechtsschutz,
Normen: AufenthG § 23 Abs. 1, AsylG § 16 Abs. 1 S. 1, AsylG § 16,
Auszüge:

[...]

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG hat die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz nur in den Fällen des § 38 Abs. 1 sowie der §§ 73,73 b und 73 c AsylG aufschiebende Wirkung. Da einer der genannten Fälle hier nicht vorliegt, hat die Anfechtungsklage gegen die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Januar 2018 keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. So liegt der Fall hier.

Die Antragsgegnerin hat die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen (Abnahme von Fingerabdrücken und Aufnahme eines digitalen Lichtbildes) auf § 16 AsylG gestützt. Nach § 16 Abs. 1 S. 1, S. 2 1. HS. AsylG ist die Identität eines Ausländers, der um Asyl nachsucht, durch erkennungsdienstliche Maßnahmen (Lichtbilder und Abdrucke alle 10 Finger) zu sichern. Für die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen setzt der Tatbestand des § 16 Abs. 1 S. 1 AsylG voraus, dass es sich um einen Ausländer handelt, der um Asyl nachsucht. Das Asylgesetz und damit § 16 Abs. 1 S. 1 AsylG findet im Falle der Antragstellerin aber keine Anwendung mehr, weil ihr Asylverfahren durch den bestandskräftigen Bescheid der Antragsgegner vom 15. Juli 2015, mit dem ihr die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, längst abgeschlossen ist.

Unabhängig davon ist die Identität der Antragstellerin ganz wahrscheinlich schon gesichert. Denn nach ihrem unwidersprochen gebliebenem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren sei zum Zeitpunkt des Abschlusses ihres Asylverfahrens ihre Identität mehrfach gesichert wurde, nämlich zum einen durch ihren Heimatpass, zum anderen durch erkennungsdienstliche Behandlungen der deutschen Auslandsvertretung sowie der zuständigen Ausländerbehörde bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin ergibt sich zudem, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin am 20. März 2015 Ihre Aufenthaltserlaubnis mit der Asylantragstellung übersandt hat. (Beiakte A Seite 1-4); daraus lässt sich die vorherige Datenerhebung durch die Ausländerbehörde der Stadt Halle entnehmen. Der Zweck der Regelung des § 16 Abs. 1 S. 1 AsylG, die Identität des Asylsuchenden für das Asylverfahren, insbesondere für die Asylanerkennung oder Ablehnung bzw. für aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu sichern und Mehrfachanträge unter jeweils anderen Personenangaben, die Wiedereinreise nach Ablehnung und das Verschweigen eines bereits früheren gestellten Asylantrages, aufzudecken (AsylG, Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz, § 16 Rd. Nr. 8) konnte danach im Falle der Antragstellerin gar nicht mehr erfüllt werden. [...]