LG Verden

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Zitieren als:
LG Verden, Beschluss vom 15.02.2018 - 6 T 106/17 - asyl.net: M26049
https://www.asyl.net/rsdb/M26049
Leitsatz:

Erhebliche Fluchtgefahr für Dublin-Haft erforderlich:

Dublin-Haft setzt nach Art. 28 Abs. 2, Art. 2 Bst. n Dublin-III-VO eine "erhebliche" Fluchtgefahr voraus. Hierfür muss aufgrund konkreter Tatsachen im hohen Maße wahrscheinlich sein, dass sich die betroffene Person dem Überstellungsverfahren entziehen wird. Dies ist anders als bei der "einfachen" Fluchtgefahr nach § 62 AufenthG.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Überstellungshaft, Dublin III-Verordnung, Fluchtgefahr, erhebliche Fluchtgefahr, Erheblichkeit, Dublinverfahren,
Normen: VO 604/2013 Art. 28 Abs. 2, VO 604/2013 Art. 2 Bst. n, AufenthG § 62 Abs. 3, AufenthG § 2 Abs. 14, AufenthG § 2 Abs. 15,
Auszüge:

[...]

Vorliegend hat das Amtsgericht die Haftanordnung u.a. damit begründet, dass der Betroffene durch Verwendung falscher Personalien seine wahre Identität verschleiern wollte und seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde seine Anschrift mitzuteilen. Beide Aspekte können dabei Indizien für eine Fluchtgefahr im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Art. 2 n Dublin-III-Verordnung sein.

Das Amtsgericht hat jedoch die weiteren Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2, Art. 2 n der Dublin-III-Verordnung nicht geprüft und sich insbesondere nicht mit der Frage der Erheblichkeit der Fluchtgefahr auseinandergesetzt.

Der Beschluss des Amtsgerichts Verden ist daher bereits deshalb rechtswidrig, weil er auf eine fehlerhafte Ermächtigungsgrundlage gestützt war. Es fehlt inhaltlich an einer Prüfung, ob die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 Art. 2 n Dublin-III-Verordnung vorliegen, da hier nur die Fluchtgefahr i.S.d. § 62 AufenthG, nicht jedoch die aus Art. 28 Dublin-III-VO erforderliche erhebliche Fluchtgefahr geprüft wurden (LG Arnsberg, Beschluss vom 14. Februar 2017 -I-5 T 18/17 -, Rn. 15, juris).

Das Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr wäre hier auch zu verneinen gewesen. Bei der Auslegung des Begriffes ist der Wille des Verordnungsgebers zu beachten, wonach die Inhaftierung lediglich nach als letztes Mittel nach strenger Verhältnismäßigkeitsprüfung anzuordnen ist. Erforderlich ist, dass anhand konkreter Tatsachen im hohen Maße wahrscheinlich ist, dass sich der Betroffene, auf freiem Fuß belassen, dem Überstellungsverfahren entziehen wird (AG Rosenheim, 26.10.2015, 8 XIV 133/15). Dagegen spricht hier, dass der Betroffen in seiner Anhörung zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen werde. Dass es also in hohem Maße wahrscheinlich war, dass sich der Betroffene dem Überstellungsverfahren entzogen hätte, kann nicht festgestellt werden. [...]