OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.02.2018 - OVG 6 L 14.18 - asyl.net: M26051
https://www.asyl.net/rsdb/M26051
Leitsatz:

Keine Wohnungsdurchsuchung ohne Rechtsgrundlage:

§ 7 UZwG Bln. ist - gemessen an Art. 13 GG - keine taugliche Grundlage zur richterlichen Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung zwecks Durchführung der Abschiebung. Der Gesetzgeber hat von seinem Recht, eine solche Grundlage zu schaffen, in Berlin nicht Gebrauch gemacht.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Wohnungsdurchsuchung, vollziehbar ausreisepflichtig, Abschiebung, Gesetzesvorbehalt,
Normen: GG Art. 13,
Auszüge:

[...]

2 Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass es für die beabsichtigte Wohnungsdurchsuchung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Das im Land Berlin anwendbare Vollstreckungsgesetz des Bundes (vgl. § 8 Abs. 1 VwVfG Bln) enthält jedoch keine Rechtsgrundlage für die richterliche Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung und damit einen Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG. [...]

3 Soweit in § 7 UZwG Bln Art. 13 Abs. 1 GG als eingeschränktes Grundrecht zitiert wird, ersetzt dies nicht die nach Art. 13 Abs. 2 GG erforderliche gesetzliche Grundlage für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung. In die Befugnis zur Ausübung unmittelbaren Zwangs kann mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt in Art. 13 Abs. 2 GG auch keine Ermächtigung zur Durchsuchung von Wohnungen hineingelesen werden. Das UZwG Bln ermächtigt zur Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form eines Einwirkens auf Personen und Sachen durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und durch Waffen (§ 1 UZwG Bln) im Rahmen einer Verwaltungsvollstreckungsmaßnahme. Die Regelung macht jedoch trotz der Zitierung des Art. 13 Abs. 1 GG eine landesgesetzliche Ermächtigungsnorm zur Wohnungsdurchsuchung nicht entbehrlich (vgl. Wehr, UzWG, 2. Aufl. 2015, § 3 Rn. 2; wohl auch Ruthig in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 1. Aufl. 2014, § 4 UzWG Rn. 2 unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Bedenken). Dem Landesgesetzgeber steht es offen, im Landesvollstreckungsrecht eine solche Ermächtigungsgrundlage zu schaffen (siehe etwa § 6 LVwVG Baden-Württemberg). Davon ist bislang im Land Berlin kein Gebrauch gemacht worden. Soweit das Verwaltungsgericht Berlin eine richterliche Durchsuchungsanordnung im Land Brandenburg nach § 26 Abs. 1 VwVG Bbg in Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 GG für zulässig gehalten hat, da die Einschränkung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) im Landesverwaltungsvollstreckungsrecht (§ 40 VwVG Bbg) zitiert sei (VG Berlin, Beschluss vom 8. September 2011 - VG 6 M 2.11 - NVwZ-RR 2012, 167, juris Rn. 9), bedarf dies keiner näheren Betrachtung, da das Berliner Landesverwaltungsvollstreckungsrecht eine solche Einschränkung nicht vorsieht. [...]