OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.03.2017 - 18 B 148/17 - asyl.net: M26301
https://www.asyl.net/rsdb/M26301
Leitsatz:

Keine Ausbildungsduldung wegen Täuschung über Identität und Alter (Vortäuschung von Minderjährigkeit) im Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Täuschung über Identität, minderjährig, Mitwirkungspflicht, Ausschlussgrund,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2 Satz 4, AufenthG § 60a Abs. 6
Auszüge:

[...]

27,28 Dem geltend gemachten Anspruch steht vorliegend jedoch entgegen, dass der Antragsteller den Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht. Hierzu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Antragsteller erfülle die Voraussetzungen des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, weil er - neben der unzutreffenden Angabe des Namens und der verwandtschaftlichen Beziehungen im Heimatland - durch die falsche Altersangabe aufgrund der bei einer Abschiebung (angeblich) Minderjähriger zu beachtenden Vorsorge- und Schutzmaßnahmen des § 58 Abs. 1a) AufenthG die Möglichkeit einer Abschiebung erheblich erschwert habe. Diese Einschätzung stellt der Antragsteller, der einräumt, dies möge zutreffen, mit der Beschwerde nicht (substantiiert) in Frage. Vielmehr wendet er sich gegen die Wertung des Verwaltungsgerichts, der Ausschlussgrund sei auch dann beachtlich, wenn er im Zeitpunkt der Beantragung der Duldung vorgelegen habe. Dieses Vorbringen greift indes nicht durch. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob der Ausländer den Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht, ist - anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich des Abs. 6 - derjenige der Beantragung der Ausbildungsduldung. Insoweit gilt nichts anderes als für die im Rahmen des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu beurteilende Frage, ab welchem Zeitpunkt konkret bevorstehende Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung einem Duldungsanspruch nicht mehr entgegen gehalten werden können. Dieses Ergebnis folgt aus dem Zusammenhang der beiden Ausschlussgründe, und zwar aus dem Umstand, dass der Ausschlussgrund der bevorstehenden Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung voraussetzt, dass derartige Maßnahmen möglich sind und damit der Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht vorliegt. Ist damit das Nichtvorliegen des letztgenannten Ausschlussgrundes Anwendungsvoraussetzung für den erstgenannten Ausschlussgrund, so müssen die Beurteilungszeitpunkte identisch sein. Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen: § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AufenthG normiert einen Ausschluss von der Duldungserteilung, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei dem Ausländer aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können. Nach Satz 2 der Vorschrift hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nr. 2 insbesondere zu vertreten, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Damit erfasst der Ausschlussgrund des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AufenthG gerade diejenigen Fälle, in denen typischerweise konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen, die eine zeitnahe Durchführung der Abschiebung erwarten lassen, von der Ausländerbehörde nicht eingeleitet werden können. Insbesondere wenn der Ausländer - wie in den Fällen der Nr. 2 üblich - keine Ausweisdokumente seines Heimatstaates vorgelegt hat, setzt die im Vorfeld einer Abschiebung erforderliche Klärung des Zielstaates und dessen Aufnahmebereitschaft grundsätzlich voraus, dass die Identität des Ausländers und seine Staatsangehörigkeit feststehen. Der Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG setzt seinerseits indes voraus, dass der Ausländerbehörde die Einleitung konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung überhaupt möglich ist. Bedingt danach das Eingreifen des Ausschlussgrundes des Vorliegens konkreter aufenthaltsbeendender Maßnahmen das Nichtvorliegen des Ausschlussgrundes des § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, so folgt hieraus, dass der letztgenannte Ausschlussgrund spätestens in dem für die Beurteilung des erstgenannten Ausschlussgrundes maßgebenden Zeitpunkt nicht (mehr) vorliegen darf. [...]