VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Beschluss vom 03.07.2018 - 4 B 314/18 - asyl.net: M26340
https://www.asyl.net/rsdb/M26340
Leitsatz:

Eilrechtsschutz gegen die Abschiebungsandrohung bei Ablehnung des Zweitantrags als unzulässig, da offen ist, ob ein Abschiebungsverbot vorliegt:

1. Die Ablehnung des Zweitantrags als unzulässig (wegen erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens in den Niederlanden) ist rechtmäßig.

2. Allerdings bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung, da offen ist, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegt. Ob ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis wegen fehlender Behandelbarkeit von Morbus Kallmann und PTBS in Afghanistan besteht, muss im Hauptsacheverfahren geprüft werden.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Afghanistan, Suspensiveffekt, Unzulässigkeit, Zweitantrag, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Abschiebungsandrohung,
Normen: AsylG § 71a Abs. 4, AsylG § 36 Abs. 4 S. 1, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, AufenthG § 60 Abs. 7, AsylG § 71a, AsylG § 71a Abs. 1, VwVfG § 51 Abs. 1, VwVfG § 51 Abs. 2, VwVfG § 51 Abs. 3,
Auszüge:

[…]

Vorliegend bestehen zwar keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig. Die Frage, ob der Antragsteller die Voraussetzungen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG erfüllt, sind indes offen. […]

Davon ausgehend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin im Falle des Antragstellers zu Unrecht von einem Zweitantrag i.S.d. § 71a Abs. 1 AsylG ausgegangen ist. […]

Schließlich liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor. […]

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Dem Vortrag des Antragstellers, er habe in seinem Asylverfahren in den Niederlanden aus Scham einen wesentlichen Grund für seine Flucht aus Afghanistan verschwiegen, lässt sich ein Wiederaufgreifensgrund im Sinne von § 51 Abs. 1 VwVfG nicht entnehmen. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller ohne grobes Verschulden außerstande gewesen wäre, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht eingehalten wurde.

b. Die Erfolgsaussichten der Klage sind jedoch offen hinsichtlich der Frage, ob das Bundesamt auch zu Recht die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verneint hat. […]

Unter Berücksichtigung der ärztlichen Stellungnahme des ... Fachklinikums ... vom … 2017 erachtet es die Einzelrichterin als derzeit offen, ob zugunsten des Antragstellers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Staates Afghanistan festzustellen sein wird. Aus der genannten ärztlichen Stellungnahme ergeben sich nicht nur die Diagnosen einer Posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer rezidivierenden mittelgradigen depressiven Episode (ggw. schwere Episode ohne psychotische Symptome), sondern im Weiteren auch, dass der Antragsteller zusätzlich unter dem Syndrom Morbus Kallmann leidet, das einen vollständigen Testosteronmangel nach sich zieht. Diesbezüglich stellen sich die Fragen, ob diese Erkrankung in Afghanistan behandelbar ist und ggf. welche Auswirkungen ein Therapieabbruch für den Antragsteller nach sich ziehen würde. Die Klärung dieser Fragen bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Im Hinblick auf die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung wird zudem voraussichtlich eine persönliche Anhörung des Antragstellers im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erforderlich sein werden.

In dieser Situation, die den Prozessausgang (zum Teil) als offen erscheinen lässt, spricht die vorzunehmende reine Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers. Demnach ist im Ergebnis die aufschiebende Wirkung der Klage in Bezug auf die Abschiebungsandrohung anzuordnen. […]