OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.05.2018 - 3 B 25.17 - asyl.net: M26428
https://www.asyl.net/rsdb/M26428
Leitsatz:

Kein Visum zur Ausbildung als Altenpflegerin wegen abgelaufener Zustimmung der Arbeitsagentur und Verstoßes gegen das Vermittlungsverbot:

1. Liegt eine Vorabzustimmung der Bundesagentur für Arbeit i.S.d. § 36 Abs. 3 BeschV vor, deren Gültigkeit auf sechs Monate beschränkt ist, so muss innerhalb dieses Zeitraums die Erteilung des Visums erfolgen; auf den Zeitpunkt der Vorlage bei der zuständigen Auslandsvertretung kommt es nicht an.

2. Die geänderte Praxis der Bundesagentur, nach der auch Ausbildungen im Pflegebereich unter das Verbot nach § 38 BeschV im Ausland für eine Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen anzuwerben, ist zulässig.

(Leitsätze der Redaktion; Zurückweisung der Berufung, Revision zugelassen)

Schlagwörter: Ausbildung, Visum, nationales Visum, Vorabzustimmung, Pflegeberuf, Zustimmung, Bundesagentur für Arbeit, Verwaltungspraxis, Aufenthaltserlaubnis, Vermittlungsverbot, Kamerun,
Normen: BeschV § 38, AufenthG § 6 Abs. 3, AufenthG § 17 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 39, AufenthG § 39 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 40 Abs. 1 Nr. 1, BeschV § 36 Abs. 3,
Auszüge:

[...]

2. Die Beklagte hat das von der Klägerin begehrte Visum zu Recht versagt. Der Klägerin kann nach § 6 Abs. 3, § 17 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Aus- und Weiterbildung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Hier sind bereits die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt, sodass es auf die Frage nach einer fehlerfreien Ermessensausübung durch die Beklagte nicht mehr ankommt.

Bei der von der Klägerin angestrebten Ausbildung zur Altenpflegerin handelt es sich um eine betriebliche Ausbildung im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (vgl. §§ 3 ff. des Altenpflegegesetzes - AltPflG -), für die gemäߧ 13 Abs. 2 Nr. 5 AltPflG und auch ausweislich des vorgelegten Ausbildungsvertrags eine monatliche Ausbildungsvergütung gezahlt wird. [...]

Die von der Klägerin im Bundesgebiet angestrebte Ausbildung unterliegt gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 AufenthG der Zustimmung durch die Beigeladene. Danach kann ein Aufenthaltstitel, der einem Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt, nur mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt werden, soweit durch Rechtsverordnung nicht etwas anderes bestimmt ist. [...]

Die hier erforderliche und grundsätzlich auch mögliche Zustimmung ist gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu versagen, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer unerlaubten Arbeitsvermittlung oder Anwerbung zustande gekommen ist. Ein derartiges Anwerbungs- und Vermittlungsverbot ist in § 38 BeschV geregelt. Danach darf die Anwerbung in Staaten und die Arbeitsvermittlung aus Staaten, die in der Anlage zu der Beschäftigungsverordnung aufgeführt sind, für eine Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen nur von der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt werden. Der Herkunftsstaat der Klägerin, Kamerun, ist in der Anlage zu § 38 unter Nr. 25 aufgeführt. [...]

Eine wirksame Zustimmung der Beigeladenen liegt hier nicht vor.

Die Gültigkeit der gegenüber dem Ausbildungsträger erteilten Vorab-Zustimmung war auf einen Zeitraum von 6 Monaten ab dem 15. August 2016, d.h. bis zum 15. Februar 2017, beschränkt. [...]

Soweit die Vorab-Zustimmung darüber hinaus eine Passage zu ihrer Wirksamkeit enthält ("Die Zustimmung wird wirksam, wenn sie der Behörde, die für die Erteilung des Aufenthaltstitels zuständig ist, im Original vorliegt."), betrifft dies nicht das ausdrücklich formulierte Ende ihrer Gültigkeit. [...]

Nichts anderes ergibt sich angesichts der Erklärungen, die der Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu einer eventuell fortbestehenden Wirksamkeit der hier streitigen Vorab-Zustimmung abgegeben hat. Soweit er zunächst mitgeteilt hat, die Selbstbindung entfalle, wenn innerhalb von sechs Monaten kein Visumantrag gestellt worden sei, stimmt dies nicht mit den fachlichen Weisungen überein, wonach es für im Ausland lebende Beschäftigte nicht auf die Beantragung des Visums, sondern auf die Einreise in das Bundesgebiet ankommt. [...]

Die Beigeladene muss die derzeit fehlende Zustimmung - die entsprechend ihrer im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geübten Praxis versagt wird - nicht erneut erteilen, denn eine Versagung ist rechtmäßig. Dies hat der Senat bei der Beantwortung der Frage, ob der Klägerin ein Anspruch auf Neubescheidung zusteht, inzident - mit Bindungswirkung für die Beigeladene (§ 121 VwGO) - zu prüfen.

Das Anwerbe- und Vermittlungsverbot des § 38 BeschV greift ein, wenn unter einer "Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen" im Sinne dieser Regelung auch eine Ausbildung zur Altenpflegerin subsumiert werden muss. [...]

Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich der Wortlaut des Begriffs "Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen" nicht zwingend dahingehend verstehen, dass eine Ausbildung hiervon nicht erfasst ist. Auch wenn § 3 AltPflG von einer "Ausbildung in der Altenpflege" und nicht von einem "Beruf in der Altenpflege" spricht, und eine Ausbildung zu einem Beruf etwas anderes sein mag als der Beruf selbst, lässt sich eine Ausbildung zur Altenpflegerin letztlich (auch) als eine Beschäftigung in einem Pflegeberuf verstehen. [...]

Dies gilt auch dann, wenn man § 38 BeschV im Licht der gesetzlichen Regelung des § 17 Abs. 1 AufenthG sieht, weil der mit dieser Regelung normierte Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ggf. unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit steht und der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber insoweit die arbeitsmarktpolitische "Feinsteuerung" überantwortet hat.

Nichts anderes ergibt sich, soweit § 38 BeschV auf dem Verhaltenskodex der WHO für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften - WHA63.16 - beruht. [...]

Schließlich führt auch ein Vergleich mit § 19a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu keinem anderen Ergebnis. Dieser Regelung zufolge kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung bestimmen, für welche Berufe die Erteilung einer blauen Karte EU für Angehörige bestimmter Staaten zu versagen ist, weil im Herkunftsland ein Mangel an qualifizierten Arbeitnehmern in diesen Berufsgruppen besteht. Dadurch soll verhindert werden, dass durch die Anwerbung im Herkunftsland ein Mangel an qualifizierten Arbeitnehmern in diesen Berufen eintritt oder verschärft wird (BT-Drs.17/8682, S. 20). Abgesehen davon, dass § 19a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und § 38 BeschV unterschiedliche Regelungsbereiche betreffen, unterscheidet sich auch der Wortlaut beider Vorschriften, weil § 19a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG enger gefasst ist ("Berufe" statt "Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen"). [...]