AG Erding

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Zitieren als:
AG Erding, Beschluss vom 21.09.2018 - 6 XIV 56/18 (B) - asyl.net: M26629
https://www.asyl.net/rsdb/M26629
Leitsatz:

Weiteres Verfahren bei ungeplanter Spontan-Festnahme:

1. Bei Spontan-Festnahmen muss anschließend unverzüglich eine richterliche Entscheidung eingeholt werden, Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG. Was unverzüglich konkret bedeutet, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Nur in Fällen, in denen das Gericht nicht erreichbar ist, kann eine Festnahme vorläufig  auf § 62 Abs. 5 AufenthG gestützt werden.

2. Die richterliche Vorführung muss spätestens am auf die Festnahme folgenden Tag erfolgen. Eine Vorführung erst am übernächsten Tag ist verspätet, Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG. Die Freiheitsentziehung ist dann ab dem Ablauf des auf die Festnahme folgenden Tages rechtswidrig und löst Schadensersatzansprüche aus.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Festnahme, ungeplante Festnahme, Spontan-Festnahme, Haftbeschluss, Richter, Sicherungshaft, Freiheitsentziehung,
Normen: GG Art. 2 S. 2, GG Art. 104 Abs. 2, AufenthG § 62 Abs. 5 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

Die Ingewahrsamnahme im genannten Zeitraum verletzte den Betroffenen in seinen Grundrechten nach Art. 2 S. 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 2 GG. Nach Art. 104 Abs. 2 GG dürfen Freiheitsentziehungen nur ausnahmsweise ohne vorherige richterliche Anordnung erfolgen. Das AuslG regelt die Voraussetzungen abschließend, unter denen ein Ausländer zum Zweck der Anordnung der Abschiebehaft festgenommen werden kann. Danach kann gem. § 62 Abs. 5 AufenthG die für den Haftantrag zuständige Behörde einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 3 Satz 1 besteht, die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherheitshaft nicht vorher eingeholt werden kann und der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Haft entziehen wird. Außerdem ist der Ausländer unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

Vorliegend lagen die Voraussetzungen des § 62 Abs. 5 Nr. 2 AufenthG nicht vor. Der Betroffene wurde am 18.11.2017 gegen 01:37 Uhr festgenommen. Seine polizeiliche Vernehmung war um 10:31 Uhr beendet. Der Betroffene wurde am 18.11.2017 bis zum Erlass des Haftbefehls am 19.11.2017 in Haft genommen. Die Vorführung vor dem Richter mit anschließendem Erlass eines Haftbeschlusses fand am 19.11.2017 statt. Es kann nicht mehr festgestellt werden, ob eine konkludente Ingewahrsamnahme des gegebenenfalls telefonisch erreichten örtlich unzuständigen Richters am Amtsgericht Rosenheim bis zur Entscheidung des örtlich zuständigen Richters am Amtsgericht Laufen angeordnet wurde.

Damit war festzustellen, dass die Ingewahrsamnahme des Betroffenen in der Zeit vom 18.11.2017 bis zum Erlass des Haftbeschlusses vom 19.11.2017 rechtswidrig war. [...]