VG Kassel

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Zitieren als:
VG Kassel, Beschluss vom 13.08.2018 - 4 L 1374/18.KS - asyl.net: M26737
https://www.asyl.net/rsdb/M26737
Leitsatz:

1. Wechselt ein Ausländer von einem Studium in ein anderes, ist ihm eine weitere Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG nur unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu erteilen.

2. Für die Feststellung, ob einer Wiedereinreise nach erfolgter Abschiebung ein gesetzliches Einreiseverbot entgegensteht, ist das Auswärtige Amt bzw. die Grenzschutzbehörde zuständig und es besteht daher nur diesen gegenüber ein berechtigtes Feststellungsinteresse.

3. Stützt die Ausländerbehörde ihre Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 AufenthG explizit darauf, dass ein gesetzliches Einreiseverbot bestehe, welches sie von Amts wegen zu befristen habe, ist diese Entscheidung keiner Auslegung dahin zugänglich, dass die Behörde auch darüber befunden hat, dass durch sie ein Einreiseverbot verhängt werde.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Studium, Wechsel des Aufenthaltszwecks, Fachrichtungswechsel, Einreise- und Aufenthaltsverbot, Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken, Fachwechsel,
Normen: AufenthG § 16 Abs. 2 S. 4, AufenthG § 16 Abs. 4, AufenthG § 11 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für das nunmehr vom Antragsteller betriebene Studium richtet sich mithin nach § 16 Abs. 4 AufenthG. Zur Überzeugung des Gerichts kann dabei dahingestellt bleiben, ob ein Fall des § 16 Abs. 4 Satz 3 AufenthG vorliegt, weil der Antragsteller die Fachrichtung gewechselt hat, oder ob ein Fall des § 16 Abs. 4 Satz 2 letzte Alternative AufenthG vorliegt, weil der Antragsteller seinen Prüfungsanspruch im Studiengang Angewandte Informatik infolge eines dreimaligen  Nichtbestehens einer Modulprüfung im Januar 2017 unwiederbringlich verloren hatte, dieses mithin ohne Abschluss beendet wurde. Hierauf kommt es für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG nicht entscheidungserheblich an, weil in beiden Fällen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis möglich ist, wenn ein gesetzlicher Anspruch besteht. Unter den gesetzlichen Voraussetzungen vermittelt § 16 Abs. 1 AufenthG indes einen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. [...]

Wird die Befristungsentscheidung mit dem Ziel der Feststellung isoliert angefochten, dass § 11 Abs. 1 AufenthG wegen fehlender Umsetzung des Art. 11 Abs. 1 der RL 2008/15 - RückführungsRL unionsrechtswidrig ist (vgl. bspw. VGH Ba-Wü, Beschluss v. 22.03.2018 - 11 S 2776/17, Juris m.w.Nw.) und daher kein gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot begründen kann, ist diese Rechtsfrage nicht im Verhältnis des Ausländers zu der örtlichen Ausländerbehörde, sondern gegenüber dem Auswärtigen Amt zu klären, wenn - wie im Falle des Antragstellers - das Einreise- und Aufenthaltsverbot allein aufgrund einer Abschiebung entstehen würde und der Ausländer - wie der Antragsteller als kamerunischer Staatsangehöriger gemäß Art. 1 EG-Visa VO i.V. mit deren Anlage I - für das erneute Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein muss. Denn in diesem Fall hat allein das Auswärtige Amt bzw. die zuständige Deutsche Botschaft oder bei sogen. Positivstaatern (Personen, die für Aufenthalte von bis zu drei Monaten keiner Aufenthaltserlaubnis bedürfen) die Grenzschutzbehörde darüber zu entscheiden, ob dem Ausländer aufgrund des Bestehens eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes die Einreise zu verwehren ist. Ob ein entsprechendes Feststellungsinteresse gegenüber der örtlichen Ausländerbehörde bestehen kann, wenn ein sogen. Positivstaater nicht schon an der Grenze zurückgewiesen wird und nunmehr im Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis für einen Daueraufenthalt begehrt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil der Antragsteller nicht zu diesem Personenkreis gehört.

Nach der in der Rechtsprechung und Literatur diskutierten Rechtsauffassung, dass die nach § 11 Abs. 2 AufenthG ergangene Befristungsentscheidung einer Auslegung dahin zugänglich sein könne, dass sie auch eine Entscheidung über das Bestehen eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes enthalten könne, die ihre Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 AufenthG finde, läge allerdings ein gegenüber der örtlichen Ausländerbehörde anfechtbarer Verwaltungsakt vor.

Nach Auffassung des Gerichts bestehen jedoch aus den vom VGH Ba-Wü in seinem Beschluss v. 22.03.2018 - 11 S 2776/17 ausgeführten Gründen (Juris RdNr. 19 ff) Bedenken daran, § 11 Abs. 1 AufenthG dahin auszulegen, dass er - neben der in § 11 Abs. 4 AufenthG der Ausländerbehörde eingeräumten Entscheidungsmöglichkeit - eine Ermächtigungsgrundlage für die behördliche Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes bietet.

Dessen ungeachtet kann zur Überzeugung des Gerichts die vom Antragsgegner getroffen Befristungsentscheidung, die hier lautet "Diese gesetzliche Sperrwirkung wird auf sechs Monate ab dem Datum der Abschiebung befristet", nicht dahin ausgelegt werden, dass die Behörde nicht nur darüber befunden hat, wie lange ein vermeintliches gesetzliches Verbot greifen soll, sondern auch darüber, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt werde, zumal auch der Begründung explizit vorangestellt und zugrunde gelegt worden ist, dass die "Sperrwirkung" "mit der Abschiebung kraft Gesetzes" eintrete und die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von Amts wegen zu befristen sei. [...]