AG Magdeburg

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Zitieren als:
AG Magdeburg, Beschluss vom 16.01.2019 - 160 XIV 255 - asyl.net: M26938
https://www.asyl.net/rsdb/M26938
Leitsatz:

Eine geplante Festnahme zum Zweck der Abschiebung ist ohne richterlichen Haftbeschluss rechtswidrig.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftbeschluss, Freiheitsentziehung, richterliche Anordnung, Ingewahrsamnahme, Sicherungshaft,
Normen: GG Art. 104, AufenthG § 62 Abs. 5, AufenthG § 62 Abs. 3,
Auszüge:

[...]

Gemäß Artikel 104 Abs. 2 Satz 1 GG erfordert jede Freiheitsentziehung grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung, deren Zulässigkeit in Ausnahmefällen Artikel 104 Abs. 2 Satz 2 GG voraussetzt, genügt nur dann, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreicht wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste (vgl. Bundesverfassungsgericht 2 BvR 2367/07, Bundesverfassungsgericht 2 BvR 475/09).

Soweit gemäß § 62 Abs. 5 AufenthG das Festhalten und die vorläufige Ingewahrsamnahme ohne vorherige richterliche Anordnung gestattet, setzt dies jedoch voraus, dass dringende Gründe für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bestehen, die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will. In diesem Fall ist der Betroffene gemäß § 62 Abs. 5 Satz 2 AufenthG unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

Anerkannt ist, dass der Zweck der Freiheitsentziehung bei Abwarten einer richterlichen Entscheidung dann nicht erreicht werden kann und daher die Freiheitsentziehung ausnahmsweise ohne vorherige richterliche Anordnung erfolgen darf, wenn ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer untergetaucht und infolgedessen für die zu diesem Zeitpunkt zuständige Ausländerbehörde nicht mehr greifbar ist, dann nicht absehbar ist, ob später die Abschiebungshaftvoraussetzungen vorliegen und welche Behörde gegebenenfalls für eine Ingewahrsamnahme zuständig sein wird, die Festnahme im Fall des Ergreifens allenfalls abstrakt geplant werden könnte, da weder Aufgriffszeit noch Ort abschätzbar sind (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht 2 BvR 475/09). Für die Entscheidung, ob der Zweck der Freiheitsentziehung bei Abwarten einer richterlichen Entscheidung nicht erreicht werden kann und deshalb die Freiheitsentziehung ausnahmsweise ohne vorherige richterliche Anordnung erfolgen darf, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Freiheitsentziehung abzustellen (vgl. ebenda). Daraus folgt, dass von der Ausländerbehörde konkret geplante Freiheitsentziehungen regelmäßig einer vorherigen richterlichen Anordnung bedürfen und Vollzugsbeamte der Polizei, die von der Ausländerbehörde gebeten worden sind, einen Ausländer im Wege der Amtshilfe in Gewahrsam zu nehmen, sich regelmäßig nicht mit Erfolg darauf berufen können, dass zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung eine richterliche Anordnung nicht mehr rechtzeitig eingeholt werden könne (vgl. ebenda). [...]