LG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 03.04.2019 - 2-29 T 50/19 - asyl.net: M27147
https://www.asyl.net/rsdb/M27147
Leitsatz:

Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft wegen unzulässigem Haftantrag:

1. Der Haftantrag muss gem. § 417 Abs. 2 Nr. 5 FamFG konkrete Angaben zum Verlauf des Verfahrens und eine Darstellung erhalten, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können.

2. Gibt die Behörde in ihrem Haftantrag an, dass der nächste Überstellungsversuch mit Sicherheitsbegleitung zu einem konkreten Datum vorgesehen ist und teilt jedoch die Bundespolizei am folgenden Tag mit, dass keine Sicherheitsbegleitung zur Verfügung steht, so fehlt es an einem zulässigen Haftantrag.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Abschiebung, begleitete Abschiebung, Bundespolizei, Rechtswidrigkeit, Haftantrag, Haftbeschluss, Haftanordnung, Sicherheitsbegleitung, Charterflug, Freiheitsentziehung,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 Nr. 5, AufenthG § 62,
Auszüge:

[...]

Der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 11.02.2019 hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. Die Haftanordnung vom 11.02.2019 war bereits deshalb rechtswidrig, weil es an einem zulässigen Antrag gemäß § 417 Abs. 2 Nr. 4, 5 FamFG fehlt. Der Antrag ist Verfahrensvoraussetzung, sein Vorliegen muss in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen geprüft werden.

Hier hat die antragstellende Behörde zwar im Antrag vom 11.02.2019 ausgeführt, dass der nächste Überstellungsversuch mit Sicherheitsbegleitung für den 28.02.2019 per Flugüberstellung nach Italien vorgesehen, der zeitliche Rahmen erforderlich und ausreichend sei, um die Überstellung nach Italien notfalls mit einer Kleinchartermaßnahme durchzuführen und das die Passage noch abschließend über die Bundespolizei zu organisieren sei.

Demgegenüber finden sich für diesen Vortrag bzw. Prognose keinerlei Anhaltspunkte, dass mit der Planung und Suche für eine Sicherheitsbegleitung überhaupt begonnen wurde. Vielmehr ergibt sich aus der Akte der antragstellenden Behörde lediglich, dass sie erst nach Stellung des Haftantrages eine Anfrage an die Bundespolizei bzgl. einer möglichen Sicherheitsbegleitung versandt hat (Email vom 11.02.2019, Bl. 445 d.A.) und am Folgetag eine negative Mitteilung diesbezüglich erhalten hat.

Zwar mag die Ausführung "Die Passage ist noch abschließend über die Bundespolizei zu organisieren" dem Wortlaut nach theoretisch auch die vorliegende Konstellation umfassen, dass noch keinerlei Organisation oder Kontaktaufnahme stattgefunden hat. Im Zusammenhang mit der Ausführung, dass der nächste Überstellungsversuch mit Sicherheitsbegleitung für den 28.02.2019 per Flugüberstellung nach Italien vorgesehen, der zeitliche Rahmen "erforderlich" und "ausreichend" sei, um die Überstellung nach Italien notfalls mit einer Kleinchartermaßnahme durchzuführen, vermag die Kammer sich des Eindrucks nicht zu erwehren, dass es sich um eine Angabe ohne eine entsprechende Tatsachengrundlage handelt.

Insoweit ist auch nicht nachvollziehbar, warum die antragstellende Behörde scheinbar der Auffassung war, dass der beantragte Haftzeitraum "ausreichend" sei, um notfalls eine Kleinchartermaßnahme bis zu diesem Datum durchzuführen. Eine Anfrage oder Informationsquelle der antragstellenden Behörde, durch wen und bis zu welchem Datum eine solche Maßnahme möglich gewesen wäre, ist der Akte nicht zu entnehmen.

Auch ergibt sich nicht aus der Akte, dass die antragstellende Behörde sich bis zur Antragsstellung überhaupt um einen bestimmten Flug gekümmert hat. Der angegebene "Überstellungsversuch mit Sicherheitsbegleitung für den 28.02.2019" ist nach Aktenlage eine rein fiktive Angabe der antragstellenden Behörde gewesen. Dies ergibt bereits aus der Anfrage der antragstellenden Behörde vom 12.02.2019 (Bl. 452 d.A.) - also nach Antragsstellung. Hierin ersucht die antragstellende Behörde ein Reisebüro um die Buchung eines Fluges: "ich bitte um eine Flugbuchung nach Italien bis zum 28.02.2019 (frühestens ab 21.02.2019)!"

Vor dem Hintergrund dieser Anfrage vom 12.02.2019 ist nicht ersichtlich, wie die antragstellende Behörde bereits am 11.02.2019 zu der Einschätzung gelangte, dass der Zeitraum bis zum 28.02.2019 "erforderlich" und "ausreichend" sei.

Der Haftantrag muss gemäß § 417 Abs. 2 Nr. 5 FamFG konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung enthalten, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können. Vortrag, dass und aufgrund welcher Anhaltspunkte davon auszugehen sein könnte, dass eine Flugbuchung möglich und Sicherheitsbegleitung bis zum 28.02.2019 zur Verfügung stehen könnte, ist in dem Antrag vom 11.02.2019 nicht enthalten.

Spätestens nach der Mitteilung der Bundespolizei vom 12.02.2019 hätte der Betroffene unverzüglich aus der Haft entlassen werden müssen. Die antragstellende Behörde hätte die negative Mitteilung der Bundespolizei unverzüglich dem Amtsgericht zur Prüfung gemäß § 426 Abs. 1, 2 FamFG weiterleiten müssen. [...]