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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 25.04.2019 - 1 C 28.18 - asyl.net: M27398
https://www.asyl.net/rsdb/m27398
Leitsatz:

Verwaltungsgericht muss Unzulässigkeitsgründe des § 29 AsylG selbstständig prüfen; gewöhnlicher Aufenthalt in einem Drittstaat vor Einreise in die Europäische Union sperrt den Erwerb der Eigenschaft als ipso-facto-Flüchtling:

1. Ein Verwaltungsgericht darf einer Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur stattgeben, wenn keiner der in § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AsylG geregelten Unzulässigkeitsgründe vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag ohne erkennbare Befassung mit Unzulässigkeitsgründen beschieden hat. 

2. Voraussetzung für eine Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist die anderweitige Sicherheit in einem sonstigen Drittstaat nach § 27 AsylG. Ein Drittstaat muss sich vom Herkunftsland unterscheiden. (Bei Staatenlosen ist das Herkunftsland das Land des gewöhnlichen Aufenthalts.) Der Drittstaat muss zudem bereit sein, Betroffene wieder aufzunehmen und als Flüchtling anzuerkennen oder anderweitig ausreichenden Schutz gewähren.

3. Nach § 3 Abs. 3 S.1 AsylG ist eine Person, die den Schutz oder Beistand der UNRWA genießt, nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG. Wenn der Schutz oder Beistand jedoch nicht länger gewährt wird, sind gemäß § 3 Abs. 3 S. 2 AsylG wiederum § 3 Abs. 1 und 2 AsylG anwendbar. Es sind dann nicht mehr die allgemeinen Flüchtlingsmerkmale zu erfüllen, sondern die Person ist ohne Nachweispflichten ipso-facto-Flüchtling. 

4. Die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem Drittstaat außerhalb des Mandatsgebiets von UNRWA vor Einreise in die Europäische Union sperrt die Anwendung des § 3 Abs. 3 AsylG, so dass der Erwerb der Eigenschaft eines ipso-facto-Flüchtlings ausgeschlossen ist. Es kommt dann nur noch auf eine Verfolgungswahrscheinlichkeit und die menschenrechtskonforme Behandlung im Land des gewöhnlichen Aufenthalts an.

(Leitsätze der Redaktion)
 

Schlagwörter: Syrien, Aufstockungsklage, Upgrade-Klage, Palästinenser, ipso facto-Flüchtling, UNRWA, gewöhnlicher Aufenthalt, Auslandsaufenthalt, Unzulässigkeit, Drittstaatenregelung,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 3, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 4, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, AsylG § 3 Abs. 3, AsylG § 3 Abs. 1, AsylG § 3 Abs. 2. AsylG § 27, RL 2013/32/EU Art. 35
Auszüge:

[...]

11 1. Das angegriffene Urteil verletzt § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG, weil das Berufungsgericht das Bundesamt zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verpflichtet hat, ohne zuvor zu klären, dass der Asylantrag des Klägers nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG unzulässig ist. Hierzu hätte mit Blick auf den vom Kläger selbst angegebenen, im Tatbestand des Berufungsurteils erwähnten rund einjährigen Zwischenaufenthalt in der Türkei Veranlassung bestanden.

12 1.1 Nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 AsylG betrachtet wird. § 27 AsylG betrifft die Sicherheit vor Verfolgung in einem "sonstigen Drittstaat", womit in der Terminologie des Asylgesetzes ein Staat außerhalb der Europäischen Union gemeint ist. Hat sich ein Ausländer in einem sonstigen Drittstaat, in dem ihm keine politische Verfolgung droht, vor der Einreise in das Bundesgebiet länger als drei Monate aufgehalten, so wird vermutet, dass er dort vor politischer Verfolgung sicher war, es sei denn, er macht glaubhaft, dass eine Abschiebung in einen anderen Staat, in dem ihm politische Verfolgung droht, nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen war (§ 27 Abs. 3 AsylG). Diese Regelung wurde in der Rechtsprechung ursprünglich als Ausdruck einer materiellrechtlichen Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes verstanden (BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2005 - 1 C 29.03 - BVerwGE 122, 376 <386 f.>). Schon unter Geltung der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326 S. 13) und noch vor der Umgestaltung des - vormals als Unbeachtlichkeitsvorschrift ausgestalteten - § 29 AsylVfG in eine Unzulässigkeitsregelung hat das Bundesverwaltungsgericht § 29 AsylVfG jedoch als Umsetzung des verfahrensrechtlichen Konzepts des ersten Asylstaats gemäß Art. 25 Abs. 2 Buchst. b i.V.m. Art. 26 Richtlinie 2005/85/EG (dem entsprechen aktuell Art. 33 Abs. 2 Buchst. b i.V.m. Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU) betrachtet. Damit war für einen materiell-rechtlichen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes kein Raum mehr (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 13.11 - BVerwGE 144, 127 Rn. 16).

13 1.2 Der Prüfung dieses Unzulässigkeitsgrundes im gerichtlichen Verfahren steht nicht entgegen, dass das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ohne erkennbare Befassung mit Unzulässigkeitsgründen in der Sache (hier teilweise sogar positiv) beschieden hat. Ein Verwaltungsgericht darf im Gegenteil auch in einem solchen Fall einer Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur stattgeben, wenn keiner der in § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AsylG geregelten (echten) Unzulässigkeitsgründe vorliegt (so bereits BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 - 1 C 15.18 - Asylmagazin 2019, 113 <115>; a.A. VGH Mannheim, Urteil vom 14. Juni 2017 - A 11 S 511/17 - DVBl 2017, 1312 <1317>). Da diese zwingendes Recht sind, sind ihre Voraussetzungen vor jeder stattgebenden Entscheidung von Amts wegen zu prüfen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu dem nach der Asylverfahrensrichtlinie gebotenen Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Danach ist Art. 46 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU i.V.m. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahin auszulegen, dass das Erfordernis einer umfassenden Ex-nunc-Prüfung, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt, auch die in Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU genannten Gründe für die Unzulässigkeit des Antrags auf internationalen Schutz umfassen kann, wenn das nationale Recht dies erlaubt (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 [ECLI:EU:C:2018:584], Alheto - Rn. 119 ff., 130). Wie der Gerichtshof weiter ausgeführt hat, steht auch das gesetzliche Erfordernis, den Ausländer vor der Anwendung der Unzulässigkeitsgründe hierzu persönlich anzuhören (Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 2013/32/EU, umgesetzt durch § 29 Abs. 2 AsylG), der erstmaligen Prüfung von Unzulässigkeitsgründen im gerichtlichen Verfahren nicht entgegen. Sieht das Gericht Veranlassung, die Zulässigkeit des Asylantrags erstmals infrage zu stellen, ist diese Anhörung vielmehr durch eine persönliche Anhörung des Klägers im gerichtlichen Verfahren zu ersetzen. Bei dieser Anhörung muss das Gericht erforderlichenfalls (entsprechend der Vorgabe des Art. 12 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2013/32/EU für die persönlichen Anhörungen durch die Asylbehörde) einen Dolmetscher hinzuziehen (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 127 f.).

14 1.3 Voraussetzung für eine Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist zum einen, dass es sich bei dem in Betracht gezogenen Staat überhaupt um einen Drittstaat handelt. Drittstaat im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 4, § 27 AsylG bzw. "erster Asylstaat" im Sinne von Art. 33 Abs. 2 Buchst. b, Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU kann nur ein Staat sein, der sich vom Herkunftsland des Betroffenen unterscheidet (siehe auch EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 141). Herkunftsland ist bei Staatenlosen das Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG; vgl. auch Art. 2 Buchst. d und n Richtlinie 2011/95/EU sowie Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2013/32/EU). [...]

15 In materieller Hinsicht muss der Drittstaat bereit sein, den Ausländer wieder aufzunehmen und diesem eine den Anforderungen des § 27 AsylG i.V.m. Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU entsprechende Sicherheit zu gewährleisten. Dafür genügt nicht allein die in § 27 AsylG erwähnte Sicherheit vor politischer Verfolgung; diese Regelung ist vielmehr in unionsrechtskonformer Auslegung durch die in Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU an einen "ersten Asylstaat" gestellten Anforderungen in der Auslegung des EuGH zu ergänzen. Nach dieser Vorschrift ist neben der Wiederaufnahmebereitschaft des betreffenden Staates erforderlich, dass der Antragsteller dort als Flüchtling anerkannt wurde und er diesen Schutz weiterhin in Anspruch nehmen darf oder dass ihm in dem betreffenden Staat anderweitig ausreichender Schutz, einschließlich der Beachtung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung, gewährt wird. Danach muss der Betroffene nicht nur die Garantie haben, dass er in dem Drittstaat wieder aufgenommen wird. Ihm dürfen dort auch weder flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung noch Gefahren drohen, die einen Anspruch auf subsidiären Schutz begründen bzw. die Schwelle des Art. 3 EMRK erreichen. Er muss sich dort in Sicherheit und unter menschenwürdigen Lebensbedingungen so lange aufhalten können, wie es die im Land seines gewöhnlichen Aufenthalts bestehenden Gefahren erfordern (vgl. ähnlich EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 140). [...]

17 3. Führt die gebotene weitere Sachaufklärung zu dem Ergebnis, dass der Asylantrag nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG unzulässig ist, weil entweder die Türkei infolge einer dortigen Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts kein "Drittstaat" ist oder weil die Türkei zwar grundsätzlich als Drittstaat in Betracht kommt, jedoch die materiellen Anforderungen an einen "sonstigen Drittstaat" im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 4, § 27 AsylG nicht erfüllt, wird das Berufungsgericht bei der dann erneut vorzunehmenden materiellen Antragsprüfung folgendes zu beachten haben:

18 Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (im Folgenden: GK) genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aber nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, sind § 3 Abs. 1 und 2 AsylG anwendbar (§ 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG). [...] Die Anwendung des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG, der an Satz 1 der Vorschrift anknüpft und mit diesem eine Einheit bildet, setzt nicht die Erfüllung der allgemeinen Flüchtlingsmerkmale (§ 3 Abs. 1 AsylG, Art. 1 Abschn. A GK, Art. 2 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU) voraus; er enthält vielmehr eine gegenüber § 3 Abs. 1 AsylG/Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK selbstständige Umschreibung der Flüchtlingseigenschaft (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1991 - 1 C 42.88 - BVerwGE 88, 254 <258 f.>). Liegen die Voraussetzungen dieser Regelung vor, ist einem Antragsteller daher auf seinen Antrag ipso facto die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ohne dass dieser nachweisen muss, dass er in Bezug auf das Gebiet, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, eine begründete Furcht vor Verfolgung hat (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 67, 70 ff., 76 und vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 86).

19 3.1 Für den Fall, dass der Kläger seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei hatte, dürfte er sich allenfalls noch auf eine - bisher nicht geltend gemachte - Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG durch die bzw. in der Türkei berufen können, soweit er dort wiedereinreisen könnte (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2005 - 1 C 17.03 - BVerwGE 123, 18 <22 f.>). Die Zuerkennung der ipso facto-Flüchtlingseigenschaft als staatenloser Palästinenser gemäß § 3 Abs. 3 AsylG schiede demgegenüber aus.

20 Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die - zunächst zu prüfende - Ausschlussklausel des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/EU (umgesetzt durch § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG) eng auszulegen und nur erfüllt, wenn der Betroffene den Schutz oder Beistand des UNRWA tatsächlich in Anspruch genommen hat. Ist eine Person beim UNRWA registriert, so ist diese Registrierung grundsätzlich ein ausreichender Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme seiner Hilfe (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - C-31/09 - Rn. 51 f.). Diese Vermutung (oder gar Fiktion), dass ein registrierter Palästinenser den Schutz oder Beistand des UNRWA auch tatsächlich in Anspruch nimmt, kann aber wohl jedenfalls dann nicht mehr greifen, wenn der Betroffene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor der Einreise in die Europäische Union in einem Drittstaat hatte, der nicht zum Einsatzgebiet des UNRWA zählt. In einem solchen Fall ist der Drittstaat zum (neuen) Herkunftsland im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG des Betroffenen geworden und kann ihm die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG (etwa bei Geltendmachung einer Verfolgung durch den Drittstaat) nicht mehr entgegengehalten werden. Spiegelbildlich kann er sich dann aber auch nicht mehr auf den Erwerb einer infolge unfreiwilligen Wegfalls des Beistands bzw. Schutzes von UNRWA entstandenen ipso facto-Flüchtlingseigenschaft berufen (so wohl auch der französische Asylgerichtshof, CNDA, Entscheidung vom 2. November 2016, M. H. nº 16011360 C; anders noch BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1991 - 1 C 42.88 - BVerwGE 88, 254 <266>).

21 In diese Richtung weist bereits die Rechtsprechung des EuGH, nach der der Grund für den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Richtlinie 2011/95/EU nicht nur bei den Personen vorliegt, die zurzeit den Beistand des UNRWA genießen, sondern auch bei denjenigen, die diesen Beistand kurz vor Einreichung eines Asylantrags in einem Mitgliedstaat tatsächlich in Anspruch genommen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 52). Die Wortfolge "kurz vor Einreichung eines Asylantrags" deutet dabei das Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistands des UNRWA und der Asylbeantragung in einem Mitgliedstaat an. Zudem setzt die Annahme einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistands des UNRWA offensichtlich den Aufenthalt in dessen Einsatzgebiet voraus.

22 Dafür, dass jedenfalls die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem Drittstaat außerhalb des Mandatsgebiets von UNRWA vor Einreise in die Europäische Union eine Anwendung des § 3 Abs. 3 AsylG sperrt, sprechen auch allgemeine flüchtlingsrechtliche Grundsätze. Anknüpfungspunkt der flüchtlingsrechtlichen Prüfung ist bei Staatenlosen das Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG, Art. 2 Buchst. d und n Richtlinie 2011/95/EU). Dem entspricht, dass die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. f Richtlinie 2011/95/EU, umgesetzt durch die Widerrufsregelung in § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylG, bei Staatenlosen nur erlischt, wenn der Betroffene nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt wurde, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im Fall der ipso facto-Flüchtlingseigenschaft erfordert das Erlöschen eine Rückkehrmöglichkeit in das Einsatzgebiet des UNRWA, in dem der gewöhnliche Aufenthalt bestand (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 77). [...]