OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 03.06.2019 - 7 B 10435/19, 7 D 10437/19 - asyl.net: M27647
https://www.asyl.net/rsdb/M27647
Leitsatz:

Versagungsgründe für Ausbildungsduldung sperren Erteilung einer Ermessensduldung:

1. Scheitert die Erteilung einer Ausbildungsduldung an der Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat gem. § 60a Abs. 2 S. 6, scheidet erst recht die Erteilung einer sog. Ermessensduldung wegen dringender persönlicher Gründe aus, wenn diese zu Zwecken der Ausbildung erteilt werden soll.

2. Dies gilt auch für eine Ausbildung, die bereits zuvor erlaubt war. Die Erlaubnis entfaltet keine Bindungswirkung im Aufenthaltsrecht, sondern steht unter Vorbehalt der gesetzten Fristen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Ausbildung, Duldung, Straftat, Versagungsgrund, Ermessensduldung, Erlaubnis, Bindungswirkung,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2 S. 6, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 3, AufenthG § 60 Abs. 2 S. 4
Auszüge:

[...]

6 Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner durch eine einstweilige Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller für die Dauer seiner Ausbildung zu dulden.

7 Eine Duldung zu diesem Zweck ist nach den in Betracht kommenden Regelungen nicht möglich. Nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende persönliche Gründe seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Nach dem folgenden Satz 4 ist eine Duldung wegen dieser Gründe zu erteilen, wenn der Ausländer eine näher bezeichnete Berufsausbildung aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen für die Versagung einer Arbeitserlaubnis nicht vorliegen und Abschiebemaßnahmen nicht bevorstehen. Eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG scheitert hier am Versagungsgrund in § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG. Sie wird danach nicht erteilt, wenn der Ausländer wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat verurteilt wurde, wobei eine von geringem Umfang außer Betracht bleibt. Das Verwaltungsgericht hat dargelegt, weshalb dieser Versagungsgrund gegeben ist; insoweit wird auf den angegriffenen Beschluss Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

8 Die Erteilung einer Duldung ausschließlich auf der Basis von § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG scheidet aus. Ihr stehen ebenfalls die Straftaten des Antragstellers entgegen. Der Ausschlussgrund in § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG greift auch bei einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG, sofern sie für eine Ausbildung erteilt werden soll. Für eine solche Duldung müssen mit Ausnahme der Anforderungen an eine qualifizierte Berufsausbildung sämtliche Voraussetzungen für eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG erfüllt sein und es dürfen keine der dort aufgeführten Versagungsgründe vorliegen (vgl. Beschluss des Senats vom 15. Februar 2019 – 7 B 10169/19.OVG –, n. veröff.). Erst recht darf nicht – wie hier – der spezielle Versagungsgrund in § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG vorliegen. Denn nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll eine Duldung zur Berufsausbildung nicht erteilt werden, wenn der Betroffene wegen einer vorsätzlichen Straftat oberhalb der festgelegten Bagatellgrenze verurteilt wurde (s. die Begründung zur Neufassung von § 60a Abs. 2 Satz 4 ff. AufenthG im Entwurf eines Integrationsgesetzes, BT-Drs. 18/8615, S. 48). Dabei wird nicht zwischen qualifizierter und sonstiger Berufsausbildung unterschieden. Gestützt wird die Auffassung zur Sperrwirkung von § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG durch die Gesetzessystematik. Wenn die für eine qualifizierte Berufsausbildung zu erteilende Duldung am Versagungsgrund vorsätzlicher Straftaten scheitern kann, muss dies im Fall einer Ermessensduldung für eine sonstige Ausbildung ebenso gelten. Ansonsten wäre die gebundene Entscheidung stärkeren Einschränkungen ausgesetzt als die im Ermessen stehende, obschon beide demselben Zweck dienen, nämlich dem öffentlichen Interesse an der Gewinnung von Fachkräften.

9 Selbst wenn man den speziellen Versagungsgrund in § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG bei einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG nicht unmittelbar anwenden würde, hat der Antragsteller keinen Anspruch auf eine Duldung. Denn der Versagungsgrund ist in die Ermessenserwägung einzubeziehen und hat dort erhebliches Gewicht. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll, wenn die Voraussetzungen des Versagungsgrundes gegeben sind, das Interesse an der Fachkräftegewinnung regelmäßig hinter demjenigen an der Abschiebung von Straftätern zurücktreten (vgl. VGH BW, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 11 S 1298/18 –, juris, Rn. 17). Interessen des Antragstellers, die eine Umkehr der gesetzgeberischen Regelannahme rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Seine Ausbildung als solche kommt nicht in Betracht, da das Interesse daran nach den Vorstellungen des Gesetzgebers geringeres Gewicht hat als das Interesse an der Abschiebung des straffällig gewordenen Antragstellers. Das Interesse an der Ausbildung gewinnt kein zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie einmal erlaubt war. Die jeweiligen Erlaubnisse wurden im Zusammenhang mit befristeten Aufenthaltsgestaltungen oder Duldungen erteilt. Die Beendigung der Ausbildung stand somit unter dem Vorbehalt der gesetzten Fristen. Zudem entfaltet eine Erlaubnis zur Ausbildung während eines Asylverfahrens keine Bindungswirkung im Aufenthaltsrecht. Sie folgt anderen Regeln als die Erteilung einer (Ausbildungs-) Duldung im Aufenthaltsrecht. Letztere ist nur unter spezifisch aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen vorgesehen (vgl. VGH BW, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 11 S 1298/18 –, juris, Rn. 13). [...]