OLG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 19.09.2019 - 20 W 311/18 - Asylmagazin 12/2019, S. 435 f. - asyl.net: M27735
https://www.asyl.net/rsdb/M27735
Leitsatz:

Keine Ablehnung der Eintragung des Vaters in das Geburtenregister nach notariell beurkundeter Vaterschaftsanerkennung:

1. Wird eine Vaterschaftsanerkennung notariell beurkundet, kann das Standesamt die Eintragung des Kindesvaters in das Geburtsregister nicht aus dem Grund ablehnen, es gebe Hinweise auf eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung nach § 1597a BGB. Denn diese Vorschrift wirkt präventiv und ist somit lediglich vor der Beurkundung anwendbar.

2. Da § 1598 Abs. 1 BGB eine Spezialregelung ist, stehen dem auch nicht die Regelungen des Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln, wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder wegen Sittenwidrigkeit entgegen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Vaterschaftsanerkennung, Wirksamkeit, Beurkundung, Nichtigkeit, Vaterschaftsanfechtung, Eintragung ins Geburtenregister, missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft, Geburtsurkunde,
Normen: BGB § 1597a,
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg, da der Beteiligte zu 2 aufgrund des vorgelegten notariell beurkundeten Vaterschaftsanerkenntnisses vom ... 2017 nach § 1592 Nr. 2 BGB als Vater des Kindes anzusehen und deshalb als solcher in das Geburtenregister einzutragen ist.

Gemäß § 1598 Abs. 1 BGB ist die Anerkennung der Vaterschaft nur dann unwirksam, wenn sie den Erfordernissen nach § 1594 Abs. 2 bis 4 und der §§ 1595 bis 1597 BGB nicht genügt oder entgegen § 1597a Abs. 3 BGB während der Aussetzung der Beurkundung vor einer anderen beurkundenden Behörde gemäß § 1597a Abs. 2 S. 1 BGB erfolgt ist.

Bei § 1598 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine Spezialregelung, durch welche die Gründe, die zu einer Unwirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung führen können, abschließend auf die dort ausdrücklich genannten Gründe bzw. Rechtsverletzungen beschränkt wird. Mit dieser Regelung soll im Interesse der rechtspolitisch erwünschten baldigen und endgültigen Klarstellung des Status des Kindes und einer diesbezüglichen Rechtssicherheit die Anwendbarkeit aller anderen allgemeinen Unwirksamkeitsgründe ausgeschlossen werden. Damit sind insbesondere die Regelungen des Allgemeinen Teils des BGB über die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln nach §§ 116 bis 119 und 123 sowie wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB oder einer Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nicht anwendbar (Beck OGK BGB/Balzer, § 1598 BGB - RN 7; MüKo-BGB/Wellenhofer, 7. Aufl., § 1598 RN 18; Palandt/Brudermüller, BGB, 78. Aufl., § 1598 RN 1-4; Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl., § 1598 BGB RN 1; Schulz/Hauß/Stern, Familienrecht, 3. Aufl., § 1598 BGB RN 1; Erman/Hammermann, BGB, 15. Aufl. § 1598 RN 1/2; BRHP/Hahn, BGB, 4. Aufl., § 1598 RN 1/2).

Unwirksamkeitsgründe nach den in § 1598 Abs. 1 BGB ausdrücklich aufgeführten Vorschriften sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben.

Zwar ist in § 1597a Abs. 1 BGB bestimmt, dass die Vaterschaft nicht gezielt gerade zu dem Zweck anerkannt werden darf, die rechtlichen Voraussetzungen den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter zu schaffen, auch nicht, um die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 S. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes zu schaffen (missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft).

Der Senat teilt des Weiteren in tatsächlicher Hinsicht die Einschätzung des Standesamtes und des Amtsgerichts, dass nach den eingangs geschilderten Gesamtumständen im vorliegenden Fall jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer derartigen missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft vorliegen dürften.

Mit der durch das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780) eingeführten Neuregelung des § 1597a BGB hat der Gesetzgeber auf die vorausgegangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 (FamRZ 2013, 449) reagiert, mit welcher die durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313) mit Wirkung zum 01. Juni 2008 neu eingeführte Regelung eines behördlichen Rechts zur Anfechtung eines Vaterschaftsanerkenntnisses in § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB a.F. für verfassungswidrig und nichtig erklärt worden war. Dabei hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 1597a BGB bewusst einen präventiven Ansatz gewählt, um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen bereits im Vorfeld mithilfe einer Missbrauchskontrolle durch die Ausländerbehörde zu verhindern; damit soll erreicht werden, dass die daran anknüpfenden statusrechtlichen Folgen erst gar nicht zur Entstehung gelangen (vgl. BT-Drucks. 18/12415 S. 1/16). Zu diesem Zweck wurde deshalb eine Verpflichtung der mit der Beurkundung von Vaterschaftsanerkenntnissen befassten Behörden und Notare zur Aussetzung des Beurkundungsverfahrens eingeführt, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft im Sinne des § 1597a Abs. 1 BGB bestehen, für deren Vorliegen zugleich - allerdings nicht abschließend - enumerativ in § 1597 Abs. 2 S. 2 Nr. 1-5 BGB typische Anzeichen aufgelistet werden. Zugteich ist das Bestehen konkreter Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft nach Anhörung des Anerkennenden und der Mutter der nach § 85a AufenthaltsG zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, welche sodann nach § 1597a Abs. 3 S. 4 BGB festzustellen hat, ob eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft in diesem Sinne vorliegt und eine Beurkundung deshalb zu unterbleiben hat. Ist diese Entscheidung der Ausländerbehörde unanfechtbar, so ist die Beurkundung abzulehnen.

Über das präventive Aussetzungsverfahren hinausgehende Rechtsfolgen hat der Gesetzgeber aber gerade nicht vorgesehen. Insbesondere wird in der Spezialregelung des § 1598 Abs. 1 BGB bei der Aufzählung der Unwirksamkeitsgründe nur auf die Absätze 3 und 4 des § 1597a BGB verwiesen, nicht jedoch auf dessen Absatz 1. Zudem wurde ein zusätzliches Verfahren zur Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung im Sinne des § 1597a Abs. 1 BGB durch das Standesamt bei der Eintragung des Vaters in das Geburtenregister nicht vorgesehen (vgl. hierzu Schwomberg, StAZ 2018, 5/7). Dabei ist der Gesetzesbegründung eindeutig zu entnehmen, dass es sich hierbei nicht um ein bloßes Versehen des Gesetzgebers gehandelt haben kann. Denn in der Begründung zur entsprechenden Änderung des § 1598 BGB im Entwurf des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht ist ausdrücklich erläutert, dass die Unwirksamkeit in diesem Zusammenhang auf die Fälle der Verletzung der Verfahrensvorschriften der Abs. 3 und 4 des § 1597a BGB beschränkt sein soll. Wörtlich ist dort weiter ausgeführt: "Hat dagegen die Ausländerbehörde oder die Auslandsvertretung festgestellt, dass eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung oder Zustimmung nicht vorliegt oder hat die beurkundende Behörde oder die Urkundsperson keine konkreten Anhaltspunkte für einen Missbrauch festgestellt und ist deshalb die Beurkundung vorgenommen worden, so bleiben die Anerkennung und die Zustimmung auch dann wirksam, wenn später konkrete Anhaltspunkte dafür bekannt werden, dass sie entgegen Abs. 1 missbräuchlich gewesen sein könnten." Nach der derzeit bestehenden Gesetzeslage bleiben die Vaterschaftsanerkennung und die hierzu erfolgte Zustimmung auch dann wirksam, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft gemäß § 1597a Abs. 1 BGB erst nach Vornahme der Beurkundung zu Tage treten oder der diesbezügliche Sachverhalt vom Standesamt anders als durch die Urkundsperson beurteilt wird (vgl. Schulz/Hauß/Stern, a.a.O., § 1598 RN 2; Erman/Hammermann, a.a.O., § 1598 RN 4c; BayVGH, Urteil vom 11. März 2019 - BV 16.937). [...]

Gleichwohl ist nach der bestehenden Gesetzeslage jedoch die im vorliegenden Fall bereits erfolgte, formell ordnungsgemäß beurkundete und nach § 1598 Abs. 1 BGB nicht unwirksame Anerkennung der Vaterschaft vom Standesamt in das Geburtenregister einzutragen, so dass auf die vorliegende Zweifelsvorlage eine entsprechende Anweisung zu erfolgen hatte. [...]