Bundesministerium des Innern

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Zitieren als:
Bundesministerium des Innern, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 09.04.2020 - M3-51000/2#5 - asyl.net: M28335
https://www.asyl.net/rsdb/M28335
Leitsatz:

Ergänzende Hinweise zu den BMI-Empfehlungen vom 25.03.2020 (asyl.net: M28268) - aufenthaltsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie:

1. Wenn bei Aufenthalten im Ausland eine rechtzeitige Wiedereinreise nach Deutschland aufgrund bestehender Reisebeschränkungen nicht möglich ist, kann der Antrag auf Verlängerung eines bestehenden Aufenthaltstitels auch aus dem Ausland formlos per E‑Mail bei der zuständigen Ausländerbehörde gestellt werden. Bei Antragstellung vor Ablauf des Aufenthaltstitels tritt die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG ein. Eine entsprechende Fiktionsbescheinigung sollte mit einer Geltungsdauer zwischen zwei bis sechs Monaten versehen werden.

2. Zwar soll weiterhin an der Passpflicht als Erteilungsvoraussetzung für Aufenthaltstitel festgehalten werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG). In Ausnahmefällen, wenn konsularische Tätigkeiten von der Auslandsvertretung des Herkunftsstaats eingeschränkt wurden, können auch Verlängerungsvermerke oder Stempel in abgelaufenen Pässen oder pauschale Verlängerungserklärungen akzeptiert werden.

3. Bei der Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu Studienzwecken soll vorübergehend auf den Nachweis der Lebensunterhaltssicherung verzichtet werden. Da für ausländische Studierende aufgrund des eingeschränkten Lehrbetriebs die Möglichkeit besteht, weitere Jobs auszuüben, sollen hierfür Beschäftigungserlaubnisse erteilt werden, auch wenn der Zeitraum der Beschäftigung damit über die gesetzlich vorgesehene Dauer von 120 Tagen pro Jahr hinausgeht. Studienverzögerungen, die sich aufgrund des eingeschränkten Lehrbetriebs ergeben, sollen bei Titelverlängerung nicht zu Lasten der Betroffenen gehen.

4. Personen mit Aufenthaltstitel zum Zweck der Berufsausbildung und des Schulbesuchs soll ermöglicht werden, Prüfungen zu einem späteren Zeitpunkt abzulegen, gegebenenfalls auch noch nach Ablauf des Titels. Dies gilt auch bei der Ausbildungsduldung.

5. Bei Wegfall des Aufenthaltszwecks (z.B. aufgrund eines Verlusts des Arbeitsverhältnisses) und entsprechend vorzunehmender nachträglicher Befristung des Titels haben die Ausländerbehörden einen weiten Ermessensspielraum, der sachgerecht ausgeschöpft werden soll (z.B. Berücksichtigung von in Aussicht stehender Arbeitsstelle, ALG I-Bezug). Der Bezug von Kurzarbeitergeld und ALG I soll keine negativen Auswirkungen auf bestehende Aufenthaltstitel haben.

6. Nach einer am 9. April 2020 in Kraft getretenen Verordnung werden Personen mit abgelaufenen Schengen-Visa bis zum 30. Juni 2020 vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit (asyl.net: M28332. Personen, die sich am 17. März 2020 bereits mit einem Schengen-Visum in Deutschland aufgehalten haben oder die danach mit einem Schengen-Visum eingereist sind, halten sich demnach bis zum 30. Juni 2020 legal in Deutschland auf. Ihnen ist laut Verordnung bis zum 30. Juni 2020 die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Siehe auch:

Schlagwörter: Weisung, Bundesministerium des Innern, Corona-Virus, Verlängerungsantrag, Studium, Passpflicht, Berufsausbildung, Schulbesuch, Qualifizierung, Einstiegsqualifizierung, Entsendung von Arbeitnehmern, Aufenthalt zum Zweck der Arbeitssuche, Fachkräfteeinwanderung, Ovid-19-Pandemie, Schengen-Visum, Fiktionsbescheinigung, Wiedereinreise
Normen: AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 4, AufenthG § 16, AufenthG § 16c, AufenthG § 16d, AufenthG § 17, AufenthG § 18a, AufenthG § 18e, AufenthG § 18f, AufenthG § 19, AufenthG § 19a, AufenthG § 19b, AufenthG § 20, AufenthG § 60c, AufenthG § 81 Abs. 4 S. 1, AufenthG § 81a
Auszüge:

[...]

1. Ablauf des Aufenthaltstitels während des Aufenthaltes im Ausland

Drittstaatsangehörige Ausländer, deren Aufenthaltstitel während ihres Auslandsaufenthaltes abläuft und denen eine rechtzeitige Ausreise nach Deutschland wegen der bestehenden Reisebeschränkungen nicht möglich war, können einen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 81 Absatz 1 AufenthG wie einen Verlängerungsantrag aus dem Inland formlos, also auch per E-Mail stellen. Sofern der Antrag vor Ablauf des Aufenthaltstitels gestellt wird, tritt damit die gesetzliche Fiktionswirkung des § 81 Absatz 4 Satz 1 AufenthG ein. [...]

Die Fiktionsbescheinigung sollte mit einer Geltungsdauer zwischen zwei bis sechs Monaten versehen werden.

Das beschriebene Verfahren findet auch Anwendung, wenn der Aufenthaltstitel zum Zeitpunkt des Verlängerungsantrags bereits abgelaufen ist und die Ausländerbehörde die Fortgeltungswirkung nach § 81 Absatz 4 Satz 3 AufenthG angeordnet hat. [...]

Aufgrund der aktuellen besonderen Umstände können allerdings auch zeitlich befristete Verlängerungsvermerke/Stempel in abgelaufenen Pässen oder Erklärungen der Staaten zur pauschalen Verlängerung aller abgelaufenen Pässe die Erfüllung der Passpflicht begründen, wenn eine Neuausstellung krisenbedingt nicht möglich sein sollte. Die zeitliche Befristung solcher Vermerke oder Erklärungen sollte dabei eine Dauer von grundsätzlich sechs Monaten nicht überschreiten. In der o.a. Rundnote des AA an die Auslandsvertretungen wird auch an die Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung erinnert, sich um die Ausstellung von Pässen bzw. Ausweispapieren ihrer eigenen Staatsangehörigen zu bemühen.

Daher kann nur in begründeten Ausnahmefällen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Absatz 1 Nummer 4 AufenthG abgesehen werden, wenn Ausländerbehörden Erkenntnisse vorliegen, dass eine konsularische Betreuung tatsächlich nicht möglich ist.

3. Aufenthalt zum Zwecke des Studiums

Die für eine Aufenthaltserlaubnis zum Studium erforderliche Zulassung einer Hochschule fällt durch die aktuellen Einschränkungen im Lehrbetrieb der Hochschulen aufgrund der Covid 19-Pandemie nicht weg. Die Einschränkungen lösen gegenwärtig keinen unmittelbaren Handlungsbedarf in Bezug auf bestehende Aufenthaltserlaubnisse zum Zweck des Studiums aus und stellen keinen Grund für eine nachträgliche Befristung des Aufenthaltstitels dar.

Soweit in Einzelfällen aktuell eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erforderlich ist, sollte auf den Nachweis der Lebensunterhaltssicherung vorübergehend dann verzichtet werden, wenn dieser in der Vergangenheit durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert wurde und Covid 19-bedingt derzeit keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden kann. Soweit der Lebensunterhalt durch z.B. die Eltern im Herkunftsstaat gesichert wurde, kann darauf verzichtet werden, wenn auch bei diesen durch die Covid 19-Pandemie Einkommenseinschränkungen bestehen. [...]

Durch die Einschränkungen im Lehrbetrieb der Hochschulen können sich für Studierende mehr Beschäftigungsmöglichkeiten bieten, als diesen nach dem gesetzlich erlaubten Umfang von 120 ganzen oder 240 halben Tagen nach § 16b Absatz 3 AufenthG erlaubt ist. Damit diese Beschäftigungsmöglichkeiten genutzt werden können, sollten die erforderlichen Beschäftigungserlaubnisse, die grundsätzlich der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) bedürfen, erteilt werden. Hierbei ist insbesondere die Globalzustimmung der BA vom 2. April 2020 für die darin genannten Beschäftigungen in der Erntehilfe zu berücksichtigen.

Für die Aufenthaltshöchstdauer zu Studienzwecken gilt auch nach den Neuregelungen durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wie bisher ein Aufenthalt von bis zu zehn Jahren als angemessener Zeitraum, in dem ein Studienabschluss erreicht werden kann. Bei der Entscheidung über die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums hat die Ausländerbehörde alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, die zu einer Verzögerung des Studiums geführt haben. Soweit bedingt durch die Corona-Pandemie Einschränkungen im Lehrbetrieb der Hochschulen zu einer Verlängerung der Studienzeit geführt haben, sind diese als nicht vom Studierenden zu vertretende Umstände zu berücksichtigen. 4. Aufenthalt zum Zweck der Berufsausbildung und des Schulbesuchs Kammern und Innungen wurde empfohlen, alle Berufsprüfungen (Abschluss- und Gesellenprüfungen inklusive Teile von gestreckten Prüfungen, Zwischenprüfungen, Meister- und sonstige Fortbildungsprüfungen) vorerst abzusagen. Die Ausbildungszeit verlängert sich dadurch nicht automatisch; die zuständige IHK kann aber auf Antrag des Auszubildenden die Ausbildungsdauer verlängern, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen.

Unabhängig davon, ob ein solcher Antrag gestellt und bewilligt wurde, soll den Auszubildenden die Möglichkeit zum Ablegen der Prüfung gegeben werden, auch wenn die neuen Prüfungstermine erst für ein Datum nach Ablauf des bestehenden Aufenthaltstitels festgelegt werden.

Dies gilt entsprechend auch für die Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG (vgl. Nummer 60c.3.2 der Anwendungshinweise des BMI vom 20.12.2019 in entsprechender Anwendung auch in dem Fall, dass eine Verlängerung nicht beantragt wurde).

Für schulische Berufsausbildungen und den Schulbesuch gelten die obigen Ausführungen in Bezug auf Prüfungen und den Abschluss der Ausbildung sowie die Ausführungen zu Studierenden zum Fortbestand des Aufenthaltstitels entsprechend.

5. Aufenthaltstitel nach § 16d AufenthG bei vorübergehenden Unterbrechungen von Qualifizierungsmaßnahmen

Wenn bei Aufenthaltstiteln nach § 16d AufenthG aufgrund der Covid-19-bedingten Unterbrechungen bzw. Verzögerungen vorübergehend keine Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt und das Anerkennungsverfahren nicht weiter vorangebracht werden können, ist dies unschädlich. Zudem können Titelinhaber während der Unterbrechungen bzw. Verzögerungen mit Zustimmung der BA weiterhin in im Zusammenhang mit der erstrebten Qualifikation stehenden Berufen beschäftigt werden, wenn sie aufgrund ihres theoretischen und praktischen Ausbildungsstandes die dafür erforderlichen Kenntnisse besitzen. [...]

6. Aufenthaltstitel mit gesetzlicher Höchstaufenthaltsdauer (Anwendung der Nummer 1 des Rundschreibens vom 25.03.2020)

Nummer 1 des Rundschreibens des BMI vom 25. März 2020 ist bis zur Wiederaufnahme von Ausreisemöglichkeiten auch dann auf Aufenthaltstitel, für die eine gesetzliche Höchstaufenthaltsdauer besteht, anzuwenden, wenn der Zeitraum, für den der jeweilige Aufenthaltstitel längstens erteilt werden kann, nach dem 16. März 2020 ausgelaufen ist oder in Kürze ausläuft. [...]

7. Aufenthaltsrechte zur Mobilität im Rahmen des Studiums sowie zur kurzfristigen Mobilität für Forscher und unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer

Das BAMF kann die von ihm erteilte Bescheinigung über die Berechtigung zur Einreise und zum Aufenthalt bei der Mobilität im Rahmen des Studiums (§ 16c AufenthG), der kurzfristigen Mobilität für Forscher (§ 18e AufenthG) und der kurzfristigen Mobilität für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer (§ 19a AufenthG) bis zu 90 Tage über die Gültigkeit des vom ersten Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitels hinaus verlängern, wenn der Ausländer das BAMF darüber informiert, dass die Rückkehr aufgrund der geltenden Reisebeschränkungen derzeit nicht möglich ist. Die Bescheinigung soll vom BAMF mit der Aufforderung versehen werden, die Nachweise zur Verlängerung des Aufenthaltszwecks und des Aufenthaltstitels (im ersten Mitgliedstaat) nachträglich beizubringen. [...]

In der derzeitigen Pandemie-Situation sollten die Ausländerbehörden bei Vorabzustimmungen nach § 81a Absatz 3 Satz 1 Nummer 6 AufenthG grundsätzlich eine Gültigkeitsdauer von sechs Monaten festlegen, um eine Nutzung auch für die Fälle zu ermöglichen, in denen derzeit aufgrund der geltenden Einreisebeschränkungen von den Auslandsvertretungen keine nationalen Visa ereilt werden. [...]

10. Vorübergehende Befreiung von Inhabern ablaufender Schengen-Visa

Wie im Länderrundschreiben vom 25. März 2020 unter Nummer 5 angekündigt, erlässt BMI eine Rechtsverordnung, mit der die Fälle ablaufender Schengen-Visa geregelt werden. [...]

Mit der Verordnung werden die Inhaber ablaufender Schengen-Visa bis zum 30. Juni 2020 vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Eine Erwerbstätigkeit, die die Betroffenen rechtmäßig mit ihrem Schengen-Visum ausgeübt haben oder hätten ausüben können, dürfen sie auch nach Ablauf des Schengen-Visums bis zum 30. Juni 2020 ausüben. [...]