BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 14.01.2020 - 1 A 3.19 - asyl.net: M28395
https://www.asyl.net/rsdb/M28395
Leitsatz:

Zur "besonderen Gefahr" für Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG:

Eine Gefahr im Sinne des § 58a AufenthG kann auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst - gar vollständig oder nachhaltig - ideologisch radikalisiert ist, er sich jedoch von Dritten im Wissen um deren ideologische Zwecke für entsprechende Gewalthandlungen instrumentalisieren lässt.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Abschiebungsanordnung, besondere Gefahr für die Sicherheit, terroristische Gefahr, Gefährder, Islamismus, Islamischer Staat,
Normen: AufenthG § 58a,
Auszüge:

[...]

22 2. Nach § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. [...]

27 2.5 Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. [...]

33 2.6 § 58a AufenthG erlaubt Maßnahmen nur zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr, die im vorbeschriebenen Umfang durch eine (vorrangig) ideologisch radikalisierte, insbesondere politisch oder religiös geprägte Gewaltanwendung oder -drohung gekennzeichnet ist. Fehlt es an einer ideologisch radikalen Prägung, ist einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch einen Ausländer auch bei drohenden Straftaten von erheblicher Bedeutung mit den Mitteln des Ausweisungsrechts (§§ 53 ff. AufenthG) oder nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht zu begegnen; hinzu tritt der Rechtsgüterschutz durch eine konsequente Verfolgung begangener Straftaten (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2019 - 1 VR 1.19 - NVwZ-RR 2019, 971 Rn. 17).

Die ideologische Prägung der drohenden Gewaltanwendung muss dabei nicht notwendigerweise in der eigenen Überzeugung des Ausländers begründet liegen. Eine Gefahr im Sinne des § 58a AufenthG kann mit Blick auf die geschützten Rechtsgüter vielmehr auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst - gar vollständig oder nachhaltig - ideologisch radikalisiert ist, er sich jedoch von Dritten im Wissen um deren ideologische Zwecke für entsprechende Gewalthandlungen instrumentalisieren lässt. [...]