VG Chemnitz

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Zitieren als:
VG Chemnitz, Gerichtsbescheid vom 13.05.2020 - 6 K 670/18.A - asyl.net: M28433
https://www.asyl.net/rsdb/M28433
Leitsatz:

Keine Asylantragsablehnung als unzulässig bei einer in Griechenland schutzberechtigten Familie mit zwei Kleinkindern:

Die Unzulässigkeitsentscheidung hat angesichts der Aufnahmebedingungen für besonders Schutzbedürftige in Griechenland keinen Bestand.

Eine Unzulässigkeitsentscheidung kann auch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dann nicht ergehen, wenn eine Verletzung der Rechte aus Art 4 GR-Charta und Art 3 EMRK droht.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Griechenland, internationaler Schutz in EU-Staat, Drittstaatenregelung, Unzulässigkeit, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4,
Auszüge:

[...]

1. Die grundlegende Entscheidung der Beklagten mit Bescheid vom 06.04.2018, die Asylanträge der Kläger nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abzulehnen, kann angesichts der die Kläger in Griechenland erwartenden Aufnahmebedingungen unter Berücksichtigung der besonderen individuellen Verletzlichkeit der Kläger keinen Bestand haben.

Insoweit bedarf die Frage, ob der Entscheidung der Beklagten mit Bescheid vom 06.04.2018 zudem § 37 Abs. 1 AsylG entgegensteht, keiner weiteren Darlegung.

a) Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat.

Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind unzweifelhaft gegeben. Der internationale Schutz nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG umfasst sowohl den Flüchtlingsschutz, als auch den subsidiären Schutz. Gemäß den Feststellungen der Beklagten haben die Kläger in Griechenland bereits internationalen Schutz erhalten. Dies wird auch von den anwaltlich vertretenen Klägern nicht in Abrede gestellt.

b) Neben den geschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat die Beklagte für ihre Entscheidung jedoch auch die Aufnahmebedingungen in dem anderen Mitgliedstaat zu beachten.

Über den Wortlaut des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hinaus ist die Beklagte an der Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gehindert, sollten die Lebensverhältnisse, die den Asylantragsteller in dem anderen Mitgliedstaat als anerkannten international Schutzberechtigten erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GrCH (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) beziehungsweise Art. 3 EMRK (Konvention vom 04.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) zu erfahren (vergl. EuGH, Beschluss vom 13.11.2019, Az.: C-540/17, juris Rn. 43; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.01.2020, Az. 11 A 2480/19.A, juris Rn. 6; Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 16.03.2020, Az. 10 K 875/19.A, juris Rn. 30). [...]