LG Ingolstadt

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Zitieren als:
LG Ingolstadt, Beschluss vom 30.06.2020 - 31 T 320/20 - asyl.net: M28594
https://www.asyl.net/rsdb/M28594
Leitsatz:

Krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis führt rückwirkend zur Rechtswidrigkeit der Haft:

Liegen die Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses - hier die Suizidalität im Falle einer Abschiebung - bereits zum Zeitpunkt der Haftanordnung vor, so ist die Haft rechtswidrig, auch wenn der Gesundheitszustand zu diesem Zeitpunkt weder für die Behörden noch für das Haftgericht erkennbar war.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis, inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, Abschiebungshindernis, psychische Erkrankung, Suizidgefahr,
Normen: AufenthG § 62, AufenthG § 60 Abs. 7, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde ist begründet. Die Betroffene war aufgrund ihrer im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München festgestellten Vulnerabilität nicht ausreisepflichtig. Die Kammer zweifelt nicht an den entsprechenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Weiter ist die Kammer davon überzeugt, dass diese Vulnerabilität der Betroffenen mit hoher Suizidgefahr nicht auf Geschehnisse ab dem Zeitpunkt der Einreise der Betroffenen in das Bundesgebiet am 17.01.2020 zurückzuführen ist. Vielmehr liegt die Erkrankung der Betroffenen, wie sie glaubhaft selbst auch in der Anhörung vor dem Amtsgericht Ingolstadt am 24.01.2020 ausführte, in Geschehnissen vor ihrer Einreise begründet. Mithin befand sich die Betroffene bereits zu diesem Zeitpunkt in einem Gesundheitszustand, aufgrund dessen ihre Abschiebung nicht hätte durchgeführt werden können. Der Beschluss vom 24.01.2020 war somit aufzuheben.

Nicht entscheidungserheblich ist dabei, dass es weder der Bundespolizeiinspektion Passau noch den Amtsgerichten Passau und Ingolstadt möglich gewesen sein dürfte, den Gesundheitszustand der Betroffenen, der erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren belegt wurde, zu erkennen. [...]