VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 05.11.2020 - AN 9 K 20.30755 - asyl.net: M29039
https://www.asyl.net/rsdb/M29039
Leitsatz:

Abschiebungsverbot für eine Familie mit kleinen Kindern aus Äthiopien:

1. Aufgrund der Corona-Pandemie, des deshalb verhängten Ausnahmezustands und der Heuschreckenplage hat sich die bereits früher schwierige Situation für Rückkehrende erheblich verschlechtert.

2. Insbesondere infolge der durch die Pandemie veranlassten Beschränkungen wird die Wohnungs- und Arbeitssuche für Rückkehrende erschwert, wenn nicht vorerst weitgehend unmöglich gemacht.

3. Hinsichtlich der 2019 geborenen Klägerin ist ein Abschiebungsverbot festzustellen, da bei einer Rückkehr im Familienverband nicht von der Sicherung des Existenzminimums ausgegangen werden kann.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Äthiopien, Corona-Virus, Heuschreckenplage, Abschiebungsverbot, Existenzgrundlage, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Kleinkind, Familie,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5, EMRK Art. 3
Auszüge:

[...]

34 c) Die Verpflichtungsklage erweist sich hingegen bezüglich der Klägerin hinsichtlich der begehrten Feststellung auf Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG als erfolgreich.

35 Der Klägerin steht ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu. [...]

47 Aufgrund der sich derzeit durch die Corona-Pandemie im Zusammenspiel mit der in Äthiopien herrschenden Heuschreckenplage ergebenden landesweiten Verhältnissen in Äthiopien ist das Gericht in Ansehung der in Äthiopien "pandemieunabhängig" gegebenen Situation unter Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen der Auffassung, dass im konkreten Falle der Klägerin vorliegend derzeit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt sind.

48 Unter Berücksichtigung dieser Gesamtsituation, wie sie sich dem Gericht insbesondere nach Auswertung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen und in Ansehung der konkreten Besonderheiten des Einzelfalles darstellt, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine Rückkehr der Klägerin mit ihrer Familie wegen der jetzigen aufgrund der Corona-Pandemie i.V.m. der Heuschreckenplage bestehenden Lebenssituation, auch in Ansehung der unabhängig von Pandemie und Heuschreckenplage für Rückkehrer bestehenden Situation in Äthiopien, derzeit und in überschaubarer Zukunft einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellen würde.

49 Die im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu berücksichtigenden prekären Lebensbedingungen sind, z.Zt. im Hinblick auf die der herrschenden Pandemie immanenten Beschränkungen und die daraus folgenden Probleme der Erlangung eines Zugangs zu Arbeit und adäquater Unterkunft, zu Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung und zur Erlangung der für die Befriedigung elementarer Bedürfnisse nötigen finanziellen Mittel sowie der durch die Heuschreckenplage zusätzlich zur Pandemie verursachten schwierigen wirtschaftliche Situation nach Auffassung des Gerichts gegeben.

50 Insbesondere infolge der durch die bestehende Pandemie veranlassten Beschränkungen wird die Wohnungs- und Arbeitssuche für Rückkehrer zur Überzeugung des Gerichts in einem Maße erschwert, wenn nicht zeitweise weitgehend unmöglich gemacht, dass unter Zugrundelegung der oben dargestellten rechtlichen Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK im Einzelfall nicht mehr im erforderlichen Umfang von der Sicherung des Existenzminimums ausgegangen werden kann.

51 Nach alldem liegt im konkreten Einzelfall zur Überzeugung des Gerichts hinsichtlich Äthiopien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor. [...]