OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.01.2005 - 11 A 4346/04.A - asyl.net: M6306
https://www.asyl.net/rsdb/M6306
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Darlegungserfordernis, Rechtliches Gehör, Beweisantrag, Wahrunterstellung, Entscheidungserheblichkeit, Glaubwürdigkeit, Überraschungsentscheidung
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 4 S. 4; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3; VwGO § 138 Nr. 3
Auszüge:

Zwar kann ein Beweisantrag - wie hier - mit der Begründung abgelehnt werden, die Beweisfrage könne als wahr unterstellt werden (Gesichtspunkt der mangelnden Entscheidungserheblichkeit). Hieran ist das Gericht dann aber gebunden; es kann nicht in den Entscheidungsgründen von dieser Wahrunterstellung wieder abrücken. Eine Wahrunterstellung ohne Bindungswirkung verletzt den Anspruch auf ein faires Verfahren (BVerfG, std. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 12. März 1999 - 2 BvR 206/98 - jurisdokument).

Gegen diesen Grundsatz dürfte die Vorinstanz verstoßen haben, zumindest sind die Formulierungen im angegriffenen Urteil insoweit äußerst missverständlich. Denn der Einzelrichter hatte trotz der oben wiedergegebenen Wahrunterstellung ("dass auch politische Gefangene durch Bestechungsgelder von den Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalten freigelassen werden") den Vortrag des Klägers zum Ablauf seiner Flucht aus dem Gefängnis als unglaubhaft angesehen, weil er nicht im Ansatz erklärt habe, "warum gerade der Kläger durch Mithilfe eines Wärters frei gekommen war. Der Kläger (habe) nämlich keine Umstände vorgetragen, aus denen sich nachvollziehbar die Bereitschaft des Wärters ableiten ließe, einen politischen Gefangenen, der bereits seit Monaten in Haft gehalten worden war, unter Inkaufnahme des persönlichen Risikos allein wegen finanzieller Vorteile zu befreien" (Urteil, Seite 5). Bei verständiger Auslegung des Beweisantrags bezog sich dieser allerdings gerade auf eine allein oder hauptsächlich durch Bestechungsgeld erfolgte Freilassung, so dass es auf weitere Umstände wie eine besondere Motivation des Wärters o.ä. nicht ankam.

Ob sich die Entscheidung vor diesem Hintergrund zugleich als Überraschungsentscheidung darstellt, wie der Kläger im Zulassungsantrag geltend macht, bedarf hier keiner Klärung.

Ungeachtet eines entsprechenden Verfahrensfehlers scheitert die Zulassung der Berufung allerdings daran, dass der Kläger nicht hinreichend darlegt hat, warum das Urteil auf der prozessordnungswidrig begründeten Ablehnung des Beweisantrages beruhen soll.

Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Durchführung der beantragten Beweiserhebung zu einer ihm günstigen Entscheidung geführt hätte. Die Beweisbehauptung als wahr unterstellt, wäre die Klage ebenfalls unbegründet gewesen. Denn die Unglaubhaftigkeit der klägerischen Aussagen zur Flucht ergibt sich bereits aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 19. März 2003, wonach es in dem Zentralgefängnis Kondengui in Jaunde keinen Häftling mit dem Namen des Klägers gab. Dem Kläger war diese Auskunft auch durch den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes bekannt (vgl. dort S. 10 Mitte). Dennoch fehlt im Zulassungsantrag jegliche Auseinandersetzung hiermit.