Staatenlosigkeit

Staatenlos ist eine Person, die von keinem Staat als Staatsbürger*in angesehen wird.

Staatenlose Personen gelten in Deutschland als Ausländer*innen und unterliegen den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes. Zum 28. Februar 2023 waren in Deutschland 29 614 Menschen als Staatenlose im Ausländerzentralregister erfasst – mehr als je zuvor. In den Jahren 2005 bis 2013 hatte sich die Zahl der Personen mit anerkannter Staatenlosigkeit in Deutschland stets zwischen 13 000 und 14 000 bewegt. Mit der verstärkten Fluchtmigration seit 2014 ist auch die Anzahl der Staatenlosen in Deutschland angestiegen. Rund die Hälfte von Ihnen wurden in Syrien geboren.

Weltweit gibt es offiziell 4,3 Millionen registrierte staatenlose Menschen. Der UNHCR geht jedoch davon aus, dass die tatsächliche Zahl weitaus größer ist.

Zu unterscheiden ist die Staatenlosigkeit von der ungeklärten Staatsangehörigkeit. Bei letzterer ist (noch) offen, ob und ggf. welche Staatsangehörigkeit die betroffene Person besitzt. Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit müssen damit rechnen, dass die Ausländerbehörde sie dazu auffordert, Kontakt zu den Auslandsvertretungen aller in Frage kommender Staaten (dessen Staatsangehörigkeit sie möglicherweise besitzen können) aufzunehmen und sich Bescheinigungen über den (Nicht-)Besitz der jeweiligen Staatsangehörigkeit einzuholen.

 

Ursachen von Staatenlosigkeit

Staatenlosigkeit kann verschiedene Ursachen haben. So kann eine Person entweder ohne Staatsangehörigkeit geboren worden sein, oder die Staatsangehörigkeit im Laufe des Lebens verloren haben. Gesetzeslücken, bürokratische Hürden, Auflösung von Staaten (z.B. Jugoslawien, Sowjetunion) sowie willkürliche Ausbürgerungen von politischen Gegner*innen oder ethnischen Minderheiten sind nur einige mögliche Ursachen.

 

Versuche zur Vermeidung und Beseitigung von Staatenlosigkeit

Staatenlosigkeit kann vor allem deshalb zum Problem werden, weil viele Rechte aus der Staatsangehörigkeit resultieren und mit ihr verbunden sind. Laut Art. 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat jeder Mensch das Recht auf eine Staatsangehörigkeit. Deshalb gilt die Vermeidung und Beseitigung von Staatenlosigkeit als erstrebenswertes Ziel im internationalen Recht und es wurden mehrere völkerrechtliche Übereinkommen gegen Staatenlosigkeit unterschrieben. Die wichtigsten sind das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 (StaatenlÜbk), das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 (StaatenlVermÜbk) sowie das Übereinkommen zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit von 1973 (StaatenlVerrÜbk). Diese Abkommen hat die Bundesrepublik ratifiziert und mit dem 1977 beschlossenen und zuletzt 1999 geänderten Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit (StaatenlMindÜbkG) in nationales Recht umgesetzt.

Das Grundgesetz verbietet sowohl die Ausbürgerung von Deutschen, die zur Staatenlosigkeit der betroffenen Person führen würde, als auch willkürliche Ausbürgerungen (Art. 16 Abs. 1 GG). Möglich ist allerdings, dass eine Person die deutsche Staatsangehörigkeit verliert und staatenlos wird, wenn ihre Einbürgerung zurückgenommen wird, da sie „durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben“ zustande gekommen ist (§ 35 Abs. 1 StAG).

 

Rechte von Staatenlosen

Aus den oben genannten internationalen Abkommen ergibt sich die Pflicht zur Gleichstellung staatenloser und ausländischer Personen. Art. 28 S. 1 StaatenlÜbk sieht die Erteilung von Reiseausweise für Staatenlose durch den Staat, in dem sie einen rechtmäßigen Aufenthalt haben, vor. Mangels Definition im StaatenlÜbk bestimmt sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nach nationalem Recht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1990, Az. 1 C 15.88) reicht aber nicht jede rechtmäßige Anwesenheit aus, vielmehr muss eine gewisse Aufenthaltsverfestigung vorliegen. Dies kann jedoch auch bei Vorliegen eines befristeten Aufenthaltstitels der Fall sein. Ohne rechtmäßigen Aufenthalt besteht zwar kein Anspruch auf Erteilung eines Reiseausweises, jedoch soll die Ausländerbehörde gemäß Art. 28 S. 2 StaatenlÜbk „wohlwollend“ und damit nach eingeschränktem Ermessen prüfen, ob sie der betroffenen Person dennoch einen Reiseausweis ausstellt. Zum 28. Februar 2023 hatten 7 900 der 29 614 staatenlose Person in Deutschland einen Reiseausweis für Staatenlose.

Anders als bei der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gibt es in Deutschland kein festgelegtes Verfahren zur Feststellung der Staatenlosigkeit. Die Ausländerbehörde kann jedoch die Staatenlosigkeit im Zuge der Entscheidung über einen Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose feststellen. Dabei ist die Feststellung der Staatenlosigkeit jedoch an die abschließende Klärung der Identität der Person geknüpft. Dies führt dazu, dass Personen, die als staatenlos anerkannt werden möchten, bei der Auslandsvertretung ihrer (möglichen) Herkunftsländer um eine Bestätigung der Staatsangehörigkeit bitten müssen. Wird eine solche nicht ausgestellt, ist von Staatenlosigkeit auszugehen.

Wenn die Ausländerbehörde die Staatenlosigkeit festgestellt hat, kann eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 5 AufenthG) erteilt werden, wenn die Staatenlosigkeit ein dauerhaftes Abschiebehindernis darstellt. Ob dies der Fall ist, oder ob eine staatenlose Person, die vollziehbar ausreisepflichtig ist, in einen aufnahmebereiten Staat abgeschoben werden kann (z.B. dem Staat, in der die Person vorher ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte), hängt von den Einzelheiten der zwischen Deutschland bzw. der Europäischen Union und dem jeweiligen Staat geltenden Rücknahmeabkommen ab.

In Art. 38 StaatenlÜbk verpflichten sich die unterzeichnenden Staaten, das Einbürgerungsprozedere für Staatenlose zu erleichtern und zu beschleunigen. In Deutschland können staatenlose Personen deshalb im Rahmen der Ermessenseinbürgerung bereits nach einem rechtmäßigen Aufenthalt von sechs (statt acht) Jahren rechtmäßigen Aufenthalts eingebürgert werden. In Deutschland geborene Kinder staatenloser Eltern haben nach Art. 2 StaatenlMindÜbkG einen besonderen Einbürgerungsanspruch, der nicht verwehrt werden darf, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: Staatenlosigkeit bei der Geburt in Deutschland, fünf Jahre dauerhafter Aufenthalt in Deutschland, Antragstellung auf Einbürgerung vor dem 21. Lebensjahr und keine Verurteilungen zu Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als fünf Jahren.

 

Stand August 2023

Materialien

  • Beitrag von Holger Hoffmann im Asylmagazin: Staatenlosigkeit - Rechte und rechtliche Folgen (Stand: September 2017).
  • Kurzdossier der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Staatenlosigkeit.
  • Themenseite „Staatenlose“ beim Mediendienst Integration.
  • Handbuch des UNHCR zum Schutz von Staatenlosen (Stand: 2014).
  • FAQ des UNHCR zum Thema Staatenlosigkeit.
  • Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags zum Thema Staatenlosigkeit mit Schwerpunkt auf der Frage der Einbürgerung. (Stand: 2019).
  • Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage zum Thema „Staatenlosigkeit in Deutschland“ (Stand: 17.4.2023).
  • Statistiken des Statistischen Bundesamtes zu Staatenlosigkeit in Deutschland (Stand: 31.12.2022).
  • weitere Materialien

Bitte beachten:

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