OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Urteil vom 11.02.2021 - 3 A 973/19 - asyl.net: M29618
https://www.asyl.net/rsdb/m29618
Leitsatz:

Merkmale einer der Qualifikation angemessenen Beschäftigung:

"Für eine ihrer Qualifikation angemessene Beschäftigung reicht es aus, wenn die Fachkraft mit akademischer Ausbildung unabhängig von der Fachrichtung des Studiums die mit der Hochschulausbildung erworbenen Kenntnisse für ihre Beschäftigung zumindest teilweise oder mittelbar benötigt."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Fachkräfteeinwanderung, Blaue Karte EU, qualifizierte Beschäftigung, Fachkraft mit akademischer Ausbildung,
Normen: AufenthG § 19a, AufenthG § 18 Abs. 2, AufenthG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a, AufenthG § 18 Abs. 3 Nr. 2
Auszüge:

[...]

25 2.1 Bei dem Begriff einer der Qualifikation angemessenen Beschäftigung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen durch Auslegung zu ermitteln und deren Vorliegen in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar ist.

26 Die Gesetzesbegründung für den neueingeführten § 18b AufenthG (BT-Drs. 19/8285, S. 98 f.) lautet - soweit von Interesse - wie folgt:

"Absatz 2

§ 18b Absatz 2 regelt die Erteilung der Blauen Karte EU (bisher § 19a a. F.). Aufgrund der allgemeinen Bestimmungen in § 18 konnte der Katalog an Voraussetzungen (bislang § 19a Absatz 1 a. F.) wesentlich reduziert werden. Zusätzlich zu den Voraussetzungen des § 18 ist im Unterschied zu Absatz 1 zwingende Voraussetzung, dass es sich um eine der Qualifikation angemessene Beschäftigung handelt. Als der beruflichen Qualifikation angemessene Beschäftigung sind - unabhängig von der Fachrichtung der Hochschulausbildung - auch solche Tätigkeiten zu verstehen, die üblicherweise einen akademischen Abschluss voraussetzen und bei denen die mit der Hochschulausbildung erworbenen Kenntnisse zumindest teilweise oder mittelbar benötigt werden (z.B. die Beschäftigung eines Arztes in einem Pharmaunternehmen). Zudem muss die Mindestgehaltsgrenze (bisher § 19a Absatz 1 Nummer 3 a. F. i.V.m. § 2 Absatz 1 Nummer 2 lit. a und Absatz 2 BeschV a. F.) erreicht werden. Es gelten auch die bisherigen Ablehnungsgründe; diese sind nunmehr in § 19f geregelt. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Erteilung der Blauen Karte EU ohne Zustimmung der BA (Satz 1). Wenn die Beschäftigung in einem Engpassberuf ausgeübt und dabei nur die niedrigere Gehaltsgrenze erreicht wird, ist eine Zustimmung der BA hingegen erforderlich (bisher § 2 Absatz 2 BeschV, jetzt Absatz 2 Satz 2). Dies gilt auch für inländische Hochschulabsolventen, die eine Blaue Karte EU in einem Engpassberuf beantragen; dies war bislang zustimmungsfrei (§ 2 Absatz 1 Nummer 2 lit. b BeschV). Die Erteilung der Blauen Karte EU steht in den Fällen des § 18b Absatz 2 Satz 2 im Ermessen der zuständigen Behörden."

27 Der Senat hat zu der Vorgängervorschrift des § 18b Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausgeführt, dass es angesichts der Tatsache, dass § 19a Abs. 1 AufenthG die Tatbestandsvoraussetzungen einer der Qualifikation angemessenen Beschäftigung nicht weiter definiert, es im Interesse der Sicherung der Fachkräftebasis Deutschlands mit gut ausgebildeten Arbeitnehmern angemessen sei, diese Tatbestandsvoraussetzung sachgerecht so auszulegen, dass es unabhängig von der Fachrichtung des Studiums als qualifikationsangemessen ausreicht, wenn die mit der Hochschulausbildung erworbenen Kenntnisse zumindest teilweise oder mittelbar benötigt werden (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12. Januar 2018 - OVG 2 S 47.17 -, juris Rn. 4; SächsOVG, Beschl. v. 29. April 2016 - 3 B 53/16 -, juris Rn. 5 m. w. N.; Beschl. v. 18. Oktober 2019 - 3 B 326/18 -, juris Rn. 9). Die Anforderungen dürfen allerdings nicht so gering sein, dass die beabsichtigte Tätigkeit auch ohne jegliche Ausbildung oder auch mit einer weniger qualifizierten Ausbildung ausgeübt werden kann; maßgeblich ist hierfür in erster Linie die Stellenausschreibung des Arbeitgebers, wobei die gestellten Anforderungen einer Plausibilitätskontrolle unterliegen (SächsOVG, Beschl. v. 29. April 2016 - 3 B 53/16 -, juris Rn. 5).

28 Hieran wird in Ansehung der gesetzlichen Zielsetzung auch zur Auslegung des in § 18b Abs. 2 Satz 1 AufenthG wortgleich verwendeten Begriffs festgehalten (vgl. auch VG Karlsruhe, Beschl. v. 10. Januar 2019 - 7 K 7058/18 -, juris Rn. 31 m.w.N.; nachfolgend VGH BW, Beschl. v. 10. März 2020 - 11 S 2335/19 -, juris Rn. 25; dem folgend Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 13. Aufl. 2020, Rn. 5 ff.). Dem entspricht auch die weitergehende Zielsetzung des Gesetzgebers, insgesamt eine Stärkung der deutschen Wirtschaft herbeizuführen, indem eine Tätigkeit dort für ausländische Fachkräfte attraktiver ausgestaltet werden soll. Dies leuchtet im Hinblick auf das Geschäftsfeld der M. GmbH unmittelbar ein, denn - einen Erfolg des Unternehmenskonzepts vorausgesetzt, zwischen mexikanischen und deutschen Unternehmen vermittelnd tätig zu werden - die Zusammenführung von Unternehmen, die Produkte kaufen, und solchen, die die gesuchten Produkte produzieren und verkaufen wollen, kommt inländischen Unternehmen zu Gute. [...]