VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 15.11.2023 - 5 K 1981/22.TR - asyl.net: M32118
https://www.asyl.net/rsdb/m32118
Leitsatz:

Registrierten Angehörigen der Bidun droht in Kuwait keine Verfolgung:

1. Angehörige der Volkrgruppe der Bidun, die bei den kuwaitischen Behörden registriert sind, sind zwar staatlichen Diskriminierungen ausgesetz. Diese erreichen jedoch nicht die erforderliche Intensität einer Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 AsylG.

2. Da die Kläger*innen schon vor ihrer Ausreise in der Lage waren, für sich und ihre Kinder Obdach und Auskommen zu sichern, ist davon auszugehen, dass sie auch bei einer Rückkehr nach Kuwait wieder in der Lage wären, eine Existenzgrundlage zu erwirtschaften, sodass kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen ist. Im Übrigen haben sie als registrierte Bidun Anspruch auf Sozialleistungen und verfügen über ein großes familiäres Netzwerk in Kuwait.

(Leitsätze der Redaktion; siehe auch: VG Berlin, Urteil vom 17.09.2020 - 34 K 537.17 A - asyl.net: M29072)

Schlagwörter: Bidun, Bidoun, Kuwait, Staatenlosigkeit, Registrierung, Verfolgungshandlung, Abschiebungsverbot,
Normen: AsylG § 3a Abs. 1 Nr. 1, AsylG § 3a Abs. 1 Nr. 2, AufenthG § 60 Abs. 5
Auszüge:

[...]

Nach dieser Maßgabe steht den Klägern kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu. Die Kläger sind weder vorverfolgt aus Kuwait als Land ihres vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts ausgereist (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. B AsylG) noch droht ihnen bei Rückkehr eine Verfolgung in der von § 3a Abs. 1 AsylG geforderten Intensität.

Zur Überzeugung der Kammer steht zwar fest, dass die Kläger der Volksgruppe der Bidun zugehörig sind, wovon auch die Beklagte ausgeht. Allerdings geht das Gericht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon aus, dass es sich bei den Klägern um unregistrierte Bidun handelt. Die diesbezüglichen Angaben der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 4) im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung blieben vage und ungereimt. [...]

Diese vagen Angaben des Klägers zu 4) und der Klägerin zu 1) widersprechen der Erkenntnislage zu den Registrierungsmöglichkeiten und der Registrierungspraxis für Bidun in Kuwait. So war jedenfalls im Zeitfenster von 1996 bis 2000 eine Registrierung bei der zu dieser Zeit unter "Executive Committee for the Affairs of Illegal Residents (ECIR)" firmierenden Behörde - die heute kurz "Central System" heißt - möglich und führte zur Ausstellung eines zunächst als "reference card", seit 2000 als "security card" bezeichneten Dokumentes, welches Name, Adresse und Geburtsdatum des Inhabers enthielt [...].

Sind die Kläger daher als registrierte Bidun anzusehen, steht ihnen kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu. Für registrierte Bidun gehen die zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel im Allgemeinen nicht von einer Verfolgung oder Verletzung der Menschenrechte aus [...]. Beim kuwaitischen Staat registrierte Bidun haben nämlich anders als unregistrierte Bidun Anspruch auf Sozialleistungen, insbesondere auf staatliche Gesundheitsversorgung und Zugang zum privaten Bildungssystem. Sie können kostengünstige staatliche Versicherungspolicen erwerben, wenn diese auch zahlreiche Gesundheitsleistungen nicht enthalten. Eine Registrierung ermöglicht zudem den Zugang zum legalen Arbeitsmarkt. Weiterhin können sich registrierte Bidun offizielle Dokumente wie Geburts-, Heirats- oder Scheidungsurkunden ausstellen lassen [...]. Dies alles bedeutet zwar nicht, dass registrierte Bidun keiner Beeinträchtigung oder Diskriminierung mehr ausgesetzt sind. [...] Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich die meisten Bidun trotz Schwierigkeiten und teils unter Einsatz von Bestechungsgeld den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen verschaffen können. Registrierte Bidun sind demnach Beeinträchtigungen durch den kuwaitischen Staat mit durchaus diskriminierender Zielrichtung ausgesetzt, die sich jedoch nicht zu der erforderlichen Intensität einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AsylG verdichten. [...]