OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Urteil vom 26.04.2018 - 1 A 645/17 - asyl.net: M26264
https://www.asyl.net/rsdb/M26264
Leitsatz:

Von UNRWA betreute Palästinenser aus Syrien sind eo ipso als Flüchtlinge im Sinne des § 3 AsylG anzuerkennen (vgl. Urteile des Senats vom 21.9.2017 - 2 A 447/17 - und 23.11.2017 - 2 A 541/17 - [asyl.net: M25716] und 18.12.2017 - 2 A 541/17 - [asyl.net: M25828]), dies gilt auch für das Camp Nairab. (Unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Flüchtlingseigenschaft staatenloser Palästinenser).

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Syrien, Palästinenser, UNRWA, Nairab, Camp Nairab, Flüchtlingsanerkennung, subsidiärer Schutz, Berufung, Staatenlosigkeit, Genfer Flüchtlingskonvention, Flüchtlingseigenschaft, Upgrade-Klage,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 3 Abs. 3 S. 1, AsylG § 4,
Auszüge:

[...]

Der Kläger ist als staatenloser Palästinenser Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG, nachdem der ihm zunächst seitens der United Nations Relief and Work Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) nach Maßgabe des Satzes 1 der Vorschrift gewährte Schutz weggefallen ist. [...]

Nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats des erkennenden Gerichts sind staatenlose Palästinenser aus Syrien, die von der UNRWA, einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen im Nahen Osten, registriert sind, als Flüchtlinge nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG anzuerkennen, wenn sie Syrien infolge der Zerstörung ihres Flüchtlingslagers durch das Bürgerkriegsgeschehen verlassen haben und ihnen im Zeitpunkt ihrer Ausreise keine Möglichkeit offenstand, in anderen Teilen des Mandatsgebietes der UNRWA Schutz zu finden (vgl. z.B. OVG des Saarlandes, Urteile vom 18.12.2017 - 2 A 541/17 -, juris, Rdnr. 25 ff. und vom 21.9.2017 - 2 A 447/17 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.6.2017 - A 11 S 664/17 -; allgemein dazu: EuGH, Urteil vom 19.12.2017 - C-364/11). Diese Rechtsprechung bezieht sich unter anderem auf das Palästinenserlager Nairab, in dem auch der Kläger registriert ist. [...]

Die Umstände, unter denen der Kläger Syrien verlassen hat, erschöpfen sich nicht in den allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs, sondern ausweislich der Auskunftslage war es der UNRWA zur Zeit seiner Ausreise nicht nur vorübergehend nicht mehr möglich, den im Lager Nairab registrierten staatenlosen Palästinensern, mithin auch dem Kläger, im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe im Einklang stehen. [...]

Ist mithin der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG eröffnet, so ist auf den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft behördlicher- bzw. gerichtlicherseits als Voraussetzung der Feststellung, dass der Beistand oder der Schutz im Sinn des Satzes 1 der Vorschrift nicht länger gewährt wird, zu prüfen, ob sein Wegzug durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen des Gebiets zwingen und somit daran hindern, den von der UNRWA gewährten Beistand zu genießen. [...]

Ausgehend von den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Schutz des Klägers durch die UNRWA aus Umständen weggefallen ist, die von seinem Willen unabhängig waren. Dabei kann mangels Entscheidungserheblichkeit offenbleiben, ob der Wegfall des Schutzes bereits dadurch indiziert wird, dass dem Kläger durch den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten wegen der Bürgerkriegssituation in Syrien der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist (bejahend: VGH Baden-Württemberg Urteil vom 28.6.2017 - A 11 S 664/17 -, juris Rdnr. 24, und OVG des Saarlandes, 2. Senat, z.B. Urteil vom 18.12.2017 - 2 A 541/17 -, juris; unter Umständen in eine andere Richtung weisend: BVerwG, Urteil vom 21.1.1992, a.a.O., Rdnr. 31).

Nach einem im Internet verfügbaren, auf Aussagen von Augenzeugen basierenden Pressebericht aus der Zeit unmittelbar vor der Ausreise des Klägers (vgl. den Reisebericht des türkischen Journalisten Fehim Tastekin, Das andere Syrien, Teil 3 vom 7.8.2015, dort der Abschnitt "Das Camp im Visier") haben syrische "Oppositionelle" damals nach einem von ihnen verübten Terroranschlag und nach Tötung von 19 palästinensischen Jugendlichen angefangen, Menschen aus dem Camp zu entführen und zu töten. Ziel sei es gewesen, das damals von Al-Kuds-Brigaden geschützte Lager Nairab etwa 8 km östlich des Stadtzentrums beim Flughafen Aleppo einzunehmen und als Ausgangsbasis für die Eroberung eines benachbarten gleichnamigen Luftwaffenstützpunkts zu nutzen. Das Camp sei daher zunächst mit Mörsergranaten beschossen worden (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 1.3.2018 - 2 A 625/17 ). Weiter heißt es in dem Bericht:

"Sie hatten das Ziel, das Camp Nairab einzunehmen und als Ausgangsbasis für die Einnahme des Luftwaffenstützpunkts Nairab zu benutzen. (...) Einer ihrer sogenannten Experten hat in dem Fernsehsender Al Jazeera verkündet, dass für die Einnahme des Luftwaffenstützpunkts die Kontrolle des Nairab-Camps unerlässlich ist. Daraufhin wurden die Angriffe intensiver. 10 Monate lang lebten wir unter Belagerung. Die Menschen haben angefangen, Gras zu essen, um ihren Hunger zu unterdrücken. Kinder starben wegen Unterernährung. Unzählige Male starteten sie Angriffe auf das Camp, jedes Mal haben wir sie zurückgeschlagen. Innerhalb von 21 Tagen haben sie 72 Grad-Raketen auf uns abgefeuert. 100 Häuser stürzten ein. Mit einer aus Merjii gestarteten Rakete haben sie einen Armeehubschrauber abgeschossen, der auf ein Wohngebiet abstürzte, dabei starben 18 Menschen, 50 wurden verletzt. Dann haben sie Khandarat belagert, 15 Jugendliche wegen angeblicher Kollaboration mit dem Regime getötet. 10.000 von den 15.000 Palästinensern in Khandarat flüchteten hierher. Zusammen mit den Flüchtlingen aus anderen Orten wuchs die Zahl der Camp-Bewohner auf 50.000. Mit dem Zutritt der Jugendlichen aus Khandarat zu uns haben wir angefangen, auch den Westen von Aleppo zu beschützen. Wir haben 209 Märtyrer und 400 Verletzte zu beklagen."

Angesichts der im vorstehend zitierten Bericht beschriebenen Umstände, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, ist nicht zu erkennen, dass es der UNRWA in der Folgezeit (noch) möglich gewesen wäre, den von ihr betreuten staatenlosen Palästinensern, unter anderem dem Kläger, im Mandatsgebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe in Einklang stehen.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, auch noch in der Zeit vor seiner Ausreise von der UNRWA regelmäßig, nämlich alle zwei Monate, mit Grundnahrungsmitteln wie Reis, Mehl, Zucker und Konserven, versorgt worden zu sein. Allerdings hätte die Nahrung manchmal nur einen Monat lang gereicht. Großhändler seien nur gelegentlich ins Camp gelangt, wenn die Straßen nicht gesperrt gewesen seien. Um Wasser zu bekommen, hätten manche Leute Brunnen gebohrt. Geldleistungen habe die UNRWA nicht erbracht. Bereits im Rahmen seiner Anhörung durch die Beklagte hatte der Kläger dementsprechend angegeben, konkreter Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass die Mittel erschöpft gewesen seien.

Dass der Kläger somit nach seinen Angaben nicht völlig von Leistungen der UNRWA ausgeschlossen war, steht der Annahme der Unfreiwilligkeit seiner Ausreise wegen fehlender Möglichkeiten der UNRWA, ihm Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe im Einklang stehen, nicht entgegen. [...]

Nach alldem ist der Senat - im Einklang mit der Einschätzung des Zweiten Senats - überzeugt, dass die ehemals durch das Wirken der UNRWA im Lager Nairab unterstützten und dort registrierten Palästinenser, mithin auch der Kläger, sich seit 2015 in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befunden haben und es der UNRWA unter den vorbezeichneten Umständen unmöglich war, ihnen Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe im Einklang stehen. [...]

Durchgreifende Verbesserungen in Bezug auf das Lager Nairab erschließen sich aus der Auskunftslage nicht. Ausweislich eines Berichts vom 19.8.20172 (http://www.nedaa-sy.com/en/news/1163) ist das Camp nach wie vor von Waffenlagern aus allen Richtungen umgeben. Es sei als strategischer Ort für den Krieg in Syrien intensiven Bombenangriffen ausgesetzt. Die Waffenlager um Aleppo waren erst kürzlich wieder Ziel von Raketenangriffen (Hannoversche Allgemeine Zeitung, www.haz.de/Nachrichten/Politik/DeutschlandWelt/Explosionen-erschuettern-Militaerstuetzpunkte-in-Syrien). Unter derartigen Umständen liegt fern, dass den staatenlosen Palästinensern dort wieder Lebensverhältnisse gewährleistet wären, die nach Vorgesagtem geeignet wären, diese Personengruppe von dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG auszuschließen und auf den - allenfalls rudimentären - Schutz seitens der UNRWA zu verweisen. [...]

Ergänzend sei angemerkt, dass unter den aufgezeigten tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sehr viel dafür spricht, dass auch die Kriterien, unter denen das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteile vom 4.6.1991 - 1 C 42.88 -, juris, und vom 21.1.1992, a.a.O.) den Anwendungsbereich des Art. 1 Abschnitt D Abs. 2 GFK und demzufolge des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG eröffnet sieht, fallbezogen erfüllt sind.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht den Anwendungsbereich dieser Vorschriften in zwei Fallgestaltungen als gegeben an. Vornehmlich - im Sinn einer ersten Fallgruppe - beziehe sich deren Regelungsgehalt auf die gesamte Gruppe der staatenlosen Palästinenser, deren Flüchtlingsschicksal insgesamt von den Vereinten Nationen habe gelöst werden sollen. Bei Vertragsschluss habe man sich dementsprechend unter Wegfall des Schutzes oder Beistandes vor allem die Beendigung des UNRWA-Mandates vorgestellt, das sich auf die Gesamtheit der palästinensischen Flüchtlinge beziehe. Eine Anwendung der Genfer Konvention auf palästinensische Flüchtlinge habe erst in Betracht kommen sollen, wenn die Hilfe der Vereinten Nationen ein Ende finde und deren Organisation oder Institution ihre Tätigkeit einstellen würde. Dem korrespondiere, dass Abs. 2 der Vorschrift auf eine endgültige Regelung des Schicksals dieser Personen, etwa durch Rückführung in ihre Heimat oder Ansiedlung im Aufnahmestaat, abstelle, denn auch dieses Erfordernis beziehe sich nicht auf Einzelpersonen, sondern auf eine Personengruppe ( BVerwG, Urteil vom 4.6.1991, a.a.O., Rdnr. 29). Hiernach genießt der Betroffene dann nicht mehr den Schutz oder Beistand der UNRWA, wenn die Unterstützung der gesamten Personengruppe, für die die Organisation bisher tätig geworden ist, endet. Dies sei der Fall, wenn die Organisation ihre Tätigkeit einstellt oder ihre Schutz- oder Beistandsleistung nicht nur vorübergehend verhindert wird (BVerwG, Urteil vom 31.1.1992, a.a.O., Rdnr. 27). Von einer solchen nicht nur vorübergehenden Verhinderung der Schutzgewährung dürfte ausweislich des ausgewerteten Erkenntnismaterials und der vorstehenden Ausführungen fallbezogen auszugehen sein, denn die UNRWA kann ihren Schutzauftrag nicht mehr in einem den rechtlichen Anforderungen genügenden Umfang erfüllen.

Dieser Einschätzung stehen die weiteren Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu der zweiten Fallgruppe im Anwendungsbereich des Art. 1 Abschnitt D GFK nicht entgegen. Die Vorschrift solle nicht nur der gesamten Gruppe, sondern auch jedem einzelnen palästinensischen Flüchtling Hilfe gewährleisten, solange eine endgültige Regelung entsprechend den Entschließungen der Vereinten Nationen nicht erfolgt ist, sei es in Form von Schutz oder Beistand seitens der dazu berufenen Organisation oder Institution der Vereinten Nationen (Abs. 1) oder durch Gewährung der in der Genfer Konvention festgelegten Vergünstigungen seitens der Vertragsstaaten (Abs. 2). Dabei legt das Bundesverwaltungsgericht das Tatbestandsmerkmal "Wegfall des Schutzes oder Beistands der UNRWA aus irgendeinem Grund" dahin aus, dass es nicht schon dann erfüllt sein, wenn der Betroffene den Schutz oder Beistand von sich aus aufgegeben hat. Denn der innere Grund für die Ausschlussklausel des Art. 1 Abschnitt D Abs. 1 GFK liege darin, dass die palästinensischen Flüchtlinge primär auf den UNRWA-Schutz verwiesen werden sollen. Die Bestimmungen der Genfer Konvention sollten nicht schlechthin, sondern gemäß Abs. 2 der Vorschrift nur dann anwendbar sein, wenn der Schutz oder Beistand durch die UNRWA nicht mehr geleistet werden könne. Diese Situation bestehe nicht im Falle einer freiwilligen Aufgabe der UNRWA-Betreuung. Der Zweck der Regelung würde verfehlt werden, wenn die Betroffenen wählen könnten, ob sie speziell den Schutz oder Beistand nach Abs. 1 oder allgemein die Vergünstigungen der Genfer Konvention nach Abs. 2 in Anspruch nehmen (BVerwG, Urteil vom 4.6.1991, a.a.O., Rdnrn. 28 ff.). Dem ist aus Sicht des Senats zuzustimmen.

Die Konvention - so das Bundesverwaltungsgericht weiter - gehe zwar nicht davon aus, dass Flüchtlinge das Tätigkeitsgebiet - zum Beispiel für eine Besuchs- oder Geschäftsreise oder für eine Beschäftigung als Gastarbeiter - nicht verlassen dürften. Wenn allerdings der Betroffene das Gebiet zunächst freiwillig verlassen habe, ihm aber aufgrund einer späteren Entwicklung staatlicherseits aus Gründen, die er nicht zu vertreten habe, die Rückkehr verweigert werde, sei der durch die UNRWA gewährte Schutz mit der Folge, dass ipso facto ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entstanden sei, weggefallen (BVerwG, Urteil vom 4.6.1991, a.a.O., Rdnrn. 31 ff. unter Hinweis auf die zur Zeit der Ausreise nicht vorhersehbare seit 1967 andauernde Besetzung des Gaza-Streifens durch Israel; Vertretenmüssen hingegen bejaht im Urteil vom 21.1.1992, a.a.O., Rdnr. 32).

Nicht ausreichend sei indes, so das Bundesverwaltungsgericht, eine Ausreise wegen bürgerkriegsähnlicher Verhältnisse und aus Furcht, in diese verwickelt zu werden bzw. von einer der Bürgerkriegsparteien verfolgt zu werden (VerwG, Urteil vom 21.1.1992. a.a.O., Rdnr. 35). Nach Sinn und Zweck der Ausschlussklausel sollten nicht bereits vorübergehende Vorkommnisse einen Wegfall des Schutzes oder Beistandes bewirken, sondern nur solche, denen Dauerhaftigkeit zukomme. Auch wenn im Einzelfall ein Verbleiben im Tätigkeitsgebiet der UNRWA bürgerkriegsbedingt unzumutbar sein könne, bedeute dies nicht, dass die Organisation ihre Tätigkeit eingestellt habe oder die Ausreise einer Einstellung der Tätigkeit gleichstünde. Dies gelte auch, wenn es die allgemeinen oder besonderen Lebensbedingungen, denen der Einzelne in dem Aufnahmestaat ausgesetzt sei, es nicht nur verständlich, sondern sogar zwingend erscheinen ließen, das Land zu verlassen. Denn soweit die UNRWA in dem betreffenden Land weiterhin tätig sei, solle den Vertragsstaaten nicht schon deswegen die Verantwortung für den Betroffenen zuwachsen. Wenn die Verhältnisse in dem Aufnahmestaat den Betroffenen zur Aufgabe des Schutzes oder Beistandes der UNRWA veranlassten, könne dies eine Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland aus humanitären Gründen rechtfertigen oder gebieten. Damit sei ein angemessener Schutz gewährleistet. Das Verlassen des Aufnahmestaates aus Furcht vor Verfolgung oder sonstigen Gefahren begründe nicht zusätzlich "ipso facto" die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 1 Abschnitt D Abs. 2 GFK. Auch diese Argumentation überzeugt.

Ungeachtet dessen steht sie der Feststellung, dass dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, unter den konkreten Gegebenheiten nicht entgegen. Denn sie bezieht sich auf eine rein bürgerkriegsbedingte Ausreise, durch die der Betroffene sich aus freiem Entschluss des fortwährenden Schutzes der UNRWA begeben hat, während die Umstände, unter denen der Kläger Syrien verlassen hat, sich - wie aufgezeigt - gerade nicht in den allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs erschöpfen, sondern vielmehr nicht nur vorübergehend eine Situation eingetreten war, in der die Organisation - wenngleich bürgerkriegsbedingt - ihre Schutzaufgabe nicht mehr in einer den Anforderungen der Genfer Flüchtlingskonvention gerecht werdenden Weise erfüllen konnte. Die Auswirkungen des Bürgerkriegs auf die Handlungsfähigkeit der UNRWA in Syrien sind so massiv, dass die Organisation nicht nur vorübergehend verhindert ist, der ihr übertragenen Schutz- und Beistandsaufgabe gerecht zu werden. Damit wird der in Art. 1 Abschnitt D Abs. 1 GFK vorgesehene Schutz und Beistand auf unabsehbare Zeit nicht länger gewährt.

Insoweit sei erneut betont, dass es der UNRWA nach dem verfügbaren Erkenntnismaterial spätestens seit etwa Mitte 2015 nicht mehr möglich ist, den in ihrem Tätigkeitsgebiet registrierten staatenlosen Palästinensern im Sinne der Konvention im gebotenen Umfang Schutz und Beistand zu gewähren. Dass dies sich als Folge des damals eskalierten Bürgerkriegs darstellt, ändert nichts daran, dass die Organisation die ihr übertragene Schutzgewährung im Lager Nairab nicht nur kurzfristig einstellen musste, weil es ihr unmöglich geworden war, den dort registrierten Palästinensern Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe im Einklang stehen. Bis zum heutigen Tag gibt es keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass es der UNRWA wieder dauerhaft möglich wäre, ihrem Schutzauftrag in Bezug auf die staatenlosen im Lager Nairab registrierten Palästinenser nach Maßgabe der Konvention gerecht zu werden. Damit ist nicht erkennbar, dass für den Kläger seit 2015 und bis heute die Möglichkeit bestanden hätte bzw. bestünde, dort einen dem Auftrag der Konvention genügenden Schutz zu erlangen.

Die durch die Umstände erzwungene Einstellung der Schutzgewährung erfüllt demnach nach Einschätzung des Senats auch unter Anlegung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstäbe den Tatbestand des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsyIG mit der Folge, dass der Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft außer Frage steht. [...]