Auswärtiges Amt: Weisungen zur Umsetzung der EuGH-Urteile zum Beurteilungszeitpunkt der Minderjährigkeit beim Familiennachzug

Das Auswärtige Amt hat inzwischen Weisungen erlassen, die EuGH-Rechtsprechung zum Beurteilungszeitpunkt der Minderjährigkeit beim Familiennachzug umsetzen. Der EuGH hatte hierzu bereits Urteile gefällt, welche das Auswärtige Amt allerdings für nicht anwendbar hielt. In Urteilen von August 2022 bestätigte der EuGH seine Rechtsprechung in deutschen Verfahren, woraufhin nunmehr die behördliche Umsetzung erfolgt.

Im September 2022 hat das Auswärtige Amt Weisungen erlassen, in denen es seine Visastellen anweist, EuGH-Rechtsprechung zum Familiennachzug umzusetzen. Es handelt sich dabei um Fälle des Eltern- oder Kindernachzugs, in denen Kinder während des Asyl- oder Nachzugsverfahrens volljährig werden. Die Weisungen konnten erst auf eine Anfrage von Pro Asyl auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes veröffentlicht werden (siehe fragdenstaat.de).

Obwohl der EuGH schon vor Jahren klargestellt hatte, dass es sowohl beim Nachzug von Kindern zu ihren Eltern als auch von Eltern zu ihren Kindern bei der Beurteilung der Minderjährigkeit der betroffenen Kinder auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem die in Deutschland als Flüchtling anerkannte Person ihren Asylantrag gestellt hat, hatte das Auswärtige Amt sich geweigert die Rechtsprechung anzuwenden. Es begründete seine Auffassung damit, dass die Urteile in einem niederländischen („A und S“ von 2018 zum Elternnachzug, asyl.net: M26143) und einem belgischen Verfahren („B.M.M.“ von 2020 zum Kindernachzug, asyl.net: M28868) auf die deutsche Rechtslage nicht anwendbar seien. Es stellte auf den späteren Zeitpunkt des Nachzugsantrags, bzw. der nachfolgenden Einreise ab, was dazu führte, dass der Anspruch auf Familiennachzug verloren ging, wenn das Kind, auf dessen Minderjährigkeit es ankam, im laufenden Visumsverfahren volljährig wurde.

Auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts bestätigte der EuGH Anfang August 2022 seine Rechtsprechung zum Elternnachzug („SW, BL und BC“, asyl.net: M30811) und zum Kindernachzug („XC“, asyl.net: M30815). Bis zur erneuten Klärung durch den EuGH hatte das Auswärtige Amt seine Visastellen angewiesen, Visumsanträge zum Elternnachzug zu Kindern, die zum Einreisezeitpunkt der Eltern volljährig sein würden, „ruhend“ zu stellen (Weisung vom 7.12.2021, Gz.: 508-2-543.53/2).

Nunmehr setzt das Auswärtige Amt in einer Weisung vom 9. September 2022 (Gz.: 508-543.53/2)die Rechtsprechung des EuGH endlich um. Dabei weist es seine Visastellen unter anderem wie folgt an:

  • Bei Visumsanträgen zum Elternnachzug zu Kindern, bei denen das Kind bei der Entscheidung über den Visumsantrag der Eltern nicht mehr minderjährig ist, gilt das Kind dennoch als minderjährig im Sinne von § 36 AufenthG, wenn
    • das Kind zum Zeitpunkt seines Asylantrags minderjährig war, und
    • das Kind zum Zeitpunkt seines Asylantrags unbegleitet war, und
    • der Visumsantrag innerhalb von drei Monaten nach Flüchtlingsanerkennung des Kindes gestellt worden ist.
  • Bei Visumsanträgen zum Kindernachzug zu Eltern, bei denen das Kind nach Stellung des Asylantrags der Eltern, aber vor Stellung des Visumsantrags volljährig wird, gilt das Kind als minderjährig im Sinne von § 32 AufenthG, wenn der Visumsantrag innerhalb von drei Monaten nach Flüchtlingsanerkennung der Eltern gestellt worden ist.

Auch das Bundesinnenministerium bezieht sich in entsprechenden Hinweisen an die zuständigen Ministerien und Senatsverwaltungen der Länder (Rundschreiben vom 7.11.2022, M3-21002/1#73)auf eine Weisung des Auswärtigen Amts vom 28. September 2022. Diese liegt uns nicht vor, scheint aber gleichlautend zu sein, wie die oben dargestellte Weisung.

Die Voraussetzungen für den Familiennachzug und die aktuellen Entwicklungen sind ausführlich dargestellt auf familie.asyl.net unter „Ausserhalb Europas“ / „Besondere Erteilungsvoraussetzungen“. Hier jeweils unter: "Nachzug des minderjährigen, unverheirateten Kindes", bzw. "Nachzug der Eltern zu unbegleiteten Minderjährigen".

Anmerkung: