BVerwG zum Zugang von NGOS zu Aufnahmeeinrichtungen

Das BVerwG hat in einem aktuellen Urteil über den Zugang von Nichtregierungsorganisationen zu Aufnahmeeinrichtungen entschieden. Ein generelles Zugangsrecht lasse sich demnach weder aus nationalem noch europäischem Recht ableiten. Ein Zugang müsse jedoch gewährt werden, wenn eine schutzsuchende Person zuvor eine Beratung durch diese Organisation ausdrücklich gewünscht habe.

Geklagt hatte der Münchener Flüchtlingsrat, der einen "Infobus" für Flüchtlinge als Kooperationsprojekt gemeinsam mit Amnesty International unterhält. Er begehrte die Zufahrt des Infobusses sowie den Zugang der Mitarbeitenden zu den oberbayerischen Aufnahmeeinrichtungen. Dort möchte der Flüchtlingsrat eine Asylverfahrensberatung durchführen. Bis zum Jahr 2018 war der Zugang zu diesem Zweck über 17 Jahre lang gewährt worden.

Vor dem Verwaltungsgericht hatte der beklagte Freistaat Bayern klargestellt, dass ein Zugang für die beratenden Personen gewährt werde, wenn diese ähnlich einem "mandatierten Rechtsanwalt" konkret von einer schutzsuchenden Person zur Beratung angefragt worden seien. Der VGH Bayern hatte die Klage insgesamt abgewiesen.

Das BVerwG  (Urteil vom 28.03.2023 - 1 C 40.21)  wies die Revision nunmehr gerichtet auf den unmandatierten Zugang zurück. Zur aktuellen Entscheidung des BVerwG liegt bislang nur die Pressemitteilung des Gerichts vor: Demnach ergebe sich der geltend gemachte Zugangsanspruch weder aus einer bisherigen Verwaltungspraxis in Verbindung mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes noch aus dem Gebot der Gleichbehandlung mit anderen zugangsberechtigten Organisationen. Unionsrechtlich gewährten weder die Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) noch Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU) Rechtsberatenden und entsprechenden Nichtregierungsorganisationen einen Anspruch auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen ohne vorherige Beauftragung. Der nach der Aufnahmerichtlinie sicherzustellende Zugang von Rechtsbeiständen oder Beratenden und einschlägig tätigen nationalen und internationalen Organisationen setze nach Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Norm den zuvor durch eine bestimmte schutzsuchende Person geäußerten Beratungswunsch voraus. Die effektive Wahrnehmung der Beratungsmöglichkeit werde dadurch nicht unangemessen erschwert. Auch aus nationalem Recht lasse sich ein solcher Anspruch nicht ableiten. Der nach Ergehen des Berufungsurteils zum 1. Januar 2023 neugefasste § 12a AsylG sehe zwar nunmehr eine behördenunabhängige, staatlich geförderte Asylverfahrensberatung vor. Er umfasse jedoch auch aktuell keinen von vorheriger Mandatierung unabhängigen Anspruch von Trägern der Asylverfahrensberatung auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen.

Der Münchener Flüchtlingsrat sieht darin eine Verunmöglichung der Etablierung eines niedrigschwelligen Informationsangebots für die Menschen, die in der Regel erst seit kurzem in Deutschland sind und weder die örtlichen Gegebenheiten kennen noch Deutsch sprechen. Deshalb biete der Infobus eine aufsuchende, muttersprachliche Beratung in den Unterkünften an, um insbesondere vulnerable Gruppen niedrigschwellig über ihre Rechte zu informieren. Im Ergebnis führe dies dazu, dass die Beratung des Münchener Flüchtlingsrats auf Parkplätzen oder Straßen vor den Unterkünften angeboten werden müsse.

(zuvor: VGH München, VGH 5 BV 19.2245 - Urteil vom 29. Juli 2021 und VG München, VG M 30 K 18.876 - Urteil vom 06. Juni 2019)