"Weitestgehende" Aussetzung von Dublinverfahren syrischer Staatsangehöriger

Verschiedene Berichte, wonach Deutschland die Abschiebungen syrischer Staatsangehöriger in andere europäische Staaten generell ausgesetzt habe, sind von den deutschen Behörden nur teilweise bestätigt worden. Darauf weist Pro Asyl in einer Pressemitteilung hin.

Verschiedene Medien hatten in den letzten Tagen unter Berufung auf eine neue Leitlinie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) berichtet, dass Deutschland die Anwendung der Dublin-Verordnung für syrische Asylsuchende vollständig ausgesetzt habe. Das hätte bedeutet, dass im Rahmen des sogenannten Dublinverfahrens keine Syrerinnen und Syrer in andere europäische Staaten überstellt werden, auch wenn diese zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens wären. Es herrschte aber Unklarheit darüber, ob die zitierte Leitlinie des BAMF bereits in Kraft war.

Laut Pro Asyl hat das BAMF nun die folgende offizielle Sprachregelung mitgeteilt:

"Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt. Die noch nicht abgeschlossenen Verfahren werden in Deutschland bearbeitet. Es handelt sich bei der Neuregelung um eine Leitlinie des Bundesamtes, nicht um eine formal bindende Vorgabe. [...]"

Laut dieser Mitteilung stellt die "Leitlinie" des BAMF also eine Handlungsempfehlung dar, die nicht mit einer Weisung vergleichbar ist. Es ist daher laut Pro Asyl davon auszugehen, dass Dublinverfahren von Syrerinnen und Syrern nicht generell ausgesetzt wurden, sondern in Einzelfällen Abschiebungen in andere europäische Länder weiterhin möglich sind.

Ergänzend weist Pro Asyl darauf hin, dass die Leitlinie nur für Flüchtlinge im Dublin-Verfahren gilt. Syrische Flüchtlinge, die in einem anderen Mitgliedsstaat der EU als Flüchtlinge anerkannt wurden, sind hiervon nicht begünstigt, da auf sie die Dublin-III-Verordnung nicht anwendbar ist.

Laut der "Ergänzenden Asylstatistik" für das zweite Quartal 2015 (Anwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion "Die Linke") waren syrische Staatsangehörige bislang am häufigsten von Dublinverfahren betroffen. Nur wenige dieser Verfahren endeten aber damit, dass die betroffenen Personen in ein anderes europäisches Land überstellt wurden: So richtete Deutschland im ersten Halbjahr 2015 in 6168 Fällen syrischer Asylsuchender sogenannte Übernahmeersuchen an andere europäische Länder. Nur 108 Syrerinnen und Syrer wurden in diesem Zeitraum aber tatsächlich an andere Staaten überstellt.