In der Rechtsprechungsübersicht werden sowohl Dublin-Verfahren in den Blick genommen als auch Verfahren von Personen, die in einem anderen europäischen Staat internationalen Schutz erhalten haben. Bei beiden Fallgruppen stellt sich die Frage, ob eine Abschiebung in einen der osteuropäischen Staaten zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt durchführbar ist bzw. ob den Betroffenen nach einer möglichen Abschiebung in diese Staaten eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen könnte. Dies könnte dann der Fall sein, wenn diese Staaten durch die Ankunft von Schutzsuchenden aus der Ukraine überlastet wären oder wenn nicht-ukrainischen Asylsuchenden der Zugang zu den Asyl- und Aufnahmesystemen verweigert würde.
Es zeigt sich, dass die Rechtsprechung hinsichtlich einzelner Länder sehr uneinheitlich ist. So haben einige Gerichte Abschiebungen nach Polen gestoppt, weil die dortigen Aufnahmekapazitäten so überlastet seien, dass Betroffene in eine extreme Notlage geraten könnten. Andere Gerichte sehen demgegenüber keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Lebensbedingungen für Betrofene in Polen so sehr verschlechtert hätten, dass eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bestünde.
In der Rechtsprechungsübersicht werden aktuelle Gerichtsentscheidungen zusammengestellt, die Fragen der Rückführungen nach Polen, in die Slowakei sowie nach Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Litauen behandeln. Dabei wird deutlich, dass Gerichte unterschiedlich mit den veränderten Aufnahmebedingungen aufgrund vieler Geflüchteter aus der Ukraine umgehen: Einige Gerichte berufen sich auf den Grundsatz gegenseitigen Vertrauens, wonach innerhalb des gemeinsamen europäischen Asylsystems die widerlegbare Vermutung gilt, dass andere Mitgliedstaaten ihren menschen- und eurooarechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Erkenntnisse, die diese Vermutung widerlegen würden, bestünden laut diesen Gerichten nicht. Andere Gerichte sehen Anzeichen für eine wesentliche Verschlechterung der Aufnahme- und Lebensbedingungen und gewähren deshalb Eilrechtsschutz oder erheben Beweis über die Situation vor Ort. Insbesondere Letzteres könnte auch zu einer größeren Vereinheitlichung der Rechtsprechung beitragen.