OVG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.01.2007 - 3 M 318/06 - asyl.net: M10214
https://www.asyl.net/rsdb/M10214
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Rechtsschutzinteresse, Fortgeltungsfiktion, Verlängerung, Aufenthaltserlaubnis, freiwillige Ausreise, Wiedereinreise, Abschiebungsandrohung
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 81 Abs. 4; AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 6; VwGO § 123
Auszüge:

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 ist unzulässig geworden, weil dem Antragsteller aufgrund seiner im Lauf des Beschwerdeverfahrens erfolgten freiwilligen Ausreise nach Marokko das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt.

Die Sachentscheidungsvoraussetzung des allgemeinen Rechtsschutzinteresses fehlt, wenn ein Rechtsbehelf von vorn herein nutzlos ist, weil er nicht geeignet ist, die subjektive Rechtsstellung des Rechtsschutz Begehrenden zu verbessern (BVerwG, Urt. v. 09. Februar 1995 - 4 C 23.94 - NVwZ 1995, 894, m. w. N.). Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ablehnende Entscheidung des Antragsgegners vom 29.08.2006 würde sich die Rechtsstellung des Antragstellers nicht verbessern.

Insbesondere könnte er sich im Fall einer gerichtlichen Aussetzungsentscheidung nicht (wieder) auf die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG berufen. Nach dieser Vorschrift gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn der Ausländer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Zwar dürfte der Inhaber der Rechtsposition aus § 81 Abs. 4 AufenthG in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG einen Rechtsanspruch auf Wiedereinreise haben, wenn er das Bundesgebiet aus einem seiner Natur nach nur vorübergehenden Grund verlassen hat, da dann das gesetzliche Aufenthaltsrecht nicht erlischt (vgl. zur Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG: VGH BW, Beschl. v. 15.10.2003 - 13 S 1618/03 -, VBlBW 2003, 154). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hat jedoch nicht zur Folge, dass die mit der Versagung beendete Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG wieder auflebt; denn die behördliche Ablehnung ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der nach der Konzeption des Gesetzgebers unbeschadet einer gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Ausländers beendet (Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, II-§ 81 RdNr. 62, m. w. Nachw.; Hailbronner, AuslR, A 1, § 81 RdNr. 33; vgl. zu § 69 Abs. 3 AuslG: BVerwG, Beschl. v. 01.02.2000 - 1 C 14.99 -, InfAuslR 2000, 274 [275]; VGH BW, Beschl. v. 15.10.2003, a. a. O.). Diese Konzeption wird bekräftigt durch § 84 Abs. 3 Satz 2 AufenthG; danach tritt eine Unterbrechung der Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts (nur dann) nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird. Folge der vom Gericht angeordneten aufschiebenden Wirkung ist lediglich der Ausschluss der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht des Ausländers (§§ 50, 58 Abs. 2 Satz 2, 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), der dazu führt, dass er - solange er sich im Bundesgebiet befindet - einstweilen so zu behandeln ist, als gelte sein Aufenthaltstitel als fortbestehend (vgl. VGH BW, Beschl. v. 15.10.2003, a. a. O.).

Im Fall der freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet kommt indes eine Aussetzung der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nicht in Betracht; denn damit erlischt die für den Ausländer aufgrund der behördlichen Ablehnungsentscheidung bestehende Ausreisepflicht. Eine andere Beurteilung kommt lediglich dann in Betracht, wenn die Ausreise nur deshalb erfolgt ist, um eine drohende Abschiebung zu vermeiden, da in diesen Fällen die (vollziehbare) Ausreisepflicht fortbestehen dürfte (so Funke-Kaiser, a. a. O., § 81 RdNr. 73, § 59 RdNr. 152; VGH BW, Beschl. v. 15.10.2003, a. a. O.). Der Antragsteller ist aber nicht ausgereist, um seine Abschiebung abzuwenden, sondern um seinem in Marokko lebenden erkrankten Bruder Hilfe zu leisten.

Der Antragsteller könnte durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs seine Rechtsposition auch nicht hinsichtlich der im Versagungsbescheid enthaltenen Abschiebungsandrohung verbessern. Auch diese ist durch die freiwillige Ausreise obsolet geworden.