OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 30.05.2007 - 7 ME 116/07 - asyl.net: M10492
https://www.asyl.net/rsdb/M10492
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Bleiberechtsregelung 2006, Erlasslage, Abschiebungsstopp, Gleichheitsgrundsatz, Versagungsgründe, Untertauchen, Behinderung der Aufenthaltsbeendigung, IMK-Beschluss
Normen: AufenthG § 60a Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Auszüge:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 03. April 2007 bleibt ohne Erfolg. Die mit der Beschwerde angeführten Gründe rechtfertigen eine Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

Die Antragstellerin kann den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Duldung bzw. auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 60 a Abs. 1 AufenthG nicht auf den "Bleiberechtsbeschluss" der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006 stützen. Oberste Landesbehörde i.S.d § 60 a Abs. 1 AufenthG ist das Niedersächsische Ministeriums für Inneres und Sport, dass das ihm in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen durch seinen Runderlass vom 6. Dezember 2006, Nds.MBl. 2007, 43 (im Folgenden: Runderlass) behördenintern gebunden hat und so das Ermessens steuert, das die Ausländerbehörden im Einzelfall unter Beachtung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG auszuüben haben.

Das Ermessen der obersten Landesbehörde gemäß § 60 a AufenthG ist lediglich durch die im Gesetz genannten Motive ("aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland") dahin begrenzt, dass eine Anordnung nicht aus anderen Gründen erlassen werden darf. Dabei ist allerdings der Begriff der "politischen Interessen der Bundesrepublik" wiederum sehr weit. Aus der Natur der Sache folgt, dass die oberste Landesbehörde weitgehend frei ist, wie sie die politischen Interessen der Bundesrepublik definiert und ann sie deshalb die Voraussetzungen für den Erlass einer Anordnung als gegeben ansehen darf. Es handelt sich um eine politische Entscheidung, die grundsätzlich einer gerichtlichen Überprüfung nicht unterliegt. Dementsprechend kann die oberste Landesbehörde den von der Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen. Sie kann dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2000 - 1 C 19.99 -, BVerwGE 112, 63, 69 zum insoweit gleichlautenden § 32 AuslG).

Die Antragstellerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, die niedersächsische Behördenpraxis verstoße gleichheitswidrig gegen die Praxis anderer Bundesländer. § 60 a AufenthG betrifft Anordnungen eines einzelnen Bundeslandes; die Vorschrift setzt eine bundeseinheitliche Regelung nicht voraus. Vor diesem Hintergrund ist der Beschluss der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006 als Rahmenvereinbarung anzusehen, deren Ausfüllung den obersten Landesbehörden obliegt. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist demnach, ob der Gleichheitssatz bei der Anwendung innerhalb des Geltungsbereichs der Anordnung gewahrt worden ist. Insoweit trägt die Antragstellerin jedoch nichts vor.

Entgegen ihrer Ansicht stehen die Regelungen Nr. 3.5 und 3.6 des Runderlasses nicht in Widerspruch zum Beschluss der Innenministerkonferenz. Dessen Nr. 3.1 verlangt einen ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet. Der Runderlass konkretisiert dies u.a. dahingehend, dass die Begünstigen seit dem sie betreffenden Einreisestichtag ununterbrochen im Besitz einer Duldung, Aufenthaltsgestattung, Aufenthaltsbefugnis oder Aufenthaltserlaubnis sein müssen. Diese Regelung kann dahingehend verstanden werden, dass sie festlegt, auf welche Weise die Begünstigten diese Anspruchsvoraussetzung zu belegen haben. Auf diese Weise lässt sich der ununterbrochene Aufenthalt im Bundesgebiet zumindest indiziell der jeweiligen Ausländerakte bzw. dem Ausländerzentralregister entnehmen; dies vereinfacht die gleichmäßige Anwendung des Ermessens durch die Ausländerbehörden. Die Antragstellerin war nicht durchgehend im Besitz eines der angegebenen Aufenthaltspapiere, sondern vielmehr seit dem Bescheid der Hansestadt Greifswald vom 12. Mai 2000 (bestandskräftig seit 17. Juni 2000) bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis am 04. März 2003 nach Eheschließung mit einem Deutschen vollziehbar ausreisepflichtig.

Darüber hinaus liegt der Versagungsgrund nach Nr. 5.1.1 des Runderlasses vor, weil die Antragstellerin durch ihr Verhalten behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung hinausgezögert oder behindert hat. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist dieses Verhalten auch zielgerichtet gewesen, so dass es auf die Frage nicht ankommt, ob das Verhalten vorsätzlich i.S.d. Nr. 6.2 des Beschlusses der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006 sein muss, um den Ausschlusstatbestand zu erfüllen. Zwischenzeitliches Untertauchen gehört zu den typischen Fällen vorsätzlicher Ausreiseverzögerung (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2000, a.a.O.).