LSG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.08.2007 - L 20 B 30/07 AY ER - asyl.net: M11525
https://www.asyl.net/rsdb/M11525
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Aufenthaltsdauer, Rechtsmissbrauch, freiwillige Ausreise, Zumutbarkeit, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Abschiebungshindernis, Krankheit, Aufenthaltsdauer, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht im Wege der einstweiligen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verpflichtet, den Antragstellern ab dem 21.07.2006 bis zum 31.03.2007 Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu erbringen.

Zwar hält der Senat angesichts der zwischenzeitlich zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit im Sinne des § 2 AsylbLG vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.02.2007 (B 9b AY 1/06 R) nicht an seiner ständigen Rechtsprechung, der sich das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss angeschlossen hat, fest, dass allein die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise eines geduldeten Ausländers Rechtsmissbräuchlichkeit im Sinne des 2 Abs. 1 AsylbLG nicht begründet. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) davon auszugehen, dass bei trotz erteilter Duldung gemäß § 60a Abs. 1 AufenthaltsG fortbestehender Ausreiseverpflichtung die (ausländerrechtliche) Forderung, selbstständig auszureisen und damit den nicht rechtmäßigen Aufenthalt zu beenden, bestehen bleibt.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt Rechtsmissbräuchlichkeit aber voraus, dass der Ausreiseverpflichtung vorwerfbar nicht nachgekommen wird. Vorwerfbar handelt ein Ausländer hinsichtlich seiner Ausreiseverpflichtung, wenn er nicht ausreist, obwohl ihm dies möglich und zumutbar wäre (BSG, a.a.O., RdNr. 21).

Das BSG hat insoweit, was von der Antragsgegnerin offenbar übersehen wird, ausgeführt, die Ausreise sei nicht erst bei zielstaatsbezogenen Gefahren für Freiheit, Leib oder Leben unzumutbar, vielmehr könnten auch weniger gewichtige Gründe die Ausreise unzumutbar machen. Ein solcher Bleibegrund könne z.B. auch die besondere Situation von Ausländern sein, denen sich Ausreisemöglichkeiten erst nach jahrelangem Aufenthalt in Deutschland eröffnen (BSG, a.a.O., RdNr. 27). Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Antragsteller sich bereits seit 1995 bzw. 1998 in Deutschland aufhalten.

Zur Überzeugung des Senats sprechen zudem gewichtige Gründe dafür, dass etwa auch eine Erkrankung, wie sie der Antragstellerin zu 2) bescheinigt wird, die Ausreise unzumutbar machen kann (vgl. Landessozialgericht NRW, Urteil vom 19.04.2007, L 9 AY 1/05: Reiseunfähigkeit wegen einer schwerwiegenden posttraumatischen Störung). Eine abschließende Überprüfung wird insoweit dem Hauptsachverfahren vorbehalten bleiben müssen, da insoweit zumindest weitere, ggf. auch umfangreiche, medizinische Aufklärung in Betracht zu ziehen sein wird.