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Zitieren als:
, Bescheid vom 16.08.2007 - 5207367-283 - asyl.net: M11828
https://www.asyl.net/rsdb/M11828
Leitsatz:
Schlagwörter: Togo, Widerruf, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Änderung der Sachlage, politische Entwicklung, Menschenrechtslage, Oppositionelle, Mitglieder, Situation bei Rückkehr, Antragstellung als Asylgrund, Grenzkontrollen
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 3; AufenthG § 60 Abs. 2; AufenthG § 60 Abs. 5; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

1. Die Feststellung, dass ein Abschiebungshindernis gem. § 53 Abs. 6 AuslG vorliegt, ist gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG zu widerrufen.

Die veränderte Lage in Togo kann die Aufrechterhaltung des damals gewährten Schutzes nicht mehr rechtfertigen. Präsident Eyadéma, ist im Februar 2005 verstorben und das Regime, für das der Ausländer als ernst zu nehmende Gefahr erachtet wurde, existiert nach dessen Tod in der damaligen Form nicht mehr. Zudem ist in Togo ein Änderungsprozess im Gange, der im Umgang mit Oppositionellen bereits eine deutliche Veränderung der Sachlage zeigt. Der neue Präsident Faure trat im April 2006 in einen strukturierten Dialog mit der Opposition ein. Im September 2006 wurde eine Regierung unter Führung des Oppositionspolitikers Agboyibo (CAR) gebildet (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Togo vom 30.11.2006, Az.: 508-516.80/3 TGO).). 2002 hatte der damalige Präsident Eyadéma noch Agboyibo verhaften und ein Gerichtsverfahren gegen ihn eröffnen lassen. Heute können Oppositionsparteien frei agieren, seit Ende 2005 wurden gezielte Übergriffe staatlicher Organe und regierungsnaher sonstiger Gruppen gegen Oppositionelle nicht mehr gemeldet (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 30.11.2006, a.a.O.). Auch wenn das Auswärtige Amt auf den Vorbehalt hinweist, unter dem seine positive Bewertung der aktuellen Entwicklungen in Togo steht, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass heute noch ein Verfolgungsinteresse an Jahre zurückliegenden politischen Aktivitäten gegen das Regime Eyadéma besteht.

Nicht nur das Auswärtige Amt, auch der UNHCR stellt in einer Aktualisierung seiner Position fest, dass sich seit seiner letzten Stellungnahme im August 2005 die Situation in Togo stabilisiert und auf unterschiedliche Weise verbessert hat. Ernsthafte und willkürliche Bedrohungen für Leben, physische Unversehrtheit oder Freiheit durch allgemeine Gewalt oder Ereignisse der Störung der öffentlichen Ordnung treten nicht mehr auf. Gleichwohl bestehen ernsthafte Probleme, die eine sorgfältige Erwägung der von den um internationalen Schutz nachsuchenden togoischen Staatsbürgern vorgelegten Asylgründe rechtfertigen (s. UNHCR, Update an International Protection Needs of Asylum-Seekers From Togo, 07.08.2006). Auch das U.S. Department of State berichtet von Fortschritten bei der Verbesserung der Menschenrechte vor dem Tod des früheren Staatspräsidenten Eyadéma. Nach seinem Tod verschlechterte sich die Menschenrechtslage im Rahmen der die Wahlen von 2005 begleitenden Gewalt vorübergehend. Die aktuelle Regierung unter Präsident Faure Gnassingbé zeigt aber ihren Willen zu einer Verbesserung der Menschenrechtsbilanz Togos (s. Country Reports an Human Rights Practices - 2005, Togo, 08.03.2006).

Opfer von Repressionen wurden in der Vergangenheit vor allem politisch aktive Mitglieder der Opposition. Dabei war weniger der Rang in oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei - politisch aktive Personen in Togo sind fast immer in Parteien organisiert - als der Grad der politischen Aktivität und deren Beachtung durch die Bevölkerung ausschlaggebend (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 07.06.2004, Az.: 508-516.80/3 TGO). Gesellschaftspolitisch aktive Personen wurden teilweise verbal eingeschüchtert, bedroht, geschlagen, von ihrem Wohnsitz vertrieben, gefoltert oder ermordet. Opfer solcher Repressionen waren besonders häufig aus politischen Gründen desertierte Angehörige der Sicherheitskräfte, ehemalige Angehörige der Staatspartei RPT (besonders, wenn sie der Heimat-Ethnie des verstorbenen Präsidenten angehören und sich nun oppositionell betätigen) und gewaltbereite Angehörige der Opposition. Auch auf allgemein engagierte Parteimitglieder oppositioneller Parteien wurde Druck ausgeübt, u.a. durch Drohung mit Verlust des Arbeitsplatzes oder bei Staatsbediensteten mit Versetzung. Bloße Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei (wie auch Verwandtschaft mit einem Oppositionsmitglied) stellt keinen Verfolgungsgrund dar (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 30.11.2006 und vom 23.02.2006, Az.: 508-516.80/3 TGO).

Seit dem Beginn des noch nicht institutionalisierten "nationalen Dialogs" Ende 2005 wurden dem Auswärtigen Amt zufolge gezielte Übergriffe staatlicher Organe und regierungsnaher sonstiger Gruppen gegen Oppositionelle nicht mehr gemeldet. So können mittlerweile alle Oppositionsparteien frei agieren (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 30.11.2006, Az.: 508-516.80/3 TGO).

Amnesty international geht angesichts der die Präsidentenwahlen von 2005 begleitenden Gewaltausbrüche davon aus, dass hinsichtlich der Verfolgung Oppositioneller keine Unterscheidung zwischen prominenten bzw. ranghohen und einfachen Anhängern der Opposition gemacht wird (amnesty international Deutschland, Die Menschenrechtssituation in den Herkunftsländern: Ablehnungen und Widerrufe sind nicht gerechtfertigt, 27.09.2005, www2.amnesty.de/internet/Gutachtensf/AlleDok/37F3C7CE23427A5CC1257090004E3A9D, aufgerufen am 19.10.2005). UNHCR teilte ursprünglich diese Position (UNHCR's Position on the Treatment of Asylum Seekers From Togo, 02.08.2005, S. 3f; deutsche Fassung vom 30.08.2005). In einer Aktualisierung seiner Position stellt UNHCR fest, dass sich in den zwölf Monaten seit Veröffentlichung der genannten Stellungnahme die Situation in Togo stabilisiert und auf unterschiedliche Weise verbessert hat. Oppositionsführer, die zuvor um ihr Leben gefürchtet hätten, fühlen sich jetzt ausreichend beruhigt, um in Lomé zu leben. Andere wurden in die Regierung der nationalen Einheit aufgenommen (UNHCR, Update on International Protection Needs of Asylum-Seekers From Togo, 07.08.2006). Nach einer Darstellung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe haben oppositionell denkende und handelnde Togoer im Falle ihrer Rückkehr nach Togo gegenwärtig mit hoher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu gewärtigen (Angela Benidir-Müller, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Togo, Update, 30.09.2005).

Aus den Menschenrechtsverletzungen, die Sicherheitskräfte und Milizen nach den im Nachgang der Präsidentenwahlen vom 24. April 2005 ausgebrochenen Unruhen verübten, ist jedoch keine grundlegende Änderung der aktuellen Verfolgungsabsicht togoischer Stellen abzuleiten, dergestalt, dass nun alle Oppositionsanhänger grundsätzlich und unterschiedslos von Verfolgungsmaßnahmen bedroht wären. Vielmehr ist nun wiederum festzustellen, dass keine Referenzfälle politischer Verfolgung einfacher Mitglieder der Opposition nachweisbar sind.

Die überwiegende Rechtsprechung geht von keiner beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit bloßer Mitglieder von Oppositionsparteien aus (vgl.: OVG Greifswald, Beschluss vom 15.11.2005, Az.: 2 L 465/04 sowie die insoweit auf die Neufassung des Ausländergesetzes übertragbaren Entscheidungen: OVG Weimar, Beschluss vom 15.03.2002, Az.: 2 KO 223/98; OVG Lüneburg, Beschluss vom 07.03.2000, Az.: 3 L 137/97; VGH München, Urteil vom 30.03.1999, Az.: 25 B 96.32032; OVG Schleswig, Urteil vom 23.03.1999, Az.: 4 L 159/98; OVG Münster Urteil vom 18.06.1997, Az.: 23 A 1116/95.A; OVG Frankfurt a.O., Urteil vom 29.05.1997, Az.: 4 A 175/95.A).

Auf Grund der Asylantragstellung in Deutschland hat der Ausländer nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit mit der Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung in Togo zu rechnen.

Ausreichende Auskünfte bzw. entsprechende Referenzfälle, welche eine konkrete Gefährdung von abgeschobenen Asylbewerbern belegen könnten, liegen nicht vor.

Eine menschenrechtswidrige Behandlung bei einer Einreise nach Togo kann daher heute mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

2. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen nicht vor.