VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Gerichtsbescheid vom 18.10.2007 - 3 A 25/07 - asyl.net: M12119
https://www.asyl.net/rsdb/M12119
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungskosten, Kosten, amtliche Begleitung, Vorführung, Auslandsvertretung, Personalkosten, Bundespolizei, Bordgewalt, Flugzeug
Normen: AufenthG § 66 Abs. 1; AufenthG § 67 Abs. 1; AufenthG § 67 Abs. 3; AufenthG § 58 Abs. 1; AufenthG § 58a Abs. 2 S. 3; LuftSiG § 12 Abs. 1; LuftSiG § 12 Abs. 3; BPolG § 4a
Auszüge:

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.

Die Heranziehung des Klägers durch die Beklagte zur Erstattung von Abschiebungskosten im Bescheid vom 07. November 2005 ist, soweit diese noch geltend gemacht werden, rechtmäßig und verletzt den Kläger insoweit nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Kosten für die Botschaftsvorführung sind gemäß § 67 Abs. 1 AufenthG vom Kläger zu tragen, da dessen Vorführung unabhängig von der Rechtswidrigkeit seiner Abschiebehaft erforderlich war. Denn der Kläger hat zu keiner Zeit an der Beschaffung der benötigten Reisedokumente mitgewirkt. Insbesondere hat er die Möglichkeit, sich die notwendigen Unterlagen durch einen Antrag bei der türkischen Botschaft bzw. vor Antritt seiner Haft zu beschaffen, nicht genutzt.

Auch die Geltendmachung der Kosten für die polizeiliche Begleitung des Klägers während seiner Rückführungen (Personal- und Flugkosten) durch jeweils zwei Beamte der Beigeladenen führt nicht zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Denn die amtliche Begleitung des Klägers während des Rückführungsfluges war erforderlich i. S. d. § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Die Entscheidung über den Einsatz von Begleitbeamten während des Fluges trifft ausschließlich die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörde, also die Beigeladene. Sie allein ist für die ordnungsgemäße Durchführung der Rückführungsmaßnahme verantwortlich. Dabei hat sie in eigener Zuständigkeit alle sicherheitsrelevanten Umstände zu berücksichtigen, zu denen u. a. neben der eigenen Einschätzung der individuellen Gefährlichkeit des Ausländers in der Situation der Abschiebung und den allgemeinen Flugsicherheitsvorschriften auch die Personenbeschreibung des zuständigen Ausländeramtes gehört (vgl. OVG Münster, Urt. v. 18.06.2001 – 18 A 702/97 – , NVwZ-RR 2002, S. 69 f.). Eine unbegleitete Abschiebung auf dem Luftwege kommt nur dann in Betracht, wenn die mit der Abschiebung betraute Behörde angesichts des ihr bekannten Sachverhalts mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass der abzuschiebende Ausländer sich weder der Abschiebung widersetzt, noch im Übrigen eine Gefährdung der Flugsicherheit von ihm ausgeht.

Vorliegend spricht schon das Profil des Klägers für die Annahme, dass die von der Beigeladenen verfügten Begleitungen des Klägers durch jeweils zwei Begleitbeamte erforderlich waren. Denn die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger schon vor seiner ersten Abschiebung mehrfach Gewalttaten begangen hatte, wegen derer er auch verurteilt wurde. Außerdem wurde er vom Landeskriminalamt Niedersachsen nachweislich als "Ausbrecher" geführt. Aufgrund dieser vom Kläger offenbarten Gewalt- und Fluchtbereitschaft durfte die Beklagte davon ausgehen, dass auch bei den beiden Rückführungen jeweils mit Widerstand des Klägers zu rechnen sein würde. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den Rückführungsflügen jeweils um Linienflüge gehandelt hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers war die Begleitung durch die Bundespolizeibeamten auch nicht wegen fehlender Eingriffbefugnisse der Begleitbeamten von vornherein rechtswidrig. Denn die Bundespolizei ist gemäß § 58a Abs. 2 Satz 3 AufenthG i.V.m. dem Bundespolizeigesetz (BPolG) für den Vollzug von Abschiebungen zuständig. Dem Kläger ist zwar insoweit zuzustimmen, dass grundsätzlich der verantwortliche Luftfahrzeugführer als Beliehener für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord des im Flug befindlichen Luftfahrzeuges zu sorgen hat und zu diesem sogar Zwangsmittel anwenden darf. Dies folgt jedoch entgegen klägerischer Ansicht nicht aus § 29 Abs. 3 Luftverkehrsgesetz, der inzwischen aufgehoben worden ist, sondern aus § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG). Soweit es sich um ein deutsches Flugzeug handelt, welches sich über deutschem Luftraum befindet, bestehen daneben eigene Eingriffsbefugnisse der Bundespolizeibeamten auch während des Fluges unmittelbar gemäß § 4a BPolG. Sie müssen sich dabei mit dem verantwortlichen Luftfahrzeugfahrzeugführer abstimmen (vgl. van Schyndel, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Band 1.3 - Luftsicherheitsgesetz -, Stand: 50. Aktualisierungslieferung August 2007, § 12 Rn. 69 ff.). Nach völkergewohnheitsrechtlicher Anerkennung liegt die originäre Bordgewalt aber auch in Ländern, in denen keine vergleichbaren Regelungen existieren, bei dem Flugzeugführer (Baumann, Die "Bordgewalt" bei Abschiebungen auf dem Luftweg als Rechtsproblem, in: ZLW 2000, S. 174, 178). Sie ist also unabhängig von dessen Nationalität oder von der staatlichen Zuordnung des Zivilflugzeugs. Diese Bordgewalt kann der Flugzeugführer im Falle einer Gefährdung der Sicherheit und Ordnung an Bord durch den Abzuschiebenden während des Fluges auf mitreisende Beamte der Bundespolizei delegieren (vgl. Bundesinnenministerium, BT-Drucks. 14/1454 v. 27. Juli 1999, S. 3 und Baumann, a.a.O., S. 174) und diese zur Ausführung der erforderlichen Maßnahmen ermächtigen. Weigert sich der Abzuschiebende schon auf dem deutschen Abflughafen, die Maschine überhaupt zu betreten, stehen den Beamten der Bundespolizei die originären Zwangsbefugnisse nach Maßgabe des Bundespolizeigesetzes zu, um ihn zum Einsteigen zu bewegen. Einer Übertragung von Eingriffsbefugnissen durch den Luftfahrzeugführer bedarf es also allenfalls nach Schließen der Außentüren. Der Einsatz der Bundespolizeibeamten hätte auch nicht durch mitreisende private Sicherheitsleute ersetzt werden können. Denn die Beigeladene als polizeiliche Kontrollbehörde muss sich auf die von ihr ausgewählten Begleitpersonen verlassen können. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn sie im Rahmen ihrer Gefährdungsprognose ausschließlich auf eigene Beamte zurückgreift, deren personelle Leistungsfähigkeit sie konkret einzuschätzen weiß.