OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.12.2007 - 15 A 3294/07.A - asyl.net: M12141
https://www.asyl.net/rsdb/M12141
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, Berufungszulassungsantrag, grundsätzliche Bedeutung, Rechtskraft, Rechtskraftwirkung, Anerkennungsbescheid, Bindungswirkung, Urteil
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; VwGO § 121; AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 51 Abs. 3
Auszüge:

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht vorliegt.

Die von der Beklagten als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen, "ob eine derartige Bindungswirkung auch bei fehlender Identität der Streitgegenstände eintritt" und "ob eine Bindungswirkung der Entscheidung bezüglich der Asylanerkennung im Hinblick auf den Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG eintreten kann, wenn beide Ansprüche nach der Regelung des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG bzw. § 3 Abs. 2 AsylVfG insoweit scheitern, dass sie von vornherein nicht vorliegen, d.h. ob sich eine Bindungswirkung auch auf einen nicht realisierbaren Anspruch beziehen kann", haben keine grundsätzliche Bedeutung.

Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des VG Magdeburg vom 3.01.2003 steht mit bindender Wirkung fest, dass der Kläger Asylberechtigter ist. Dies hatte nach § 51 Abs. 2 Nr. 1 AuslG a.F. zur Folge, dass bei dem Kläger auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a. F. vorlagen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.4.1998 - 9 C 1/97 -, NVwZ 1998, 1085).

Der von der Beklagten zurückgenommene Bescheid war deshalb rechtmäßig. Die dagegen gerichteten Einwände der Beklagten greifen nicht durch. Sie vertritt die Auffassung, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts entfalte hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a. F. keine Bindungswirkung, weil das Gericht lediglich geklärt habe, dass § 26a AsylVfG einer Asylgewährung nicht entgegenstehe, darüber hinaus aber keine Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens politischer Verfolgung getroffen habe. Insoweit sei die materielle Sachentscheidung bereits durch den Bescheid des Bundesamtes vom 10.06.2002 gefallen, durch den bestandskräftig festgestellt worden sei, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. vorlagen. Diese Auffassung ist unzutreffend. Der Feststellung des Bundesamtes zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. kam für das nachfolgende gerichtliche Verfahren betreffend Art. 16a GG keine Bindungswirkung zu. Vielmehr war das Verwaltungsgericht Magdeburg von Rechts Wegen gehalten, das Vorliegen politischer Verfolgung eigenständig zu prüfen, und es ist dieser Aufgabe ausweislich der Urteilsgründe auch nachgekommen. Verwaltungsakte entfalten gemäß Art. 20 Abs. 3 GG und § 43 VwVfG eine Tatbestandswirkung des Inhalts, dass die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung als gegeben hingenommen werden muss, mithin dass der Bescheid mit dem von ihm in Anspruch genommenen Inhalt von allen rechtsanwendenden Stellen zu beachten und eigenen Entscheidungen zugrunde zu legen ist. Eine darüber hinaus gehende Feststellungswirkung kommt Verwaltungsakten dagegen nur zu, wenn sie ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.10.2006 - 8 C 23/05 -, Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 35; Beschluss vom 25. 06.2007 - 4 BN 17/07 -, BauR 2007, 1712).

Hiervon ausgehend hat der Bescheid des Bundesamtes vom 10.06.2002 allein die Wirkung, dass die durch ihn ausgesprochene Rechtsfolge, die für den Kläger getroffene Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 AuslG a.F., von allen rechtsanwendenden Stellen zu beachten ist. Den dieser Rechtsfolge zugrundeliegenden tatsächlichen und rechtlichen Wertungen der Behörde kommt dagegen mangels gesetzlicher Anordnung keine Bindungswirkung (Feststellungswirkung) zu. Die bindende Rechtsfolge – Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausl G a.F. – ist jedoch für das gerichtliche Asylanerkennungsverfahren nicht präjudiziell und deshalb insoweit ohne rechtliche Bedeutung.