OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.01.2008 - 18 E 359/07 - asyl.net: M12388
https://www.asyl.net/rsdb/M12388
Leitsatz:

§ 104 a Abs. 2 S. 1 AufenthG ist eine eigenständige Regelung, die nicht von den Voraussetzungen des § 104 a Abs. 1 AufenthG abhängig ist; mangels ausdrücklichen Ausschlusses müssen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Abs. 2 S. 1 AufenthG grundsätzlich erfüllt sein.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, Krankheit, psychische Erkrankung, Passlosigkeit, Vertretenmüssen, Mitwirkungspflichten, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung, Syrien, Syrer, Zivilregisternummer, Altfallregelung, Behinderung der Aufenthaltsbeendigung, Verzögerung der Aufenthaltsbeendigung, volljährige Kinder, Integration, Zukunftsprognose, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten
Normen: VwGO § 166; ZPO § 114; AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 4; AufenthG § 104a Abs. 2 S. 1; AufenthG § 5
Auszüge:

§ 104 a Abs. 2 S. 1 AufenthG ist eine eigenständige Regelung, die nicht von den Voraussetzungen des § 104 a Abs. 1 AufenthG abhängig ist; mangels ausdrücklichen Ausschlusses müssen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Abs. 2 S. 1 AufenthG grundsätzlich erfüllt sein.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Beschwerde der Kläger zu 1., 2. und 4. gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ist abzulehnen, weil deren beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehend dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO). Demgegenüber hat die Rechtsverfolgung der Klägerin zu 3., die auch dargetan hat, die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen zu können, hinreichende Erfolgsaussichten, so dass ihr Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen und gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO Rechtsanwältin I. beizuordnen ist.

I. Keinem der Kläger steht aller Voraussicht nach ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu.

1. Zunächst ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht davon auszugehen, dass die Ausreise bzw. Abschiebung der Klägerin zu 2. wegen Reiseunfähigkeit unmöglich wäre. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein inlandsbezogenes Ausreise- bzw. Abschiebungshindernis in Form der Reiseunfähigkeit anzunehmen sein, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Ausreise bzw. Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich verschlechtern wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 3. März 2005 - 18 B 339/05 -, vom 24. März 2005 - 18 B 1660/04 und vom 11. Oktober 2005 - 18 A 3204/05 -, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Als Maßstab kann insoweit – womit auch Wertungswidersprüche vermieden werden – auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zurückgegriffen werden: Eine durch die Ausreise eintretende Gesundheitsverschlechterung ist jedenfalls dann nicht mehr zumutbar, wenn dadurch konkrete erhebliche Gefahren für die Gesundheit des Betreffenden von einem Gewicht einzutreten drohen, dass sie gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einer Abschiebung entgegenstünden. Soweit sich unterhalb dieser Schwelle durch die Ausreise bzw. Abschiebung eine Gesundheitsverschlechterung einstellen sollte, hat sie der Ausländer grundsätzlich hinzunehmen. Denn nicht jede mit der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit eines Bleiberechts für Deutschland und einer bevorstehenden Rückkehr in das Heimatland einhergehende Gefährdung bzw. Verschlechterung des Gesundheitszustandes führt auf eine Reiseunfähigkeit. Indem das Aufenthaltsgesetz ebenso wie zuvor das Ausländergesetz die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht (vgl. § 58 AufenthG), nimmt es in diesem Zusammenhang vielfach zu erwartende Auswirkungen auf den gesundheitlichen und insbesondere auf den psychischen Zustand der Betroffenen in Kauf und lässt diese nur beim Vorliegen besonderer Umstände als Duldungsgründe gelten (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 15. September 2004 - 18 B 2014/04 -, vom 21. Januar 2005 - 18 B 187/05, vom 4. November 2005 - 18 B 94/05 und vom 13. Januar 2006 - 18 B 1023/05 -).

Von einer Reiseunfähigkeit im genannten Sinn kann bei psychischen Erkrankungen nach der Senatsrechtsprechung im Wesentlichen dann ausgegangen werden, wenn im Rahmen der Ausreise bzw. Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung droht, der darüber hinaus auch nicht durch ärztliche Hilfen begegnet werden kann (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 30. Dezember 2004 - 18 B 2690/04 -, vom 11. Oktober 2005 - 18 A 3204/05 und vom 13. Januar 2006 - 18 B 1023/05 -, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Davon ausgehend ist eine Reiseunfähigkeit der Klägerin zu 2. mit den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht dargetan.

2. Den Klägern steht ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG des Weiteren nicht deshalb zu, weil sie nicht in der Lage sind, Pässe bzw. Passersatzpapiere zu beschaffen. Zwar ist den Klägern – wie es § 25 Abs. 5 AufenthG Satz 1 in seiner zweiten Alternative erfordert – wegen fehlenden Besitzes von Pässen oder Passersatzpapieren gegenwärtig eine freiwillige Ausreise tatsächlich nicht möglich. Es ist jedoch – wie das Verwaltungsgericht dargelegt hat – davon auszugehen, dass bei ernsthafter Mitwirkung der Kläger mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit zu rechnen wäre. Daraus folgt wegen der insoweit gegebenen Verschränkung des Satzes 1 mit den Anforderungen nach den Sätze 3 und 4 zugleich, dass die Kläger nicht unverschuldet an ihrer freiwilligen Ausreise gehindert sind (§ 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG). Die Kläger haben nicht alle ihnen in diesem Zusammenhang möglichen und zumutbaren Anstrengungen zur Beschaffung von Pässen bzw. Passersatzpapieren unternommen.

Insoweit gilt Folgendes: Es ist die ureigene Angelegenheit eines Ausländers, seine Identität aufzuklären und sich bei der für ihn zuständigen Auslandsvertretung um die Ausstellung eines Ausweispapiers zu bemühen. Der Besitz eines gültigen Passes zählt zu den Obliegenheiten eines Ausländers (vgl. § 3 Abs. 1 AufenthG). Jener ist ferner Regelvoraussetzung für die Erteilung eines jeden Aufenthaltstitels (vgl. § 5 Abs. 1 AufenthG) und damit auch für die hier erstrebte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Zudem verdeutlicht § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, dass ein Ausländer bei der Beschaffung von Identitätspapieren alle erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen hat, wozu neben einem Pass oder Passersatz auch sonstige Urkunden und Dokumente unabhängig vom Aussteller gehören, sofern sie zu dem Zweck geeignet sind, die Ausländerbehörde bei der Geltendmachung und Durchsetzung einer Rückführungsmöglichkeit zu unterstützen.

Deshalb hat ein ausreisepflichtiger Ausländer – wie die Kläger – alle zur Erfüllung seiner Ausreisepflicht erforderlichen Maßnahmen, und damit auch die zur Beschaffung eines gültigen Passes oder Passersatzpapiers, grundsätzlich ohne besondere Aufforderung durch die Ausländerbehörde unverzüglich einzuleiten. Dabei hat er – nicht die Ausländerbehörde – sich gegebenenfalls unter Einschaltung von Mittelspersonen in seinem Heimatland um erforderliche Dokumente und Auskünfte zu bemühen, wobei es grundsätzlich auch zumutbar ist, einen Rechtsanwalt im Herkunftsstaat zu beauftragen. Derartige Handlungen können nur dann nicht verlangt werden, wenn sie von vornherein aussichtslos sind.

Zweifel in Bezug auf die Unmöglichkeit einer Passbeschaffung gehen zu Lasten des Ausländers, weil er generell und damit insbesondere auch – wie hier – im Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für die ausschließlich seinem Einflussbereich unterliegenden, ihm günstigen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig ist und dies auch in Ansehung einer für ihn möglicherweise schwierigen Beweissituation gilt. Davon abzusehen gebieten nicht die Regelungen in § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG, auch wenn es sich bei ihnen um anspruchsvernichtende Voraussetzungen handeln mag, für die prinzipiell die Ausländerbehörde die Feststellungslast trägt. Entscheidend ist insoweit, dass es hier zunächst um das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 25 Abs. 1 AufenthG geht, für die die Darlegungs- und Beweislast beim antragstellenden Ausländer liegt, und dass zudem – bezogen auf § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG – aus den oben aufgezeigten Gründen im Vordergrund die Erfüllung von Obliegenheiten und Mitwirkungspflichten des Ausländers steht (vgl. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), hinsichtlich derer der Ausländerbehörde mangels eigener Wahrnehmungsmöglichkeiten regelmäßig auch keine Darlegung und kein Beweisantritt möglich sein wird. Erst wenn ein Ausländer die aufgezeigten (üblichen) Mitwirkungshandlungen erfüllt hat, trägt die Ausländerbehörde die Darlegungs- und Beweislast dafür, welche konkreten weiteren und nicht von vornherein aussichtslosen Mitwirkungshandlungen der Betroffene zur Beseitigung des Ausreisehindernisses noch unternehmen kann.

Ausländer, die den aufgezeigten Obliegenheiten und Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachkommen, haben die sich aus ihrem Verhalten ergebenden Nachteile grundsätzlich hinzunehmen und können nicht darauf vertrauen, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Dies gilt erst recht, wenn sie ohne Reisedokumente nach Deutschland eingereist sind und damit gezielt die Umstände herbeigeführt haben, die nun ihrer freiwilligen Ausreise und ihrer Abschiebung entgegen stehen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschlüsse vom 30. April 1997 - 1 B 74.97 -, juris, und vom 15. Juni 2006 - 1 B 54.06 -; Senatsurteil vom 9. Februar 1999 - 18 A 5156/96 -, DVBl. 1999, 1222 = AuAS 1999, 159; Senatsbeschlüsse vom 25. Juli 2005 - 18 E 687/05 -, vom 12. Oktober 2005 - 18 B 1526/05 -, vom 14. März 2006 - 18 E 924/04 -, NWVBl 2006, 260, und vom 21. Juli 2006 - 18 E 355/06 -).

Dies zugrunde gelegt kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger ihren Mitwirkungsobliegenheiten bei der Klärung ihrer Identität und Passbeschaffung genügt haben.

Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zutreffend eine unzureichende Mitwirkung bei der Passbeschaffung den Klägern namentlich deswegen angelastet, weil sie ihre Zivilregisternummer nicht angeben. Insoweit ist erstens davon auszugehen, dass jedenfalls den Klägern zu 1. und 2. diese Nummer bekannt ist (und sie diese demnach den Klägerinnen zu 3. und 4. mitteilen könnten), wie das Verwaltungsgericht unter Auswertung der entsprechenden Auskünfte (vgl. ZAB Düsseldorf, Schreiben vom 6. Juni 2005, vom 12. Januar 2006 und Auskunft vom 4. Dezember 2007; ebenso Lagebericht des Auswärtigen Amtes betreffend Syrien vom 26. Februar 2007, S. 21; Gutachten des Deutschen Orient-Instituts vom 19. Februar 2002) dargelegt hat. Den genannten Auskünften ist zu entnehmen, dass regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass syrischen Staatsangehörigen diese Nummer, die nicht lang ist, bekannt ist. Dass und warum es sich anders verhalten sollte, wäre darzutun. Im Falle der Kläger ist das Gegenteil richtig: Da sie nach eigener Darstellung mit Behörden relativ eng zu tun gehabt haben (der Kläger zu 1. hat Militärdienst geleistet und war für ein einer Behörde unterstelltes Unternehmen tätig), ferner über Personalpapiere bzw. ein Familienbuch verfügt haben, ist umso weniger glaubhaft, dass sie ihre Zivilregisternummer nun nicht mehr wissen sollten.

Ungeachtet dessen könnten die Kläger diese Nummer jedenfalls in Erfahrung bringen, und zwar selbst dann, wenn ihre nunmehr gegebene Darstellung, sie hätten ihre Papiere dem Schleuser überlassen, zuträfe. Den einschlägigen Auskünften ist nämlich zu entnehmen, dass die Zivilregisternummer familienweise vergeben wird. So übernimmt ein Sohn, der – wie es der Kläger zu 1. getan hat – eine Familie gründet, die Zivilregisternummer seines Vaters (vgl. Gutachten des Deutschen Orient-Instituts vom 19. Februar 2002 und vom 27. Januar 2003; s. auch Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien vom 27. Dezember 2005, S. 3, 7).

II. Den Klägern steht nach derzeitigen Erkenntnissen auch kein Anspruch gemäß § 104a Abs. 1 AufenthG zu.

Denn gemäß § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung nur an solche Ausländer erteilt werden, die nicht vorsätzlich behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung hinausgezögert oder behindert haben. Dabei kann auf sich beruhen, ob es bereits zum Ausschluss des Anspruchs gemäß § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG führt, dass die Betreffenden den gesetzlichen Pflichten bei der Passbeschaffung ohne konkrete Aufforderung durch die Ausländerbehörde von sich aus nur mit mangelnder Intensität nachkommen, also nicht bereits von sich aus alle Maßnahmen ergreifen, die insoweit in Frage gekommen wären (vgl. insoweit die Anwendungshinweise des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 2007, 1.1.5.1, und die Hinweise zum Richtlinienumsetzungsgesetz des Bundesinnenministeriums, Stand 2. Oktober 2007, S. 77, die die Norm unterschiedlich interpretieren).

Hier jedoch sind die Kläger mehrfachen und hinreichend konkreten Aufforderungen des Beklagten nicht nachgekommen, was auch bei einschränkendem Verständnis für das Eingreifen des Ausschlussgrundes nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG ausreichen dürfte. Der Beklagte hat die Kläger nämlich mehrfach zur Vorlage von Identitätsnachweisen und dabei insbesondere zur Angabe der Zivilregisternummer aufgefordert (vgl. etwa Schreiben vom 7. Februar 2005 und vom 30. Juni 2005, Aufforderungen vom 31. Mai 2005 und vom 23. Oktober 2007).

III. Entsprechendes gälte für einen Anspruch nach der Bleiberechtsanordnung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 2006 1539.08.01.3 -.

IV. Allerdings bestehen hinreichende Erfolgsaussichten im Hinblick auf einen Anspruch der Klägerin zu 3. gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i. V. m. § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG.

Es erscheint auch jedenfalls möglich und aufklärungsbedürftig, dass gewährleistet ist, dass die Klägerin zu 3. sich auf Grund ihrer bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann, und demnach die erforderliche "positive Integrationsprognose" (vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 202) gestellt werden kann. Die für sie eingereichten Unterlagen wie ihre Schulzeugnisse, denen zufolge sie die Hauptschule mit Erfolg besucht hat, und die Bescheinigung über die Tätigkeit als Ministrantin sprechen jedenfalls dafür, dass in ihrem Fall eine gelungene Integration anzunehmen sein könnte. Über Straffälligkeit oder andere gegen ihre Integration sprechende Umstände ist nichts bekannt. Soweit auch die Klägerin zu 3., die nun als Volljährige für die Erfüllung ihre Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung selbst verantwortlich ist, diesen Pflichten (weiterhin) nicht nachkommt, mag dies bei der Integrationsprognose nach § 104a Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz AufenthG zu berücksichtigen sein (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 27. September 2007 - 11 LB 69/07 -, juris), auch insoweit ist aber – wie im Hinblick auf die weitere schulische bzw. berufliche Laufbahn der Klägerin zu 3. – weitere Sachaufklärung erforderlich.

Dass die Klägerin zu 3. – über ihr u.U. zurechenbares Verhalten der Kläger zu 1. und 2. – die negative Voraussetzung des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG erfüllt haben könnte, dürfte im Hinblick auf den Anspruch aus § 104a Abs. 2 AufenthG keine Rolle spielen. Der Anspruch dürfte gegenüber dem aus § 104a Abs. 1 AufenthG selbstständig sein; ein Verweis auf die dort genannten negativen Voraussetzungen findet sich nicht. Wie auch aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht, dürften jedoch – anders als im Rahmen von § 104a Abs. 1 AufenthG – mangels ausdrücklichen Ausschlusses die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG gelten (vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 202; Fehrenbacher, HTKAuslR /§ 104a AufenthG /zu Abs. 2 08/2007; offen gelassen bei OVG Bremen, Beschluss vom 6. August 2007 - OVG 1 B 315/07 -, InfAuslR 11–12/07, S. 447 (448)).

Dass die Klägerin zu 3. die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 AufenthG derzeit nicht erfüllt, schließt jedoch die Erfolgsaussichten ihrer Klage nicht aus. Denn hiervon kann der Beklagte nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG absehen. Jene Bestimmung ist anwendbar, weil gemäß § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und damit nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG erteilt wird. Die insoweit erforderliche Ermessensausübung dürfte der Beklagte nachzuholen haben.