BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 20.12.2007 - 10 B 82.07 - asyl.net: M12398
https://www.asyl.net/rsdb/M12398
Leitsatz:
Schlagwörter: Russland, Revision, Nichtzulassungsbeschwerde, Divergenzrüge, Verfahrensmangel, interne Fluchtalternative, Registrierung, Zumutbarkeit, Verfolgungssicherheit, Sachaufklärungspflicht
Normen: VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 2; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3; AufenthG § 60 Abs. 1; VwGO § 86 Abs. 1
Auszüge:

Die auf die Revisionszulassungsgründe der Divergenz und eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde rügt, das Urteil des Berufungsgerichts weiche vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2007 - BVerwG 1 C 24.06 - (NVwZ 2007, 590) ab.

Eine die Revision eröffnende Divergenz setzt voraus, dass ein inhaltlich bestimmter, die Berufungsentscheidung tragender abstrakter Rechtssatz benannt wird, mit dem das Berufungsgericht einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widerspricht. Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil dem Berufungsurteil nicht – wie die Beschwerde meint – ein abstrakter Rechtssatz entnommen werden kann, der zu dem zitierten Satz aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2007 BVerwG - 1 C 24.06 - (a.a.O. Rn. 12) in Widerspruch stehen würde. In dem Berufungsurteil finden sich nämlich keinerlei Feststellungen dazu, dass der Kläger zu 1 unter den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen, insbesondere der Registrierungsmöglichkeit seiner über einen gültigen russischen Inlandspass verfügenden Ehefrau, jederzeit der Gefahr polizeilicher Kontrollen und der strafrechtlichen Sanktionierung ausgesetzt wäre. Hiervon ist das Berufungsgericht bei seiner Würdigung der Erkenntnislage auch erkennbar nicht ausgegangen. Es hat vielmehr festgestellt, dass die Kläger in anderen Landesteilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens vor Verfolgung sicher sind und ihr soziales und wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet ist (UA S. 16). Nach seinen Feststellungen wird es den Klägern jedenfalls auf der Grundlage der Registrierung der Klägerin zu 2 im Familienverbund gelingen, sich durch eine Tätigkeit des Klägers zu 1 in der in der Russischen Föderation weit verbreiteten sog. "Schattenwirtschaft" eine ausreichende Lebensgrundlage zu schaffen (UA S. 18 f.). Einen Rechtssatz zur Frage des Bestehens einer zumutbaren Fluchtalternative im Falle "eines Lebens in der Illegalität, das den Betroffenen jederzeit der Gefahr polizeilicher Kontrollen und strafrechtlicher Sanktionierung aussetze", hat das Berufungsgericht damit weder ausdrücklich noch konkludent aufgestellt.

Im Übrigen ist das Berufungsgericht bei der Prüfung der Frage, ob die Kläger am Ort der inländischen Fluchtalternative das wirtschaftliche Existenzminimum in zumutbarer Weise sichern können, von denselben Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesverwaltungsgericht in dem angeführten Urteil vom 1. Februar 2007 - BVerwG 1 C 24.06 - (a.a.O. Rn. 11) als Ergebnis der bisherigen Rechtsprechung – unter anderem auch durch Bezugnahme auf den auch vom Berufungsgericht zitierten Beschluss vom 17. Mai 2006 - BVerwG 1 B 100.05 - (Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 328) – zu Grunde gelegt hat (vgl. UA S. 14 f.). Insofern befindet sich das Berufungsurteil in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

2. Der von der Beschwerde gerügte Verfahrensmangel der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist schon nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

Dass die anwaltlich vertretenen Kläger im Berufungsverfahren einen Beweisantrag gestellt oder auf sonstige Weise auf eine ergänzende Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätten, macht die Beschwerde selbst nicht geltend. Sie zeigt auch nicht auf, dass sich dem Berufungsgericht ausnahmsweise gleichwohl die vermisste weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen. Insbesondere legt sie nicht dar, dass die vom Berufungsgericht eingeführten zahlreichen Erkenntnismittel, zu denen auch die von der Beschwerde angeführten Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom August 2005 und 2006 sowie die angeführten Stellungnahmen vom UNHCR und der Bericht von Memorial ("Menschen aus Tschetschenien in der Russischen Föderation, Juli 2005–Juli 2006") zählen, für eine sachkundige Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse in der Russischen Föderation nicht ausreichten.