OLG Oldenburg

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Zitieren als:
OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.01.2008 - Ss 39/08 - asyl.net: M12635
https://www.asyl.net/rsdb/M12635
Leitsatz:

Das Verlassen des durch Auflage zur Duldung bestimmten Aufenthaltsbereichs ist nicht gem. § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG strafbar.

 

Schlagwörter: D (A), Strafrecht, Duldung, räumliche Beschränkung, Auflage, Straftat, Ordnungswidrigkeit, Verjährung, Unterbrechung, Urteil
Normen: AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 7; AufenthG § 61 Abs. 1; AufenthG § 98 Abs. 3 Nr. 4; AufenthG § 98 Abs. 5; OWiG § 31 Abs. 2 Nr. 4; OWiG § 33 Abs. 4
Auszüge:

Das Verlassen des durch Auflage zur Duldung bestimmten Aufenthaltsbereichs ist nicht gem. § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG strafbar.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zur Revision ausgeführt:

"aa) Die Urteilsfeststellungen tragen die auf § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG gestützte Verurteilung nicht. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG zuwiderhandelt. Ein Verstoß gegen § 61 Abs.1 Satz 1 AufenthG, also gegen die Beschränkung des Aufenthaltes auf das jeweilige Bundesland, liegt nach den Feststellungen nicht vor, weil der Angeklagte das Land Niedersachsen nicht verlassen hat.

Soweit im Urteil festgestellt wird, dass der Aufenthaltsgestattungsbereich darüber hinausgehend auf den Bereich der Stadt O... und des Landkreises O... beschränkt war, kann dies nur auf der Anordnung einer Auflage nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG beruhen. Eine solche weitergehende räumliche Beschränkung fällt jedoch nicht unter den Begriff der räumlichen Beschränkung des Aufenthaltes i. S. d. § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG. Dies folgt aus der Gesetzessystematik, wonach erstmalig begangene Zuwiderhandlungen gegen die räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Ordnungswidrigkeit gemäß § 98 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG, jedoch Verstöße gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nach der Bußgeldvorschrift des § 98 Abs. 3 Nr. 4 AufenthG geahndet werden. Insoweit differenziert das Gesetz zwischen den beiden Rechtsgrundlagen einer räumlichen Beschränkung. Da das Gesetz aber nur die wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG unter Strafe gestellt hat, nicht jedoch Verstöße gegen vollziehbare Auflagen, werden solche Verstöße von der Strafnorm nicht erfasst, so dass insoweit nur der Bußgeldtatbestand verwirklicht ist. Dieses Verständnis der Strafnorm findet seine Entsprechung im Asylverfahrensrecht, wo gemäß § 85 Nr. 2 AsylVfG ebenfalls nur der Verstoß gegen die im Gesetz selbst statuierte räumliche Beschränkung gemäß § 56 Abs. 1 und Abs. 2 AsylVfG, nicht aber der Verstoß gegen eine durch die Verwaltungsbehörde gemäß § 60 AsylVfG erlassene weitergehende Beschränkungsanordnung unter Strafe gestellt ist (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschl. vom 22.02.2007 - 1 Ss 96/06 -; Thüringer OLG, Beschl. v. 01.03.2007 - 1 Ss 1/07 -; OLG Köln, Beschluss vom 11.10.2007 - 83 Ss 126/07 - jeweils unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.10.2006, StV 2007, 136).

bb) Der vom Angeklagten angestrebte Freispruch scheidet aus.

Das Tatgeschehen ist noch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit der Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Auflage nach §§ 98 Abs. 3 Nr. 4, 61 Abs.1 Satz 2 AufenthG zu würdigen. Entgegen der Ansicht des Angeklagten wäre eine solche Ordnungswidrigkeit auch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist betrüge gemäß §§ 98 Abs. 5 AufenthG, 31 Abs. 2 Nr.4 OWiG 6 Monate. Die Verjährung wäre innerhalb dieser Frist zuletzt durch das angefochtene Urteil gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 15 OWiG unterbrochen worden. Gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 OWiG unterbricht die auf die Verfolgung als Straftat gerichtete Handlung – hier das angefochtene Urteil – auch die Verjährung der an sich gemäß § 21 OWiG verdrängten Ordnungswidrigkeit. Dies gilt entgegen der Ansicht der Revision auch dann, wenn sich die verfolgte Tat später nicht als Straftat darstellt bzw. ein entsprechender Nachweis nicht geführt werden kann. Gerade in einem solchen Fall erfährt § 33 Abs. 4 Satz 2 OWiG seine praktische Bedeutung (vgl Göhler, OWiG,14. Aufl., § 33 Rdnr 58).

Eine eigene Sachentscheidung des Senats in entsprechender Anwendung der §§ 83 Abs. 3, 79 Abs. 6 OWiG kommt nicht in Betracht, weil das Urteil keine genügenden Feststellungen hinsichtlich der dem Angeklagten erteilten Auflage (Form, Inhalt, Vollziehbarkeit etc.) und der vorangegangenen Verstöße enthält."

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.