Ob die Verweigerung oder die Verzögerung einer für eine Rechtsmittelbegründung beantragten Akteneinsicht ein unverschuldetes Hindernis im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwGO darstellt, lässt sich nicht generell beantworten (so wohl BVerwG, Beschluss vom 10.10.1989 - 9 B 268/89 -, VBlBW 1990, 100), sondern ist eine Frage des Einzelfalles.
Ob die Verweigerung oder die Verzögerung einer für eine Rechtsmittelbegründung beantragten Akteneinsicht ein unverschuldetes Hindernis im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwGO darstellt, lässt sich nicht generell beantworten (so wohl BVerwG, Beschluss vom 10.10.1989 - 9 B 268/89 -, VBlBW 1990, 100), sondern ist eine Frage des Einzelfalles.
(Amtlicher Leitsatz)
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, in dem dieses den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis und gegen die Abschiebungsandrohung (Verfügungen vom 20.9.2007) abgelehnt hat, kann bereits aus prozessualen Gründen keinen Erfolg haben; die Beschwerde ist zwar rechtzeitig erhoben (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO), jedoch nicht innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet worden, so dass sie zu verwerfen ist (siehe § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO).
Aber auch ein innerhalb der Monatsfrist nach Wegfall des Hindernisses zu stellender Wiedereinsetzungsantrag (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO) würde im vorliegenden Fall eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist nicht ermöglichen; einmal spricht nichts dafür, dass der Antragsteller im vorliegenden Fall im Sinn des § 60 Abs. 1 VwGO "verhindert war", die gesetzliche Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO einzuhalten (1), und zum andern wäre ihm selbst bei Annahme eines solchen Hindernisses im konkreten Fall eine Wiedereinsetzung nicht zu gewähren, da auch eine entsprechende "Nachfrist" inzwischen abgelaufen ist (2).
1. Die Frage, ob eine unverschuldete Verhinderung an der Fristeinhaltung schon dann vorliegt, wenn der Betroffene eine von ihm für erforderlich gehaltene Akteneinsicht nicht oder nicht rechtzeitig nehmen konnte, wird in ständiger Rechtsprechung jedenfalls des Bundesverwaltungsgerichts verneint (siehe dazu BVerwG, Beschluss vom 10.10.1989 - 9 B 268/89 -, VBlBW 1990, 100; Beschluss vom 26.5.1975 - III B 117.74 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 131); das Bundesverwaltungsgericht verlangt von dem Prozessbevollmächtigten grundsätzlich, gegebenenfalls allein aufgrund der ihm vorliegenden angefochtenen Entscheidung und der Information durch den Mandanten eine den gesetzlichen Anforderungen im Mindestmaß genügende Begründung fristgerecht einzureichen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 18.11.1996 - 11 VR 2/96 -, NVwZ 1997, 993 zur Antragsfrist des § 20 Abs. 5 Satz 2 AIG). Die Literatur hält dieser strengen, zur Nichtzulassungsbeschwerde und ihren besonderen Voraussetzungen nach § 133 VwGO entwickelten Auffassung allerdings entgegen, die Anforderungen an die Wiedereinsetzung würden überspannt, da man dem Rechtssuchenden zumute, vorsorglich Rechtsbehelfe zu ergreifen, ohne sich vorher ein zuverlässiges Bild von den Erfolgsaussichten machen zu können (siehe Sodan/Ziekow, VwGO, 2006, Rn 53 zu § 60). Dieses Argument ist jedenfalls für diejenigen Fälle nicht von vorneherein von der Hand zu weisen, in denen ein Akteneinsichtsgesuch gesetzwidrig oder sonst vorwerfbar abgelehnt oder seine Bearbeitung verzögert wird (siehe dazu Sodan/Ziekow a.a.O. Rn 53 zu § 60 m.w.N.). Das ergibt sich bereits aus dem rechtstaatlichen Gebot des fairen Verfahrens, das es dem Gericht verbietet, bei eigenen prozessualen Verstößen den Beteiligten Fristversäumnisse vorzuhalten (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 4.5.2004 - 1 BvR 1892/03 -, DVBl 2004, 1229). Im übrigen ist auch dem Gesetzgeber die Bedeutung vorheriger Akteneinsicht für die Begründung von Rechtsmitteln bekannt; die ursprüngliche Fassung des § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO sollte z.B. den Beteiligten innerhalb der dort geltenden Begründungsfrist eine Akteneinsicht beim ortsnahen VG ermöglichen (Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn 161 zu § 124 a mit Hinweis auf die allerdings zu einer richterlichen Frist ergangene Entscheidung des BVerfG, Beschluss vom 5.2.2003 - 2 BvR 153/02 -, DVBl. 2003, 861). Es spricht daher mehr dafür, Wiedereinsetzungsanträge, die mit fehlender oder verspäteter Akteneinsicht begründet werden, nicht bereits von vorneherein als unbegründet abzulehnen, sondern es der Einzelfallprüfung vorzubehalten, ob (und wie lange) der Betreffende an der versäumten Rechtshandlung (hier: der Beschwerdebegründung) wegen unterbliebener oder verspätet gewährter Akteneinsicht im Rechtssinn "gehindert" war.
Jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation liegt nach der Überzeugung des Senats in der erst am 31.1.2008 erfolgten Akteneinsicht kein im Sinn des § 60 Abs. 1 VwGO beachtlicher Hinderungsgrund.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss sich die Beschwerde "mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen", d.h. der Gesetzgeber geht davon aus, dass Gegenstand der Beschwerdebegründung in erster Linie die Argumentation der angefochtenen Entscheidung ist. Diesem Mindesterfordernis konnte der Antragsteller, der bereits in der ersten Instanz durch den gleichen Prozessbevollmächtigten vertreten war, ohne weiteres auch ohne zusätzliche Akteneinsicht gerecht werden, zumal Erläuterungen und Konkretisierungen bereits geltend gemachter Gründe auch nach Fristablauf im Beschwerdeverfahren möglich sind (siehe dazu Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn 84 zu § 146 m.w.N.).