BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 10.03.2008 - 10 B 102.07 - asyl.net: M13203
https://www.asyl.net/rsdb/M13203
Leitsatz:
Schlagwörter: Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Anerkennungsrichtlinie, ernsthafter Schaden, Willkürliche Gewalt, bewaffneter Konflikt, Verfahrensmangel, Revisionsverfahren, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Afghanistan, Kabul, Darlegungserfordernis, Entscheidungserheblichkeit
Normen: VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. b; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. c; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die Beschwerde, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht werden, bleibt ohne Erfolg.

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird von der Beschwerde nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise aufgezeigt.

Die Beschwerde will in erster Linie geklärt wissen, ob bei Vorliegen allgemeiner Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F. (nunmehr § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG n.F.) der Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie ausgeschlossen ist. Diese Frage könnte sich im Falle des Klägers nur dann stellen, wenn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie im Übrigen vorlägen, aber wegen des Umstandes, dass es sich um Gefahren handelt, denen die Bevölkerung(sgruppe, der der Kläger angehört,) allgemein ausgesetzt ist, ein solcher Anspruch verneint worden wäre. Dass dies der Fall ist, legt die Beschwerde indes nicht dar.

Das Berufungsgericht hat mit Blick auf die Sicherheitslage das Vorliegen eines von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie vorausgesetzten internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts jedenfalls für den Raum Kabul nicht festgestellt. Vielmehr ist es davon ausgegangen, dass bewaffnete Aktionen und gewalttätige Ausschreitungen, die auf einen bewaffneten Konflikt hinweisen und sich in diesen einfügen könnten, zwar im Süden und Südosten des Landes zunähmen; sie prägten bezogen auf Kabul die Gesamtsituation jedoch nicht, jedenfalls nicht im Sinne einer schon als ernsthaft zu bewertenden Bedrohung (BA S. 13 f.).

Die Beschwerde wirft als Grundsatzfrage auf, "ob für Art. 15 Buchst. c der Richtlinie jetzt ein neuer erleichterter bzw. geringerer Maßstab gilt und ggf. welcher" (Beschwerdebegründung S. 2 Nr. 2).

Die Beschwerde grenzt Art. 15 Buchst. b und c der Qualifikationsrichtlinie graduell voneinander ab, ohne sich mit der zu Art. 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff der Behandlung als geplantes, vorsätzliches, auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln auseinanderzusetzen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 15.95 - BVerwGE 99, 331 <333 f.> unter Rückgriff auf EGMR, Urteil vom 7. Juli 1989 , NJW 1990, 2183 und vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 38.96 - BVerwGE 104, 265 <269>). Dessen hätte es aber bedurft, nachdem die Beschwerde selbst unter Rückgriff auf die Materialien zur Qualifikationsrichtlinie darauf hingewiesen hat, dass sich Art. 15 Buchst. b der Qualifikationsrichtlinie an Art. 3 EMRK orientiere, während im Anwendungsbereich des Art. 15 Buchst. c die Gründe für die Furcht nicht personenspezifisch seien (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001, KOM <2001> 510 endgültig, S. 30).

Soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht habe den Kläger zu Unrecht auf eine Rückkehr nach Kabul verwiesen und damit die Systematik der Qualifikationsrichtlinie verkannt (Beschwerdebegründung S. 18), ergibt sich daraus schon deshalb kein Klärungsbedarf mehr, weil in dem angestrebten Revisionsverfahren nach § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die im Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts maßgebliche Rechtslage abzustellen wäre. Der Gesetzgeber hat aber inzwischen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 in dem neuen § 60 Abs. 11 AufenthG auch für den subsidiären Schutz u.a. Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie für anwendbar erklärt. Im Übrigen könnten sich in diesem Zusammenhang allenfalls etwaige Fragen zur Auslegung von Art. 8 der Richtlinie stellen; derartige Fragen hat die Beschwerde indes nicht aufgeworfen.