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Zitieren als:
, Bescheid vom 21.09.2007 - 5244504-346 - asyl.net: M13822
https://www.asyl.net/rsdb/M13822
Leitsatz:
Schlagwörter: Haiti, Aristide-Anhänger, Fanmi Lavalas, Unterstützung, Demonstrationen, Vergewaltigung, Kriminalität, Drohungen, Verfolgung durch Dritte, mittelbare Verfolgung, nichtstaatliche Verfolgung, Schutzfähigkeit, Sippenhaft, geschlechtsspezifische Verfolgung, soziale Gruppe
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1 Bst. d
Auszüge:

1. Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG wird abgelehnt.

Wegen ihrer politischen Aktivitäten für die "Fanmi Lavalas" droht der Antragstellerin keine politische Verfolgung.

Unterstützer der Partei "Fanmi Lavalas" werden von der gegenwärtigen haitianischen Regierung nicht verfolgt. Die Partei ist mit mehreren Senatoren und Abgeordneten im aktuellen Parlament Haitis vertreten (vgl. eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 15.05.2007).

Auch die von der Verfahrensbevollmächtigten eingeführten Erkenntnisse können zu keiner anderen Einschätzung führen. Zwar kommt es weiterhin vereinzelt zu Festnahmen und ungeklärten Tötungen von Repräsentanten und auch Anhängern der "Fanmi Lavalas", das mag jedoch auch mit Ermittlungsmaßnahmen bzw. Rivalitäten wegen der illegalen Bandenkriminalität zu tun haben. Gemäß ai Jahresbericht 2006 wurden die meisten dieser Verbrechen von Banden verübt, die angeblich den früheren Präsidenten Jean-Bertrand Aristide unterstützten. Als im Februar (2005) ein Bandenführer getötet wurde, der Aristides Partei "Fanmi Lavalas" nahe gestanden haben soll, nahm die Zahl der Bandenkriege ab.

Die Antragstellerin wurde trotz ihrer jahrelangen Unterstützung der Partei "Fanmi Lavalas" zu keinem Zeitpunkt staatlicherseits beeinträchtigt. Insofern ist nicht ersichtlich, dass ihr nun, da sich die Lage für Anhänger dieser Partei noch verbessert hat, staatliche Verfolgungsmaßnahmen drohen könnten.

Der Antragstellerin droht auch keine dem Staat zurechenbare Drittverfolgung. Zwar räumt das Auswärtige Amt ein, dass der haitianische Staat bei Übergriffen jedweder Art nur eingeschränkt schutzfähig ist und dass die "Begleichung alter Rechnungen" im Einzelfall nicht auszuschließen seien (eingeholte Auskunft, a.a.O.). Es ist jedoch nicht glaubhaft, dass die Antragstellerin gezielt durch die ehemaligen Militärs verfolgt wurde oder dass ihr das bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen könnte.

Dass die Bedrohungen der Antragstellerin gegenüber sowie die Vergewaltigung - auch - eine "Begleichung alter Rechnungen" wegen ihres früher als Polizist tätigen Vaters war, ist nach Einschätzung der Unterzeichnerin nicht überwiegend wahrscheinlich.

Ebensowenig ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin gezielt wegen ihrer politischen Aktivitäten bedroht und vergewaltigt worden ist. Sie will lediglich an Demonstrationen teilgenommen und sich mit Freunden ausgetauscht haben. Ein weitergehendes Engagement wurde nicht geltend gemacht, zumal sich die Antragstellerin ab Februar 2005 weitgehend in der Dominikanischen Republik aufgehalten hat und somit in Haiti gar nicht umfänglich politisch tätig sein konnte. Warum ihr gerade im August 2006 gedroht worden sein soll, nicht weiter für die Rückkehr von Aristide zu kämpfen, obwohl sie sich zu dem Zeitpunkt bereits seit 1 1/2 Jahren im Ausland aufgehalten hat, ist nicht nachvollziehbar.

2. Es besteht kein Anspruch auf Flüchtlingsschutz im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG.

Die glaubhaft geschilderte Vergewaltigung durch nichtstaatliche Akteure führt nicht zur Zuerkennung von Flüchtlingsschutz. Nach Überzeugung der Unterzeichnerin wurde die Antragstellerin zufällig Opfer dieses Verbrechens. Sie ist nicht als Zugehörige zu einer bestimmten sozialen Gruppe betroffen. Zwar gibt es in Haiti Gewalt gegen Frauen, die auch öffentlich zur Sprache kommt. So berichtet amnesty international in seinem Jahresbericht 2007: "Hunderte Frauen, die eine Vergewaltigung oder andere Formen sexueller Gewalt überlebt hatten, verlangten am 01. September (2006) bei einem Protestzug durch Port-au-Prince von der Regierung geeignete Maßnahmen, Gewalt gegen Frauen jedweder Art ebenso wie ihre Diskriminierung zu unterbinden. Die Demonstrantinnen forderten auch alle illegalen bewaffneten Gruppen auf, Vergewaltigungen zu unterlassen."

Die Definition einer bestimmten sozialen Gruppe kann im Hinblick auf die Antragstellerin dennoch nicht erfolgen. Voraussetzung ist gem. Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (Anerkennungs- oder Qualifikationsrichtlinie), dass die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass dies bei den Frauen aus Haiti der Fall ist. Außerdem müssen nahezu alle Frauen unterschiedslos mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bedroht und betroffen sein. Auch davon ist nicht auszugehen.