Keine hinreichende Sicherheit vor erneuter Verfolgung in der Türkei.
Keine hinreichende Sicherheit vor erneuter Verfolgung in der Türkei.
(Leitsatz der Redaktion)
Die in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestimmten materiellen Voraussetzungen für den Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG liegen jedoch nicht vor.
Ob der Kläger bei einer - asylrechtlich unterstellten - Rückkehr in die Türkei im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG Schutz vor Verfolgung findet, beurteilt sich nach dem sog. herabgestuften Prognosemaßstab der hinreichenden Verfolgungssicherheit. Denn das Bundesamt ist in seiner anerkennenden Entscheidung offenbar davon ausgegangen, dass der Kläger vor seiner Ausreise in der Türkei asylerheblich verfolgt wurde, er somit vorverfolgt ausgereist ist.
Unter Berücksichtigung des sog. herabgestuften Prognosemaßstabs der hinreichenden Verfolgungssicherheit wäre der Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei vor einer politischen Verfolgung nicht hinreichend sicher.
Zwar hat sich die Menschenrechtslage in der Türkei - wie allgemein bekannt und zuletzt im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 25.10.2007 dokumentiert - erheblich verbessert (vgl. Lagebericht, S. 28 ff.). Die Türkei hat insbesondere die sog. Kopenhagener Kriterien für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nach der Feststellung des Europäischen Rats hinreichend erfüllt. Es wurden nachdrückliche Anstrengungen unternommen, die Anwendung von Folter zu unterbinden.
Gleichwohl geht das Gericht derzeit noch nicht davon aus, dass der Reformprozess bereits weit genug fortgeschritten ist, um eine menschenrechtswidrige Behandlung des Klägers durch türkische Sicherheitsorgane mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können. Auch nach dem jüngsten Lagebericht vom 25.10.2007 hat der Mentalitätswandel noch nicht alle Teile von Polizei, Verwaltung und Justiz vollständig erfasst. Dabei ist eine der Hauptursachen für die immer noch vorkommende Folter nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes die nicht effiziente Strafverfolgung von folternden staatlichen Kräften. Im Lagebericht wird darauf hingewiesen, dass der Ruf nach entschiedeneren Maßnahmen zur Terrorbekämpfung mit dem aktuellen Wiedererstarken des PKK-Terrorismus lauter werde, nachdem es im Osten und Südosten der Türkei verstärkt zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der PKK komme. Trotz aller Maßnahmen der Regierung gegen Folter und Misshandlungen im Rahmen ihrer "Null-Toleranz-Politik" und eines weiteren Rückgangs von bekannt gewordenen Fällen sei die Strafverfolgung von Foltertätern immer noch unbefriedigend. Auch derzeit noch würden türkische Gerichte in politischen Strafverfahren auf der Grundlage von erfolterten Geständnissen verurteilen. Es lägen auch keine zuverlässigen Erkenntnisse darüber vor, in welchem Umfang es zu inoffiziellen Festnahmen durch Sicherheitskräfte in Zivil mit anschließender Misshandlung und Folter komme (vgl. zum Gesamten: Lagebericht vom 25.10.2007, S. 28 ff.).
Das Gericht geht daher derzeit noch nicht davon aus, dass von einer verfestigten und nachhaltigen Veränderung der Menschenrechtssituation in der Türkei als Voraussetzung für einen "Wegfall der Umstände" im Sinne von Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK, aufgrund derer die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung erfolgte, gesprochen werden kann (vgl. VG München, Urt. v. 14.09.2007 - M 24 K 07.50342 - und Urt. v. 24.05.2007 - M 24 K 07.50151 -; VG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2006 - 4 K 5335/06.A -; VG Ansbach, Urt. v. 24.07.2007 - AN 1 K 07.30135 -; jeweils zitiert nach juris).
Auch das Verwaltungsgericht Oldenburg hat den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft eines als vorverfolgt geltenden türkischen Kurden als rechtswidrig aufgehoben, da eine hinreichende Sicherheit vor Verfolgung nicht gewährleistet sei. Es hat hierzu in seinem Urteil vom 04.10.2007 (5 A 4386/06) ausgeführt: ...
Dieser Auffassung schließt sich das erkennende Gericht an.