OLG Nürnberg

Merkliste
Zitieren als:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.07.2008 - 1 St OLG Ss 258/07 - asyl.net: M14425
https://www.asyl.net/rsdb/M14425
Leitsatz:

Das Beschaffen eines amtlichen Ausweises, der eine falsche Beurkundung enthält, gem. § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist eine mitbestrafte Nachtat der mittelbaren Falschbeurkundung; wenn ein Ausländer einen gefälschten Ausweis gem. § 276 Abs. 1 Nr. 1 StGB einführt, aber nicht beabsichtigt, diesen zu gebrauchen, kommt ein strafausschließender Verbotsirrtum in Betracht (hier: unverzügliche Asylantragstellung unter Vorlage des gefälschten Ausweises).

 

Schlagwörter: D (A), Strafrecht, Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen, mittelbare Falschbeurkundung, mitbestrafte Nachtat, Verbotsirrtum, Asylantrag, Asylbewerber
Normen: StGB § 276 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 276 Abs. 1 Nr. 1
Auszüge:

Das Beschaffen eines amtlichen Ausweises, der eine falsche Beurkundung enthält, gem. § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist eine mitbestrafte Nachtat der mittelbaren Falschbeurkundung; wenn ein Ausländer einen gefälschten Ausweis gem. § 276 Abs. 1 Nr. 1 StGB einführt, aber nicht beabsichtigt, diesen zu gebrauchen, kommt ein strafausschließender Verbotsirrtum in Betracht (hier: unverzügliche Asylantragstellung unter Vorlage des gefälschten Ausweises).

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Revision ist zulässig (§§ 344, 345 StPO). Sie führt zur Abänderung des Schuldspruchs bezüglich der ersten Tat und infolge dessen zur Aufhebung des zugehörigen Strafausspruchs, bezüglich der zweiten Tat zur Aufhebung und Zurückverweisung. [...]

Das Beschaffen eines eine falsche Beurkundung enthaltenden amtlichen Ausweises nach § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist hier straflose Nachtat. Das beruht darauf, dass die mittelbare Falschbeurkundung und die dadurch angestrebte und ermöglichte Beschaffung des Ausweises ein einheitlicher Tätigkeitskomplex sind und § 276 StGB nicht den Zweck hat, den bereits nach § 271 StGB strafbaren Fälscher strafrechtlich zusätzlich zu erfassen (Gribbohm in Leipziger Kommentar, 11. Auflage, § 276 StGB Rn. 19, 20; zum ebenso zu beurteilenden Fall des § 276 StGB als Vortat zu § 271 Abs. 2 StGB die Rn. 22). Eine tateinheitliche Verurteilung kommt deshalb nicht in Betracht. Vielmehr ist das Verschaffen falscher Ausweise als mitbestrafte Nachtat anzusehen.

Für die Tat von 2005 ist das Urteil bereits im Schuldspruch aufzuheben. Zum Vorwurf der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts ist zunächst auf die Ausführungen im Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hinzuweisen. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass die mangelnde Aufklärung des Ausgangs des Asylverfahrens und des ausländerrechtlichen Status des Angeklagten auch Auswirkungen auf die Frage des Schuldspruchs gemäß § 276 Abs. 1 Nr. 1 StGB hat. Es ist zwar richtig, dass das Einführen von gefälschten Ausweisen strafbar ist, ohne dass die Absicht festgestellt werden muss, von diesen Ausweisen auch Gebrauch zu machen. Fehlt jedoch eine Gebrauchsabsicht, dann stellt sich je nach dem mit der Einfuhr verfolgten Zweck die Frage der Parallelwertung in der Laiensphäre und die Frage eines Verbotsirrtums. Das liegt hier deshalb nahe, weil im Urteil ausgeführt wird, noch am Einreisetag habe sich der Angeklagte als Asylsuchender in Zirndorf gemeldet und die gefälschten Papiere mit sich geführt, ohne dass gleichzeitig gesagt wird, er habe die falschen Personalien für sich geltend gemacht. Damit wird ein Zweck des Mitsichführens der Ausweispapiere nahe gelegt, der jedenfalls zu einem Verbotsirrtum, unter Umständen zu einem Irrtum über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes führen konnte.

[...]